Ursachen des weltweiten Niedrigzinsumfeldes

Mitglied #260008

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edit - tom: diskussion aus einem anderen thread ausgelagert und hier neu erstellt!

Damit der Thread „Wie lange noch - was schätzt ihr“ nicht weiter mit langweiligen Diskussionen über das Niedrigzinsumfeld verwässert wird, nun ein eigener Thread zu diesem spannenden Thema. :D

@Mitglied #81571
Beiträge bitte verschieben, thx. :)


frage an die wissenden! denke mal da ist ausser mit @Mitglied #260008 eh nicht viel los im forum!

die regierenden der welt werden ja wohl bzgl. "wie lange halten wir die coronamassnahmen ohne wirtschaftskollaps durch" von sich auskennenden aus banken und wirtschaft beraten! und dazu meine frage bzgl. deiner einschätzung dieser! wissen die noch was sie tun oder ist das eher die devise "mach ma halt mal, wird schon irgendwie!" programm?

knicksal für die expertise ... :)

Na das wollen wir doch stark hoffen. :D

Die Wahrheit ist, die Zukunft ist nunmal nicht auf Punkt und Beistrich genau vorhersagbar. Die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie kann derzeit niemand seriös in Zahlen abschätzen. Man kann letztendlich nur mit bestimmten Szenarien und deren Eintrittswahrscheinlichkeit rechnen.
Was man mit Sicherheit sagen kann, wie in jeder Krise werden auch jetzt Wertschöpfungsketten neu geordnet, einige werden aus der Krise als Gewinner, andere als Verlierer hervor gehen und einige werden vom Markt ausgeschieden. Der Glaube, dass alle von den Rettungsmaßnahmen abgeholt würden, ist ein trügerischer. Dazu müsste man den Zugang derart breit öffnen, dass im Gegenzug einer missbräuchlichen Verwendung Tür und Tor geöffnet wäre.

Kurzfristig ist mit den geldpolitischen Maßnahmen und den Kurzarbeitsmodellen viel richtig gemacht worden. Mittelfristig wird viel davon abhängen, wie gut die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Tiefe wirken, wie rasch unsere Handelspartner und auch die USA als größte Volkswirtschaft aus der Krise kommen und natürlich auch wie sich die Zahl der Infektionen in Zukunft entwickeln werden. Eine Phase der Unsicherheit auch nach Aufhebung der Einschränkungen könnte zu Konsumzurückhaltung führen und eine nachgelagerte Nachfragekrise zur Folge haben, was wiederum zu einer konjunkturellen Seitwärtsbewegung führen könnte.
Derzeit spricht aber einiges für einen V- bis W-förmigen Konjunkturverlauf und einer doch zügigen Erholung der Wirtschaftsleistung, spätestens ab Beginn 2021.
Die Staatsschulden werden wohl auf Grund des derzeitigen niedrigen Zinsniveau in den meisten Industriestaaten die Schuldentragfähigkeit nicht aufs äußerste ausreizen, sodass hier keine negativen Effekte zu erwarten sein werden. Selbst das viel gescholtene Italien wird daran nicht zu Grunde gehen. Einerseits ist die Staatsverschuldung gemessen am BIP zwar sehr hoch, andererseits muss das Land derzeit in etwa fünf, sechs Prozent seines BIP jährlich für Zinszahlungen aufwenden. Weniger wäre sicher von Vorteil, zweifelsohne, aber Italien musste auch schon bis zu 13% seiner Wirtschaftsleistung für den Schuldendienst aufbringen.
Langfristig wird eine weitere Digitalisierung am Arbeitsplatz zu beobachten sein, was sich hoffentlich in einer signifikanten Produktivitätssteigerung bemerkbar machen wird. Die Globalisierung wird sich weiter einbremsen, war ihre Dynamik doch schon in den letzten Jahren stark abgeschwächt. Bei den Zulieferketten wird man wahrscheinlich stärker auf Diversifikation setzen, um im Fall von Lieferausfällen aus einzelnen Ländern besser gerüstet zu sein.
Allein über geld- und fiskalpolitische Maßnahmen, die Konjunktur anzuschieben, wird langfristig allerdings zu wenig sein. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten wird gut beraten sein, endlich strukturelle Schwächen in Angriff zu nehmen und hier positiv einzuwirken.

Es kann natürlich alles auch ganz anders kommen und dass Analysten verschiedenster Geldhäuser mit ihrer Einschätzung wirtschaftlicher Entwicklungen epochal daneben gelegen sind, soll ja auch hin und wieder vorkommen. :D
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Na das wollen wir doch stark hoffen. :D

Die Wahrheit ist, die Zukunft ist nunmal nicht auf Punkt und Beistrich genau vorhersagbar. Die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie kann derzeit niemand seriös in Zahlen abschätzen. Man kann letztendlich nur mit bestimmten Szenarien und deren Eintrittswahrscheinlichkeit rechnen.
Was man mit Sicherheit sagen kann, wie in jeder Krise werden auch jetzt Wertschöpfungsketten neu geordnet, einige werden aus der Krise als Gewinner, andere als Verlierer hervor gehen und einige werden vom Markt ausgeschieden. Der Glaube, dass alle von den Rettungsmaßnahmen abgeholt würden, ist ein trügerischer. Dazu müsste man den Zugang derart breit öffnen, dass im Gegenzug einer missbräuchlichen Verwendung Tür und Tor geöffnet wäre.

