Der wesentliche Teil der amerikanischen Doktrin ist jene des Vorrangs us-amerikanischer Interessen, wenn nötig mit militärischen Mitteln zu gewährleisten.
Nur noch eine Berichtigung zu diesem Punkt: Die Monroe-Doktrin besagt vor allem, dass sich europäische Staaten nicht in amerikanische Angelegenheiten einzumischen hätten, in die andere Richtung geht diese nicht.
Zunächst einmal freut es mich, dass Du Dich nun auf eine inhaltliche Diskussion einlässt mit falsifizierbaren Aussagen, und Dich nicht auf bequeme Allgemeinplätze und Reflexe zurückziehst.
Wie schon giftpilz richtigerweise ausgeführt hat, beinhaltet die Monroe-Doktrin nicht das was Du behauptest. Du solltest Dich da einmal informieren. Dann würdest auch Du feststellen, dass sie sehr wohl auch eine Nichteinmischung in europäische Angelegenheiten proklamiert. Und da dieser Grundsatz - und hier muss ich giftpilz leicht korrigieren - spätestens seit dem 1.Weltkrieg nicht mehr gilt, ist die Behauptung, die Amis würden sich immer noch nach dieser 200 Jahre alten Doktrin richten, schlichtweg falsch.
Der Neokolonialismus ist überall zu sehen, wenn man nur die Augen aufmacht: Der Irakkrieg wurde nicht wegen der "Massenvernichtungswaffen" geführt, sondern wegen des Öls, Libyen wurde aus ähnlichen Gründen angegriffen,
Du hast Recht, wenn Du die Lügen über Massenvernichtungswaffen als vorgeblichen Grund für den Irak-Krieg brandmarkst. Das Öl war sicher ein Grund für den Angriff auf den Irak, ein anderer waren profane persönliche Gelüste des damaligen Präsidenten Bush, praktisch ein Krieg ganz im Stile eines alten europäischen Monarchen. Man darf aber auch die andere Seite der Medaille nicht vergessen: Sowohl im Irak als auch in Libyen wurden Diktatoren abgesetzt, die zwar weniger eine Gefahr für die Welt, dafür aber umso mehr für die eigene Bevölkerung waren. Wie so oft, wenn die Amis einschreiten, haben sie sich nach Kriegsende um den Aufbau demokratischer Strukturen bemüht. Dass es im Irak Kräfte gibt, die das torpedieren, ist - wie ich schon früher ausgeführt habe - keine Schuld der Amis. In Libyen war der Aufstand gewiss nicht eine Idee der USA, sondern ist im Zuge des "arabischen Frühlings" entstanden. Die Amis haben sich da draufgesetzt, sicher auch wieder wegen des Öls, aber auch um den alten Feind Gaddafi endlich los zu werden. Den Aufstand hätte es aber so oder so gegeben. Dass die Amis bei Weitem nicht immer ihre Interessen durchzusetzen versuchen, sondern sehr wohl auf die Stimmung im jeweiligen Volk schauen, zeigt das Beispiel Ägypten: Die USA hätten alle Gründe gehabt, Mubarak bis zum letzten Atemzug zu unterstützen. Immerhin war er Garant für Frieden mit Israel. Sie haben ihn aber fallengelassen wie eine heiße Kartoffel und quasi gemeint, das ägyptische Volk solle entscheiden.
Noch ein Wort zum Vorwurf, die USA griffen nur dann ein, wenn sie wirtschaftliche Interessen haben: No na net, sie werden Milliarden für einen Krieg ausgeben und sich dann mit einem heißen Händedruck zufrieden geben. Selbst das Eingreifen in den 2.WK in Europa wäre sicher nicht erfolgt, wenn man sich nicht für die Nachkriegszeit neue Vermarktungschancen ausgerechnet hätte. Trotzdem dürfen wir froh sein, dass es diesen Kriegseintritt gegeben hat, und das ist entscheidend. Genauso ist es auch im Irak, in Libyen, in Afghanistan oder Jugoslawien. In allen vier Fällen wurden diktatorische Regimes abgesetzt. Im Übrigen stellt sich mir die Frage, welche wirtschaftlichen Vorteile die Einsätze in Afghanistan und Irak den Amis gebracht haben. Billiger Urlaub an der Adria und Zugang zu den afghanischen Opiumfeldern wird's ja eher nicht sein, oder?
Dass nicht alle US-Kriege zur Stärkung demokratischer Kräfte geführt wurden (sondern manchmal auch zum Zwecke des Gegenteils), ist sicher auch richtig. Aber Du stellst es ja geradezu so dar, als ob jeder US-Krieg aus verwerflichen Motiven geführt wurde, und das ist schlichtweg falsch.
der Iran steht genau deshalb im Visier,
Das ist auch eine sehr verkürzte Darstellung der Wirklichkeit. Im Iran ist seit Jahrzehnten ein islamistisches Regime an der Macht, das das eigene Volk unterdrückt. Zusätzlich stellt der Iran eine latente Bedrohung für die Region dar.
die wirtschaftlichen Interessen ehemaliger Kolonialmächte (mit wenigen Ausnahmen) werden rücksichtslos mit allen möglichen Maßnahmen erzwungen oder gefordert - siehe auch Saatgutverordnung oder dergleichen.
