- Registriert
- 22.8.2012
- Beiträge
- 15.870
- Reaktionen
- 21.305
- Punkte
- 1.006
- Checks
- 4
muss mich kurz einmischen:
Stimmt, allerdings passe ich mich nur seinem Diskussionsstil an....besser wäre natürlich einen weiteren Auszug aus einer wissenschaftlichen Arbeit, der meine Ausführungen untermauert, darzulegen:
Aber vermutlich nur ein weiterer Blender mit Scheuklappen, die wahre Expertise gibt es halt nur im EF.
Die Ursachen des Niedrigzinsumfelds
Eine Erkenntnis der empirischen Finanzmarktforschung ist, dass die Dynamik der Zinsstruktur in die Dynamik ihres Niveaus, ihrer Steigung und ihrer Krümmung zerlegt werden kann (Dai und Singleton 2000; Rudebusch und Wu 2008). Der Niveau-Faktor ist dabei zu einem großen Teil durch langfristige Inflationserwartungen und den langfristigen Realzins bestimmt.......
Eine Analyse des Niedrigzinsumfeldes erfordert neben einer Analyse der Geldpolitik auch eine Analyse der Inflationserwartungen und des Realzinses.
2.1 Sinkende Inflation und sinkender natürlicher Realzins
Zwei Niveaufaktoren der Zinsstruktur sind die Inflationserwartungen und der natürliche Realzins (Bekaert et al. 2010; Kozicki und Tinsley 2010). Der natürliche Realzins bestimmt das langfristige Zinsniveau einer Volkswirtschaft bei stabilen Preisen und voll ausgelasteten Kapazitäten aus dem Gleichgewicht aus Investitionsnachfrage und Ersparnis (Blanchard et al. 20151970 verfügbar sind. Die Abbildung lässt die folgenden Beobachtungen zu:
Während der Rückgang der Inflation seit ihrem Höhepunkt in den 1970er Jahren auf eine disinflationäre Geldpolitik und eine zunehmende Präferenz der Zentralbanken für niedrige Inflationsraten seit dem 1980er Jahren erklärt werden kann, so bedarf es für den Rückgang des Realzinses ab den 1990er Jahren einer tiefergehenden Analyse.
Abbildung 2 zeigt den Median der Realzinsen der OECD-Länder von 1990 bis 2014 abgetragen gegen den Median der Bruttosparquoten bzw. der Investitionsquoten der OECD-Länder. Es zeigt sich, dass die Realzinsen von rund 6,5 Prozent im Jahr 1990 auf rund -0,5 Prozent im Jahr 2014 gefallen sind, während die Bruttosparquoten sowie die Investitionsquoten annähernd konstant geblieben sind. Da jeder Punkt in diesem Diagramm einen Schnittpunkt aus Investitionskurve und Sparkurve darstellt, kann der Rückgang der Realzinsen nur durch eine Verschiebung der Sparkurve nach außen und/oder durch eine Verschiebung der Investitionskurve nach innen erfolgt sein (Rachel und Smith 2015; Bean et al. 2016). Da bei einem niedrigeren Zinsniveau die Sparbereitschaft für sich genommen sinkt, erklärt sich die Konstanz der Bruttosparquote durch eine vom Zins unabhängig höhere Spartätigkeit. Ähnlich verhält es sich bei den Investitionen. Da bei einem niedrigeren Zinsniveau die Investitionsnachfrage höher ausfällt, ist die konstante Investitionsquote durch einen von Zins unabhängigen Rückgang der Investitionen zu erklären.
Der Anstieg der Sparneigung lässt sich durch folgende exogenen Faktoren erklären:
• Aufgrund eines höheren Wirtschaftswachstums in den Emerging Markets und deren
Erfahrungen aus der Asienkrise stieg deren Ersparnis an (Bernanke 2005). Bean et al.
(2016) nennen hier auch den Anstieg der Ersparnis in China durch die chinesischen
Leistungsbilanzüberschüsse.
•Ein Anstieg der durchschnittlichen Sparquote kann durch die demografische Entwicklung verursacht worden sein, insbesondere durch den Rückgang des Anteils der
Kinder und Rentner gegenüber dem Anteil der Erwerbspersonen (Baldwin und Teulings 2014). Im Durchschnitt der OECD-Länder ist der Anteil der unter 15-Jährigen
sowie der über 64-Jährigen in Prozent der Erwerbsbevölkerung von 63 Prozent im
Jahr 1960 auf 52 Prozent im Jahr 2014 gefallen (Weltbank 2016a). Da Kinder und Rentner für gewöhnlich geringere Sparquoten aufweisen als die Erwerbspersonen,
konnte die geburtenstarke Kohorte der Baby-Boomer, die aktuell noch im Erwerbsleben ist, die durchschnittliche Sparquote anheben. Lukasz und Smith (2015) beziffern
den Rückgang des natürlichen Realzinses aufgrund der Demografie auf 90 Basispunkte. Dieser Trend kann sich aber umkehren, sobald die Babyboomer in Rente
gehen (Abel 2001). Takáts (2010) schätzt für die USA, dass durch die Entsparung der
Baby-Boomer die Hauspreise um 80 Basispunkte pro Jahre fallen werden. Ein ähnlicher Effekt könnte auch bei zinstragenden Aktiva möglich sein.