Kurzfristig ist mit den geldpolitischen Maßnahmen und den Kurzarbeitsmodellen viel richtig gemacht worden. Mittelfristig wird viel davon abhängen, wie gut die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Tiefe wirken, wie rasch unsere Handelspartner und auch die USA als größte Volkswirtschaft aus der Krise kommen und natürlich auch wie sich die Zahl der Infektionen in Zukunft entwickeln werden. Eine Phase der Unsicherheit auch nach Aufhebung der Einschränkungen könnte zu Konsumzurückhaltung führen und eine nachgelagerte Nachfragekrise zur Folge haben, was wiederum zu einer konjunkturellen Seitwärtsbewegung führen könnte.
Derzeit spricht aber einiges für einen V- bis W-förmigen Konjunkturverlauf und einer doch zügigen Erholung der Wirtschaftsleistung, spätestens ab Beginn 2021.
Die Staatsschulden werden wohl auf Grund des derzeitigen niedrigen Zinsniveau in den meisten Industriestaaten die Schuldentragfähigkeit nicht aufs äußerste ausreizen, sodass hier keine negativen Effekte zu erwarten sein werden. Selbst das viel gescholtene Italien wird daran nicht zu Grunde gehen. Einerseits ist die Staatsverschuldung gemessen am BIP zwar sehr hoch, andererseits muss das Land derzeit in etwa fünf, sechs Prozent seines BIP jährlich für Zinszahlungen aufwenden. Weniger wäre sicher von Vorteil, zweifelsohne, aber Italien musste auch schon bis zu 13% seiner Wirtschaftsleistung für den Schuldendienst aufbringen.
Langfristig wird eine weitere Digitalisierung am Arbeitsplatz zu beobachten sein, was sich hoffentlich in einer signifikanten Produktivitätssteigerung bemerkbar machen wird. Die Globalisierung wird sich weiter einbremsen, war ihre Dynamik doch schon in den letzten Jahren stark abgeschwächt. Bei den Zulieferketten wird man wahrscheinlich stärker auf Diversifikation setzen, um im Fall von Lieferausfällen aus einzelnen Ländern besser gerüstet zu sein.
Allein über geld- und fiskalpolitische Maßnahmen, die Konjunktur anzuschieben, wird langfristig allerdings zu wenig sein. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten wird gut beraten sein, endlich strukturelle Schwächen in Angriff zu nehmen und hier positiv einzuwirken.

Es kann natürlich alles auch ganz anders kommen und dass Analysten verschiedenster Geldhäuser mit ihrer Einschätzung wirtschaftlicher Entwicklungen epochal daneben gelegen sind, soll ja auch hin und wieder vorkommen. :D

ok, so ähnlich hab ich mir's eh auch gedacht ... :cool:

scherzal am rande, danke für die ausführliche und informative antwort ... :up:
 
@Mitglied #260008 interessante Überlegungen. Eines scheint jetzt schon absehbar: die Welt wird nach dieser Pandemie eine andere sein. Diese Krise birgt natürlich auch eine Menge Chancen Dinge zu verändern und verbessern, für die sonst die politische Entschlusskraft gefehlt hätte. Hoffen wir gestärkt aus dieser Situation heraus zu kommen.
 
Na das wollen wir doch stark hoffen. :D

Die Wahrheit ist, die Zukunft ist nunmal nicht auf Punkt und Beistrich genau vorhersagbar. Die gesamtwirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie kann derzeit niemand seriös in Zahlen abschätzen. Man kann letztendlich nur mit bestimmten Szenarien und deren Eintrittswahrscheinlichkeit rechnen.
Was man mit Sicherheit sagen kann, wie in jeder Krise werden auch jetzt Wertschöpfungsketten neu geordnet, einige werden aus der Krise als Gewinner, andere als Verlierer hervor gehen und einige werden vom Markt ausgeschieden. Der Glaube, dass alle von den Rettungsmaßnahmen abgeholt würden, ist ein trügerischer. Dazu müsste man den Zugang derart breit öffnen, dass im Gegenzug einer missbräuchlichen Verwendung Tür und Tor geöffnet wäre.

Kurzfristig ist mit den geldpolitischen Maßnahmen und den Kurzarbeitsmodellen viel richtig gemacht worden. Mittelfristig wird viel davon abhängen, wie gut die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Tiefe wirken, wie rasch unsere Handelspartner und auch die USA als größte Volkswirtschaft aus der Krise kommen und natürlich auch wie sich die Zahl der Infektionen in Zukunft entwickeln werden. Eine Phase der Unsicherheit auch nach Aufhebung der Einschränkungen könnte zu Konsumzurückhaltung führen und eine nachgelagerte Nachfragekrise zur Folge haben, was wiederum zu einer konjunkturellen Seitwärtsbewegung führen könnte.
Derzeit spricht aber einiges für einen V- bis W-förmigen Konjunkturverlauf und einer doch zügigen Erholung der Wirtschaftsleistung, spätestens ab Beginn 2021.
Die Staatsschulden werden wohl auf Grund des derzeitigen niedrigen Zinsniveau in den meisten Industriestaaten die Schuldentragfähigkeit nicht aufs äußerste ausreizen, sodass hier keine negativen Effekte zu erwarten sein werden. Selbst das viel gescholtene Italien wird daran nicht zu Grunde gehen. Einerseits ist die Staatsverschuldung gemessen am BIP zwar sehr hoch, andererseits muss das Land derzeit in etwa fünf, sechs Prozent seines BIP jährlich für Zinszahlungen aufwenden. Weniger wäre sicher von Vorteil, zweifelsohne, aber Italien musste auch schon bis zu 13% seiner Wirtschaftsleistung für den Schuldendienst aufbringen.
Langfristig wird eine weitere Digitalisierung am Arbeitsplatz zu beobachten sein, was sich hoffentlich in einer signifikanten Produktivitätssteigerung bemerkbar machen wird. Die Globalisierung wird sich weiter einbremsen, war ihre Dynamik doch schon in den letzten Jahren stark abgeschwächt. Bei den Zulieferketten wird man wahrscheinlich stärker auf Diversifikation setzen, um im Fall von Lieferausfällen aus einzelnen Ländern besser gerüstet zu sein.
Allein über geld- und fiskalpolitische Maßnahmen, die Konjunktur anzuschieben, wird langfristig allerdings zu wenig sein. Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten wird gut beraten sein, endlich strukturelle Schwächen in Angriff zu nehmen und hier positiv einzuwirken.