Lobbyismus gibt es überall, in jedem Wirtschaftssystem. Auch wenn der Begriff auf Zustände in den USA zurückgeht, ist er keine amerikanische Erfindung. In Österreich firmiert er unter der Bezeichnung Freunderlwirtschaft und hat mindestens so lange Tradition. Tatsache ist aber, dass das EU-Parlament so unnötige Dinge wie die Saatgutverordnung oder das ACTA-Abkommen letztlich abgelehnt hat. Und der EuGH hat die Vorratsdatenspeicherung gekippt. Man könnte daraus schließen, dass das beste Mittel gegen Kolonialisierung und Lobbyismus der Aufbau starker demokratischer und rechtsstaatlicher Strukturen ist. Das ist aber genau das, was die EU in die Ukraine "exportieren" will. Im Gegensatz zu Putin, der Demokratie bestenfalls im Sinne des skurrilen Begriffs "Volksdemokratie" sieht, mit dem er aufgewachsen ist.
Von der "Leitwährung" des Dollars als Abrechnungsgrundlage für alle möglichen Grundstoffe gar nicht zu reden.
Was hindert die erdölexportierenden Länder daran, in einer anderen Währung abzurechnen?
Zu Russland: Wie viele Menschen Stalin auch immer auf dem Gewissen hat (sicher sehr viele), das Zarenreich war bezüglich der Lebensumstände, der sozialen Verhältnisse noch deutlich unmenschlicher.
Abgesehen davon, dass giftpilz diese Aussage, auch unter Nennung konkreter Zahlen und Fakten, dankenswerterweise zerpflückt hat: Selbst wenn das so stimmen würde, wäre es ein wirklich "oager" Standpunkt, ganz im Stile von "aber der Hitler hat die Autobahnen gebaut".
Zur Ukraine: Hier geht es weniger um Kolonisierung - auch weil hier ohnehin viele Russen leben - sondern um Märkte, um Macht und um Einfluss. Hier wird eher eine westliche Kolonisierung versucht, die amerikanische Position soll hier manifestiert werden.
Nur weil dort schon Russen leben, ist nicht von der Hand zu weisen, dass es sehr wohl um russische Kolonialisierung geht. Es geht darum, dass eine Minderheit mit starker militärischer Macht über die Bevölkerungsmehrheit herrschen will. Genau das, was in der Kolonialzeit in Afrika, Asien und Amerika passiert ist.
Übrigens: der größte Genozid der Geschichte - an den Indianern(bzw. Indios) - wird bis heute nicht einmal be-arbeitet, nicht einmal besprochen. Ebenso der an den Aborigenees, den Maoris (durch die größten Kolonialmächte), Afrika leidet noch heute unter den Nachwirkungen des Kolonialismus, natürlich auch verstärkt durch religiösen Wahn nicht nur auf einer Seite.
Das mit der Nichtaufarbeitung des Genozids an den Ureinwohnern Amerikas, Australiens und Neuseelands stimmt einfach nicht. Zu meiner Schulzeit wurde 500 Jahre "Entdeckung" Amerikas gefeiert, spätestens da fand die Auseinandersetzung mit dem Völkermord in allen Medien statt. In Australien ist man zweifellos einige Schritte weitergegangen, da gab es immerhin eine offizielle Entschuldigung. Das ist keineswegs eine Reinwaschung, aber ein Beleg dafür, dass Deine Aussagen nicht stimmen und auch Du die Welt eben nur sehr selektiv wahrnimmst. Dass die Kolonialisierung - egal wo auf der Welt - eine "Ursünde" der europäischen Mächte war (wobei "wir" Österreicher immerhin behaupten dürfen, zumindest außerhalb der unmittelbaren Nachbarschaft nicht wirklich mitgemacht zu haben), steht außer Frage, und Karlheinz Böhm hatte völlig Recht mit der Aussage, dass Europa nicht immer auf die Schulden verweisen soll, die die afrikanischen Staaten bei uns haben, weil angesichts der Plünderungen, die die Europäer dort betrieben haben, die Schulden noch viel größer wären. Aber was hat das jetzt mit der Ukraine zu tun? Hat Putin das Recht, die Ukraine zu kolonialisieren, nur weil die Europäer dies in vielen anderen Staaten vor Jahrhunderten auch schon getan haben?
Bzgl. Deiner Behauptung, es ginge den Europäern um den Zugang zum ukrainischen Markt, hat Dir gogolores schon richtigerweise geantwortet, dass die Ukraine die EU zunächst nur Geld kosten wird. Aber abgesehen davon: Was ist so verwerflich daran, mit der Ukraine Handel betreiben zu wollen? Die jüngsten Beispiele wirtschaftlicher Aufschwünge, wie Südkorea, Indien, China, die asiatischen Tigerstaaten - sie sind alle v.a. auf Grund des Aufbaus und der Intensivierung von Handelsbeziehungen mit Europa und den USA befeuert worden. Manche Entwicklungen dabei wurden durchaus zum Bumerang, siehe das Handelsbilanzdefizit der USA oder die Probleme in Europa, was die Industriestandorte betrifft.
Andererseits haben die USA in Europa sehr wohl an den Grenzen zu Russland Raketen stationiert ....
Wo genau?
Zum Wesen einer Diskussion: Nein, es geht nicht darum, Standpunkte auszutauschen, sondern Irrtümer zu berichtigen, Tatsachen korrekt darzustellen, aber nicht ideologische Dogmen oder Standpunkte zu zementieren.
Ich hoffe, ich konnte damit - so wie auch andere - einige Deiner Irrtümer berichtigen.