• Ein längere Rentenphase macht eine höhere Ersparnis über die Dauer des Erwerbslebens erforderlich, sofern der Alterskonsum den bisherigen Status Quo einigermaßen
halten soll (Baldwin und Teulings 2014; Weizsäcker 2014, Bean et al. 2016). Die Lebenserwartung stieg in den OECD-Ländern von durchschnittlich 67 Jahren im Jahr
1960 auf durchschnittlich 80 Jahre im Jahr 2013 (Weltbank 2016b). Das Renteneintrittsalter ist im gleichen Zeitraum von 64 Jahren auf 63 Jahren leicht gefallen (OECD
2015).
•Ein Anstieg der Einkommensungleichheit kann ebenfalls zu einem Anstieg der Sparneigung führen (Rachel und Smith 2015). Dieser Zusammenhang entsteht dadurch,
dass vermögensreiche Haushalte über eine höhere Sparquote verfügen als vermögensarme Haushalte. Über eine Zunahme der Ungleichheit steigt dann die durchschnittliche Sparquote an.
Für den Rückgang der Investitionsneigung sind folgende exogene Faktoren verantwortlich:
• Ein langsameres Wachstum bei der Anzahl der Erwerbspersonen führt bei einem
konstant bleibenden Verhältnis aus Kapitalstock zu Erwerbspersonen zu einem geringeren Wachstum des Kapitalstocks. Wenn der Kapitalstock weniger stark wachsen
muss, sind weniger hohe Investitionen notwendig (Bean et al. 2016). Das jährliche
Wachstum der Anzahl der Erwerbspersonen in den OECD-Ländern hat sich von 1,4
Prozent pro Jahr im Jahr 1961 auf 0,3 Prozent im Jahr 2014 verlangsamt (Weltbank
2016c).
•Die Investitionen der Unternehmen sind weniger kapitalintensiv geworden, da sie
stärker in Informationstechnologie investieren (Bean et al. 2016). Zudem kann eine
steigende Bedeutung der Dienstleistungsbranchen zu weniger kapitalintensiven Investitionen führen.
• Die öffentlichen Investitionen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften sind von 5
Prozent des BIP in den 1960er Jahren auf 3 Prozent des BIP im Jahr 2012 gefallen
(IWF 2015). Zudem bestehen auch Komplementaritäten zwischen öffentlichen und
privaten Investitionen.
2.2 Rückgang des risikolosen Zinses
Eine andere Erklärung des Niedrigzinsumfeldes liegt in einem Rückgang des risikofreien Zinses aufgrund eines Rückgangs des Angebots an ausfallsicheren Aktiva und einer gesteigerten Nachfrage nach diesen Aktiva (Caballero und Farhi 2014; Bean et al. 2016). Nach dem Capital Asset Pricing Modell (CAPM) möchten Investoren für ihren Kaufkraftverzicht sowie für ihr eingegangenes Risiko kompensiert werden. Demnach besteht jede Rendite aus dem risikofreien Zins zuzüglich eines Risikoaufschlags (Sharpe 1964).
Nach der Safe-Asset-Shortage Hypothese von Caballero und Farhi (2014) ist der Rückgang des risikofreien Zinses auf einen Rückgang im Angebot von hypotheken-besicherten Wertpapieren und Staatsanleihen zurückzuführen. Beide Asset-Klassen galten zu Beginn der Immobilienkrise in den USA und der Staatsschuldenkrise im Euroraum als risikoarm. Durch die Neubewertung von hypotheken-besicherten Wertpapieren nach dem Platzen der Immobilienblase in den USA und der Neubewertung der Staatsanleihen der Euro-Länder im Zuge der Banken- und Staatsschuldenkrise im Euroraum ist das Angebot an sicheren Anlagen gesunken (Caballero und Farhi 2014). Die Autoren geben einen Rückgang von 2007 bis 2011 von 37 Prozent des globalen BIP auf 18 Prozent des globalen BIP an.
Die hohe Nachfrage nach ausfallsicheren Anlagen entstand durch eine Flucht in sichere Häfen.
Im Nachgang zur Asienkrise haben die Schwellenländer ihre Engagements in ausfallsichere USStaatsanleihen stark ausgeweitet (Bean et al. 2016). Im Zuge der Banken- und Staatsschuldenkrise im Euroraum kam es über eine Flucht der Investoren in Sicherheit und Liquidität zu einer sehr starken Nachfrage nach Bundesanleihen, so dass deren Renditen temporär negativ wurden.
Die Nachfrage nach sicheren Anlagen kann aber auch aufgrund der Finanzmarktregulierung,
insbesondere der Liquidity Coverage Ratio (LCR) gestiegen sein. Diese privilegiert Staatsanleihen als besonders liquide Assets (Demary und Schuster 2013). Eine hohe Nachfrage nach Staatsanleihen des Euroraums kann zudem daraus resultieren, dass diese von Banken nicht mit Eigenkapital unterlegt werden müssen (Demary 2015). Aus Abbildung 3 ist ersichtlich, dass die Banken
des Euroraums ihre Kreditvergabe an Unternehmen zurückgefahren haben, während sie ihre
Engagements in Staatsanleihen erweitert haben.
Quelle: Lassen sich aus den Ursachen des Niedrigzinsumfeldes Wege für eine Zinswende ableiten? Dr. Markus Demary in Zusammenarbeit mit dem German Institute of
Economic Research (DIW Berlin); abrufbar unter www.econbiz.de