Es kann natürlich alles auch ganz anders kommen und dass Analysten verschiedenster Geldhäuser mit ihrer Einschätzung wirtschaftlicher Entwicklungen epochal daneben gelegen sind, soll ja auch hin und wieder vorkommen. :D

Ein Beitrag mit brauchbaren Gedanken, doch mit Deiner Milde gegenüber dem „so oft gescholtenen Italien“ gehe ich nicht konform. Deine in diesem Zusammenhang nachsichtige Haltung gegenüber dem Bankensektor des Club Med ist nicht neu.
Die Tatsache, dass der Realzins zumindest während der letzten zehn Jahre nicht den makroökonomischen Gegebenheiten entsprochen hat, ist eine unbestreitbare Tatsache. Um einige Volkswirtschaften, die nicht willens sind, verantwortungsvoll zu wirtschaften, nicht pleitegehen zu lassen, ist ihnen das Geld nachgeworfen worden. Der Aspekt, dass ein marktgerechter Zinssatz u.a. auch die Aufgabe erfüllen soll, ineffiziente Volkswirtschaften zu Strukturreformen zu bewegen, wurde vollkommen vernachlässigt. Kein Wunder, dass der Club Med sich immer mehr verschuldete, die Versuchung bei diesem billigen Geld war einfach zu groß.
Negative Realzinsen – und die waren nie zuvor so ausgeprägt wie während der letzten Jahre -begünstigen nun einmal Schuldner zulasten der Gläubiger. Und als Gläubigern und Nettozahler nehme ich mir das Recht, die durch negative Realzinsen stattfindende Enteignung zu kritisieren und sowohl die Damen und Herren in Frankfurt als auch die dafür verantwortlichen Volkswirtschaften, zu denen auch Italien zählt, zu schelten.
Natürlich kenne ich folgenden Einwand: Wenn man nicht gerade das Geld am Sparbuch verkümmern lässt, sind auch in Zeiten negativer Realzinsen gute Renditen zu erzielen. Was mich betrifft, so stimmt das auch. Doch bei meinen Mitarbeitern sieht das anders aus. Das sind zum Teil einfache Leute, die Scheu vor Wertpapieren haben und somit ihr Geld am Sparbuch belassen. Diese Leute leben in Mietwohnungen und werden sukzessive enteignet, um Ländern wie Italien zu helfen, wo sich weit mehr Leute leisten können, im Eigentum zu wohnen.
Klarerweise wird Italien wirtschaftlich nur mit noch mehr Hilfe von außen überleben können. Wie diese Hilfe aussehen wird, welchen Namen sie haben wird usw., darüber wird noch diskutiert. Aber ohne Aderlass des „reichen Nordens“ wird es nicht gehen. Hätte Italien vernünftig gewirtschaftet, wäre es nicht in die missliche Lage geraten.
Hätte man nach 2009 zu einer vernünftigen Zinspolitik zurückgefunden, könnte man jetzt die Zinsen senken und auf diese Weise die Wirtschaft stimulieren. Doch dieses Pulver ist bereits verschossen, weil man es verabsäumt hat, in Zeiten wo die Wirtschaft einigermaßen rund lief, den nötigen Druck zu Strukturreformen durch marktgerechte Zinsen auf den Club Med auszuüben.
Deinem Satz: Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten wird gut beraten sein, endlich strukturelle Schwächen in Angriff zu nehmen und hier positiv einzuwirken.
stimme ich zu. Nur war die Niedrigzinspolitik des letzten Jahrzehnts, wie oben aufgezeigt, Strukturreformen nicht förderlich.

Also: So unschuldig wird Italien nicht gescholten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Schon wieder das alte Märchen, dass Notenbanken das Marktzinsniveau verzerren und künstlich nach unten drücken.
Sowohl empirische als auch modelltheoretisch gestützte, quantitative Analysen kommen heute zu dem Ergebnis, dass fast ausschließlich fundamentale ökonomische Faktoren wie zum Beispiel die technologische und die demographische Entwicklung sowie seit der Wirtschaftskrise 2008 eine Reduktion risikofreier Kapitalanlagemöglichkeiten die Gründe für den niedrigen natürlichen Zins sind.
Dieser Rückgang ist in allen wichtigen Industrienationen, (nicht nur in der Eurozone) seit Mitte der 1980er Jahre zu beobachten. Konventionelle Schätzungen des natürlichen Zinses kommen zu dem Ergebnis, dass das globale Zinsniveau in den letzten 35 Jahren um etwa 450 Basispunkte gesunden ist, von etwa 4 Prozent Mitte der 1980er Jahre auf etwa minus 0,5 Prozent heute. Derartige Entwicklungen sind auch nicht ganz so neu, wie von einigen immer wieder behauptet. So sind beispielsweise die Realzinsen zwischen 1920 und 1940 gesunken, wie auch zwischen 1960 und 1970. Und damals gab es noch keine böse EZB mitsamt ihrer expansiven Geldpolitik.
Einfach ausgedrückt: Das derzeitige Zinsniveau ist ein Marktergebnis und nicht eine durch die Geldpolitik der nationalen Notenbanken verschuldete Marktverzerrung.
 
Sowohl empirische als auch modelltheoretisch gestützte, quantitative Analysen kommen heute zu dem Ergebnis, dass fast ausschließlich fundamentale ökonomische Faktoren wie zum Beispiel die technologische und die demographische Entwicklung sowie seit der Wirtschaftskrise 2008 eine Reduktion risikofreier Kapitalanlagemöglichkeiten die Gründe für den niedrigen natürlichen Zins sind.
Am 12.09.2019 verteidigst Du die Niedrigzinspolitik noch mit den Worten : dass bei einem höheren Zinssatz
aber das italienische und eventuell auch das spanische Bankensystem auf Grund von erhöhten Kreditausfällen ins Wanken geriete und schließlich das gesamte europäische Bankensystem anstecken würde.
Also eine reine Verteidigung des Bankensystems, von marktgerechtem Zinssatz keine Rede. Jetzt, über ein halbes Jahr später kramst Du irgendwelche Studien und Analysen hervor.
Dass es speziell in der Ökonomie empirische als auch modelltheoretisch gestützte, quantitative Analysen gibt, die zu jedem gewünschten Ergebnis kommen, ist keine weltbewegende Neuigkeit. Die Aussagekraft solcher Studien, Analysen usw. darf daher nicht überbewertet werden. Was die Volkswirtschaft betrifft, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die einen sehr weiten Bogen umfassen. Gutes Beispiel ist Varoufakis, sicherlich ein firmer Volkswirt, der falschen Studien aufgesessen ist. Wäre er nicht zurückgepfiffen worden, hätte er, obwohl sich auf wissenschaftliche Studien und Analysen stützend, sein Land in den Ruin geführt. Ab dem Zeitpunkt, als er in die Wüste geschickt wurde, ging es mit Griechenland bergauf. Gäbe es in der Volkswirtschaft nur wissenschaftlich fundierte, absolut korrekte Grundsätze, bräuchte die jeweilige Regierung nur diese „absolut richtige“ Wirtschaftspolitik ausführen und alle wären glücklich. Nur so einfach ist es halt nicht.
Dieser Rückgang ist in allen wichtigen Industrienationen, (nicht nur in der Eurozone) seit Mitte der 1980er Jahre zu beobachten. Konventionelle Schätzungen des natürlichen Zinses kommen zu dem Ergebnis, dass das globale Zinsniveau in den letzten 35 Jahren um etwa 450 Basispunkte gesunden ist, von etwa 4 Prozent Mitte der 1980er Jahre auf etwa minus 0,5 Prozent heute. Derartige Entwicklungen sind auch nicht ganz so neu, wie von einigen immer wieder behauptet. So sind beispielsweise die Realzinsen zwischen 1920 und 1940 gesunken, wie auch zwischen 1960 und 1970. Und damals gab es noch keine böse EZB mitsamt ihrer expansiven Geldpolitik.
Einfach ausgedrückt: Das derzeitige Zinsniveau ist ein Marktergebnis und nicht eine durch die Geldpolitik der nationalen Notenbanken verschuldete Marktverzerrung.

Klarerweise gab es auch schon vor Jahrzehnten Perioden von sowohl Zinserhöhungen als auch Zinssenkungen, das bestreitet niemand. Sicherlich gab es in der weiter zurückliegenden Vergangenheit gar nicht so wenige Zinssenkungen, die marktwirtschaftlich gerechtfertigt waren. Über marktwirtschaftlich gerechtfertigte Zinssenkungen, die keine Marktverzerrungen darstellen, freue ich mich als Unternehmer.
Doch dass der Realzinssatz für deutsche Staatanleihen seit ca. 8 Jahren mehr oder weniger durchgehend im negativen Bereich gelegen ist, das ist eine Novität und eine Marktverzerrung ist schwer wegzuleugnen.
Natürlich steht es jedem frei, an die Unabhängigkeit und an die nicht marktverzerrende Arbeit der EZB und dgl. Organisationen zu glauben. Erfreue Dich an jenen Studien, die Deinen Standpunkt untermauern! Wir haben ja in Österreich Glaubensfreiheit!
 
Am 12.09.2019 verteidigst Du die Niedrigzinspolitik noch mit den Worten : dass bei einem höheren Zinssatz
aber das italienische und eventuell auch das spanische Bankensystem auf Grund von erhöhten Kreditausfällen ins Wanken geriete und schließlich das gesamte europäische Bankensystem anstecken würde

:rofl::lol:
Erstens schließt das eine das andere nicht aus und zweitens ist ein Aufzeigen von Tatsachen kein Verteidigen irgendeiner Zinspolitik. Dürfte für einige halt schwer zu verstehen sein.
Darüber hinaus kann man natürlich sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse der jüngeren Vergangenheit leugnen, die das derzeitige Zinsniveau in fundamentalen ökonomischen Faktoren begründet sehen und einfach irgendwelche haltlosen Behauptungen über eine verzerrende Geldpolitik der Notenbanken aufstellen.
Man kann leugnen, dass die demographische Entwicklung bei gleichzeitig fallenden Rentenniveaus zu einer vermehrten Ersparnisbildung führt.
Man kann leugnen, dass die Ersparnis auf Grund der Babyboomer-Generation in den allermeisten Industrienationen auf den Weltfinanzmärkten immer mehr zunehmen, wogegen die Investitionstätigkeit rückläufig ist. Beides Faktoren, die Druck auf das Zinsniveau ausüben.
Desweiteren kann man eine zentrale Erkenntnis konventioneller makroökonomischer Modelle leugnen, nämlich, dass der Rückgang des technologischen Wandels gleichgewichtige Zinssätze nach unten drückt. In den meisten Industrieländern ist die Trendrate des technologischen Fortschritts von circa 2 Prozent in den 1980er Jahren auf etwa 0,6 Prozent heute gesunken.
Ebenso kann man leugnen, dass sich das Verhältnis von Kapitalstock und Gesamtproduktion ungünstig entwickelt, was schließlich zu fallenden Kapitalrenditen führt.
Und last but not least kann man leugnen, dass Notenbanken auf den langfristigen Zins direkt überhaupt keinen Einfluss nehmen, sondern dieser sich frei auf den Märkten ausbildet. Dennoch weist dieser einen Abwärtstrend auf. Im Grunde eine mehr als absurde Annahme, Notenbanken könnten dauerhaft einen Zins gegen das Marktgeschehen durchsetzen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass es speziell in der Ökonomie empirische als auch modelltheoretisch gestützte, quantitative Analysen gibt, die zu jedem gewünschten Ergebnis kommen, ist keine weltbewegende Neuigkeit
und je nach Lust und Laune ziehen (auch selbsternannte) "Experten" daraus diese oder jene Schlüsse (wie man sieht).
 
:lol:
Erstens schließt das eine das andere nicht aus und zweitens ist ein Aufzeigen von Tatsachen kein Verteidigen irgendeiner Zinspolitik.
Naja, ganz so ein wertfreies Aufzeigen war es nicht, Du hast ziemlich vehement die Niedrigzinspolitik Draghis gegen die Vorwürfe von @Mitglied #112394 verteidigt.
Darüber hinaus kann man natürlich sämtliche wissenschaftliche Erkenntnisse der jüngeren Vergangenheit leugnen,
Nicht unbedingt. Man braucht bloß die nötige Bildung, damit man tendenziösen Studien nicht auf den Leim geht.
Da ich im realen Leben sehr aktiv bin, habe ich nicht die nötige Zeit, alle Deine Argumente zu überprüfen. Doch selbst beim flüchtigen Lesen ist mir folgende Ungereimtheit aufgefallen:
Man kann leugnen, dass die Ersparnis auf Grund der Babyboomer-Generation in den allermeisten Industrienationen auf den Weltfinanzmärkten immer mehr zunehmen,
Damit ist es längst vorbei. Die Kinder der Babyboomer-Generation sind jene, die sich von einem Praktikum zum anderen hanteln. Ohne dass die Babyboomer-Generation, also Papi oder Opa, ihre Ersparnisse auflösen, haben es die Millennials sehr schwer, aber sie haben ja die Unterstützung von Papa und Opa.
Einige der anderen Argumente, die Du für die jetzt niedrigen Zinssätze anführst, werden sich während der nächsten Jahre abschwächen, doch eine Zinssteigerung wird von niemandem vorausgesagt
wogegen die Investitionstätigkeit rückläufig ist.
Die Coronakrise führte vor Augen, wie wichtig funktionierende Lieferketten sind, weshalb wieder mehr in europäische Produktionen investiert werden wird. Schauen wir, ob dies einen Druck nach oben ausüben wird.
Desweiteren kann man eine zentrale Erkenntnis konventioneller makroökonomischer Modelle leugnen, nämlich, dass der Rückgang des technologischen Wandels gleichgewichtige Zinssätze nach unten drückt. In den meisten Industrieländern ist die Trendrate des technologischen Fortschritts von circa 2 Prozent in den 1980er Jahren auf etwa 0,6 Prozent heute gesunken.
Siehe oben: wenn wir in Europa konkurrenzfähig produzieren wollen, muss es auch mit dem technologischen Wandel nach oben gehen. Ob der Zinssatz tatsächlich steigen wird?
Wie dem auch immer sei: Sicherlich gibt es zurzeit Faktoren, die auf das Zinsniveau drücken, doch trotzdem wird es nicht gelingen, das jetzige Zinsniveau als marktkonform darzustellen.
Wenn es Firmen gibt, die das Finanzamt ersuchen, noch nicht fällige Zahlungen im Voraus leisten zu dürfen, weil sie Gefahr laufen, dass ihnen auf ihrem Konto Negativzinsen in Rechnung gestellt werden, dann fällt es schwer bis unmöglich zu argumentieren, dass ein Zinssatz, der zu solch einem Verhalten verleitet, marktkonform wäre.
Laut Definition sind Zinsen das Entgelt, das der Schuldner dem Gläubiger als Gegenleistung für vorübergehend überlassenes Kapital bezahlt. Dass der Gläubiger dem Schuldner zusätzlich zum überlassenen Kapital noch etwas draufzahlen muss, davon ist nirgends die Rede.
 
Zuletzt bearbeitet:
Polemische und vorallem ungeprüfte Behauptungen kann man natürlich immer aufstellen, in Fachkreisen sieht man das Thema Niedrigzinsen halt etwas anders.

So schreibt etwa die österreichische Notenbank zum Thema Niedrigzinsumfeld:
Der bereits seit mehr als drei Jahrzehnten andauernde Abwärtstrend des langfristigen Nominalzinsniveaus in der industrialisierten Welt hat viele Ursachen............Zum einen sind die Realzinsen – d. h. die Nominalzinsen abzüglich der Inflationsrate – gefallen, weil es im Vergleich zur Investitionstätigkeit einen Überhang an weltweiten Ersparnissen gibt..........

Allerdings ist nicht nur das Nominalzins-, sondern auch das Realzinsniveau relevant: Letzteres war in Phasen hoher Inflationsraten, wie in den 1970er-Jahren, deutlich niedriger als heute.

Die reale Verzinsung täglich fälliger Spareinlagen fiel in Österreich in den 1970er-Jahren auf bis zu –6 %, weil die Inflationsraten zu jener Zeit bis zu 10 % erreichten. Im Vergleich dazu schwankten die Realzinsen für täglich fällige Spareinlagen im Jahr 2016 zwischen –0,5 % und –1 %.

Quelle: Österreichische Nationalbank

Eine Studie zum Thema Niedrigzinsumfeld des Institutes der deutschen Wirtschaft, ein wirtschaftsliberalen Wirtschaftsforschungsinstitut, hält unter anderem fest
(Im Übrigen eine Studie die das Niedrigzinsumfeld durchaus kritisch beurteilt und mit Sicherheit nicht im Verdacht steht irgendwie den Zentralbanken das Wort zu reden):
Ökonomen haben sich deshalb in den letzten Jahren intensiv mit den möglichen Ursachen dieses Phänomens auseinandergesetzt. Als Erklärung hierfür werden drei Hauptfaktoren genannt:

Zum einen wird die globale Ersparnisschwemme angeführt.....

Nach dieser Theorie flossen im Vorfeld der großen Finanz- und Wirtschafts- krise unter anderem durch die Akkumulation liquider Vermögenswerte zur Absicherung gegen weitere Krisen durch die asiatischen Regierungen Ersparnisse aus den asiati- schen Schwellenländern in die USA und andere Industrieländer. Zudem legten diese In- vestoren aufgrund ihrer schwachen Kapitalmärkte ihre Ersparnisse zunehmend in Indust- rieländern an, die ihnen als „sichere Häfen“ dienten (Rogoff, 2013). Dieser hohen Er- sparnis stünde aber, so Rogoff und Bernanke, keine entsprechend hohe Investitions- nachfrage gegenüber......

........Vor allem nach Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise wird eine Flucht in sichere, niedrig verzinste Anlagen genannt, da die Risikoaversion von Investoren aufgrund von Instabilitäten im Finanzsystem seitdem zugenommen habe. Zusätzlich dazu hat Reinhart die finanzielle Repression wieder in die Diskussion gebracht, nach der Staaten einen Anreiz haben können, ihre Finanzierungskosten durch Markteingriffe niedrig zu halten (Reinhart/ Sbrancia, 2011)......

....Für den Euroraum haben noch weitere Ursachen zu dem andauernden Niedrigzinsumfeld beigetragen. Neben der unterschiedlichen konjunkturellen Entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten muss auch die Fragmentierung des Binnenmarktes als Erklärungsursache her- angezogen werden.

Quelle: Das aktuelle Niedrigzinsumfeld: Ursachen, Wirkung und Auswege verfasst vom Institut der deutschen Wirtschaft

Eine Arbeit des Wirtschaftsprofessors Alexander Ludwig am Institut f. Öffentliche Finanzen und Schuldenmanagement der Goethe Universität Frankfurt konstatiert unter anderem:
....dass fast ausschließlich fundamentale ökonomische Faktoren wie zum Beispiel die technologische und die demographische Entwicklung .......eine Reduktion risikofreier Kapitalanlagemöglichkeiten die Gründe für den niedrigen natürlichen Zins sind......

Weiters heißt es darin:
Schon in den 1990er Jahren haben viele Ökonomen darauf hingewiesen, dass sowohl die technologische als auch die demographische Entwicklung langfristig zu einem Rückgang der Kapitalmarktrenditen führen würden...........Nach dieser Hypothese besteht, nicht zuletzt wegen der demographischen Entwicklung, auf den Weltkapitalmärkten ein Überangebot von Ersparnis relativ zur Nachfrage nach Investitionsgütern. ...........Zu einem Auseinanderklaffen von Ersparnis und Investitionen auf den Weltfinanzmärkten führten auch eine gestiegene Unsicherheit mit Blick auf die Arbeitsmarktbedingungen und eine höhere Ungleichheit. Unsicherheit erhöht Ersparnis wegen des Vorsichtssparmotivs. Ungleichheit verringert die Investitionstätigkeit, da sie unter anderem die Nachfrage nach Konsumgütern im Schnitt schwächt und somit die Innovationstätigkeit hemmt.

Ließe sich beliebig fortsetzen, aber offenbar findet man die einzig wahre Expertise nur im EF. :D
Intelligente Menschen stellen sich auf ein verändertes Marktumfeld ein und erkennen darin neue Chancen, der Rest jammert und trauert alten Zeiten nach.
Und das Argument mit der Babyboomer Generation geht an der Realität vorbei. Der Ersparnisüberhang ist evident, da hilft es auch nicht irgendwelche hanebüchen Argumente auszugraben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nicht der Stärkste, sondern der ANPASSUNGSFÄHIGSTE überlebt.

Ja, das Marktumfeld ist derzeit einem starken Wandel unterzogen, weit stärker als das noch vor 20 Jahren der Fall war. Ist zwar eine etwas andere Baustelle, aber vor 20 Jahren war es auch noch undenkbar, dass Terminkontrakte für Öl und Strom ins Negative rutschen. Heutzutage kann das schon mal passieren, bei Strom sogar öfter als man vielleicht vermuten würde. Und widererwarten steht da auch meist rationales Verhalten dahinter.
Außer vielleicht in der Überzeugung einiger Verfassungsjuristen gibt es nunmal kein Anrecht auf einen Zins und zudem ist ein negativer Zins gar nicht so neu, wie der ein oder andere „Gebildete“ eventuell glaubt. :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Polemische und vorallem ungeprüfte Behauptungen kann man natürlich immer aufstellen,
Darf ich etwas ergänzen? Wenn Dir nichts mehr einfällt, kommt von Dir auch oft der Vorwurf der Rabulistik. Das hast Du diesmal vergessen.

in Fachkreisen sieht man das Thema Niedrigzinsen halt etwas anders.

Auch wenn die von Dir zitierten Fachkreise noch so hochkarätig sind, auch wenn Du noch ein paar Kilogramm Studien auftischst, Deine Argumentationslinie wird deshalb nicht schlüssiger.
In den von Dir angeführten Textstellen ist manchmal explizit angeführt, dass es sich um Hypothesen, also um nicht bewiesene Annahmen handelt.
Die von Dir zitierten Fachkreise liefern bestenfalls Gründe für ein Niedrigzinsniveau. Sie erklären nichts anderes, warum die Zeiten von 10%-Anleihen vorbei sind. Gratuliere zu dieser Erkenntnis! Die Studien sind jedoch nicht imstande zu begründen, dass das jetzige Zinsniveau marktgerecht ist.

Ohne Rückendeckung – auch wenn diese Rückendeckung mehr als löchrig ist - solcher Fachkreise hätten es Draghi, Lagarde & Co. nie gewagt, sich so weit aus dem Fenster zu lehnen.
So ist es auch klar ist auch, dass es im Interesse der Regierungen von verschuldeten Ländern liegt, dass in Zukunft solche Fachkreise und Studien wie Schwammerln aus dem Boden sprießen werden. Die Finanzierung der gigantischen Corona-Hilfspakete, größtenteils durch Geldemission, wird einen Preisauftrieb verursachen. Weit mehr, als die von der EZB so heiß ersehnten 2%. Die explodierenden Staatsschulden können niemals durch Budgetüberschüsse abgetragen werden. Somit werden sich die Regierungen freuen, zahlreiche Studien und Fachkreise zur Hand zu haben, welche die Niedrigzinspolitik zu rechtfertigen versuchen und sie sich somit mit einer Kombination aus Niedrigzins und Inflation entschulden können.
Intelligente Menschen stellen sich auf ein verändertes Marktumfeld ein und erkennen darin neue Chancen, der Rest jammert und trauert alten Zeiten nach.
.
Keine Ahnung, ob sich der „jammernde Rest“ auch auf mich bezog. Aber zwischen Jammern und dem Aufzeigen von Unregelmäßigkeiten bzw. Marktverzerrungen besteht schon ein Unterschied. Wie dem auch sei. Auch wenn ich für freie Marktwirtschaft bin, so habe ich keine Hemmungen, Marktverzerrungen für meinen Vorteil auszunützen. Nach dem Motto: Wenn Du Deinen Gegner (Marktverzerrungen) nicht besiegen kannst, dann verbünde Dich mit ihm und ich freue mich über die niedrigen Finanzierungskosten von Investitionen.
 
Ja, das Marktumfeld ist derzeit einem starken Wandel unterzogen, weit stärker als das noch vor 20 Jahren der Fall war. Ist zwar eine etwas andere Baustelle, aber vor 20 Jahren war es auch noch undenkbar, dass Terminkontrakte für Öl und Strom ins Negative rutschen. Heutzutage kann das schon mal passieren, bei Strom sogar öfter als man vielleicht vermuten würde. Und widererwarten steht da auch meist rationales Verhalten dahinter.
Außer vielleicht in der Überzeugung einiger Verfassungsjuristen gibt es nunmal kein Anrecht auf einen Zins und zudem ist ein negativer Zins gar nicht so neu, wie der ein oder andere „Gebildete“ eventuell glaubt. :D
Keine weltbewegende Erkenntnis.

Ja, erst vor kurzem kippte der Erdölpreis ins Negative. Doch für wie lange?
Und ich kann mir auch vorstellen, Produkte meiner Firma zu einem negativen Preis zu verkaufen. Nämlich dann, wenn es sich um ein äußerst schwer zu verkaufendes Produkt handelt und die Prämie, die ich dem Käufer zahlen muss, geringer ist, als die Entsorgungskosten.
Doch sind solche Aktionen zeitlich sehr beschränkt. Würde ich solch eine Verkaufsstrategie über längere Zeit durchziehen wollen, dann bräuchte ich einen marktverzerrenden Gönner.

Jeder HAK-Anfänger weiß, dass das Mandat der EZB die Erhaltung des Geldwertes ist, sprich die Erhaltung der Kaufkraft. Wenn die EZB meine Hausbank zwingt, von meinem Konto Negativzinsen abzuzweigen, dann verringert sie meine Kaufkraft und die EZB verstößt somit eindeutig gegen ihr Mandat.

Ich weiß, jetzt kommt das Argument: Die EZB ist nicht dazu da, das Geld der Kontoinhaber zu vermehren. Stimmt! Aber zwischen „Geld vermehren“ und „enteignen“ ist schon ein Unterschied.
 
Die Argumentation so manch Erleuchteter scheint sich im Kreise zu drehen.
Es wurde im Laufe der Diskussion hinreichend von mir dargelegt, dass das derzeitige Zinsniveau in fundamentalen ökonomischen Faktoren begründet ist und nicht auf eine verzerrende Geldpolitik der Notenbanken zurückzuführen ist.
Wie bereits ausgeführt sind die Gründe dafür vielfältig. Ich wiederhole sie aber gerne zum besseren Verständnis nochmal. :D

So führt die demographische Entwicklung bei gleichzeitig fallenden Rentenniveaus zu einer vermehrten Ersparnisbildung.
Weiters nimmt die Ersparnis auf Grund der Babyboomer-Generation in den allermeisten Industrienationen auf den Weltfinanzmärkten immer mehr zunehmen, wogegen die Investitionstätigkeit rückläufig ist. Beides Faktoren, die Druck auf das Zinsniveau ausüben.
Desweiteren drückt der Rückgang des technologischen Wandels gleichgewichtige Zinssätze nach unten. In den meisten Industrieländern ist die Trendrate des technologischen Fortschritts von circa 2 Prozent in den 1980er Jahren auf etwa 0,6 Prozent heute gesunken.
Ebenso zeigt sich, dass sich das Verhältnis von Kapitalstock und Gesamtproduktion ungünstig entwickelt, was schließlich zu fallenden Kapitalrenditen führt.
Und last but not least nehmen Notenbanken auf den langfristigen Zins direkt überhaupt keinen Einfluss, sondern dieser bildet sich frei an den Märkten aus. Dennoch weist dieser einen Abwärtstrend auf. Im Grunde eine mehr als absurde Annahme, Notenbanken könnten dauerhaft einen Zins gegen das Marktgeschehen durchsetzen.
Man kann natürlich all diese wissenschaftlichen Erkenntnisse der jüngeren Vergangenheit abstreiten und weiter seine Feindbilder hegen und pflegen....wenn‘s hilft. :D

Und weil’s erwähnt und natürlich wieder einmal falsch dargestellt wurde: Eine der Hauptaufgaben der EZB ist die Preisstabilität, liegt aber sicher nicht darin eine real positive Verzinsung von Spareinlagen zu gewährleisten. Diesen Unterschied sollte selbst ein HAK-Absolvent verstehen, die Erleuchteten des EFs offenbar nicht. :D
 
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Das hat recht wenig mit glauben zu tun, das lässt sich sowohl mittels modelltheoretischer Überlegungen als auch empirischen Analysen recht klar zeigen.
Aber offenbar ist es für manche einfacher, greifbare Feindbilder heranzuziehen um komplexe Marktgeschehen zu erklären. Verhält sich bei der Migrationsfrage ja nach einem recht ähnlichen Schema.
 
Das hat recht wenig mit glauben zu tun, das lässt sich sowohl mittels modelltheoretischer Überlegungen als auch empirischen Analysen recht klar zeigen.
Aber offenbar ist es für manche einfacher, greifbare Feindbilder heranzuziehen um komplexe Marktgeschehen zu erklären. Verhält sich bei der Migrationsfrage ja nach einem recht ähnlichen Schema.
Japan hat seit über 30 Jahren, quer durch alle Konjungturzyklen, quasi eine Nullzinssituation. Und die soll rein vom Markt bestimmt sein - und nicht von der gigantischen Staatsverschuldung?
 
Japan hat seit über 30 Jahren, quer durch alle Konjungturzyklen, quasi eine Nullzinssituation. Und die soll rein vom Markt bestimmt sein - und nicht von der gigantischen Staatsverschuldung?

Die Argumentation mag auf den ersten Blick recht gefällig erscheinen, hält allerdings einer näheren Betrachtung nicht stand.
In den vergangenen 30 Jahren war in Japan nicht nur ein Abflachen des Geldzines Richtung Null zu beobachten, sondern auch ein abrupter Rückgang des Potentialwachstums. Der entscheidende Punkt dabei, das Absinken des Potentialwachstumes und damit einhergehend auch ein Absinken des natürlichen Zinses ist jenem des Geldzinses und der ansteigenden Staatsverschuldung zwei bis drei Jahre vorausgegangen. Zudem lag die Staatsverschuldung bis etwa zum Jahr 2000 weit unter den heutigen Werten. Würde man deiner Deutung folgen, würde das heißen, die Wirkung wäre der Ursache vorausgeeilt.
Geld- und Zinstheorie von Wicksell bis zu den Neu-Keynesianern sind sich weitgehend darin einig, dass die Geldpolitik den Gleichgewichtszins nicht auf die Dauer beeinflussen kann. Zudem müssten systematische, asymmetrisches Zinssenkungen, konkret ein längerfristiges Absenken des Geldzinses unter das Niveau des natürlichen Zinses - wie ja von einigen unterstellt wird - mit steigenden Inflationsraten einhergehen - was allerdings nirgends auch nur ansatzweise zu beobachten ist.
Ich finde es ja schon irgendwie amüsant, dass Kritiker der derzeitigen Geldpolitik und Weltuntergangspropheten den Zentralbanken einerseits eine Allmacht unterstellen, über die sie nichtmal ansatzweise verfügen, ihnen im Gegenzug aber ein Handlungsvermögen hinsichtlich kurzfristiger geldpolitische Maßnahmen, die ganz offensichtlich wirken, absprechen.
 
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