Wie es 2013 mit dem Euro weitergehen muss
Ein realistischer Status des Euro ist jetzt die Voraussetzung für die Weichenstellung, wie es mit dem Euro sinnvollerweise weitergeht. Dass die Euro-Krise bereits fast überstanden sei, ist eine wenig hilfreiche Fehleinschätzung der Lage.
Die Eurokrise begann mit der Einführung der Gemeinschaftswährung am 1.Januar 2002, genau vor 11 Jahren. Es waren die Konstruktionsfehler des Euro, die die nach ihm benannte Krise zwangsläufig nach sich zogen. Man hatte 17 Volkswirtschaften, die irgendwo zwischen dem oberen Rand der ersten Welt und einem mittleren Bereich der zweiten Welt anzusiedeln waren, über Nacht dazu verdonnert mit ein und derselben Währung am Weltmarktgeschehen teilnehmen zu müssen.
Die ökonomischen Entwicklungsstände in den Euroländern differierten in einem Umfang, dass an die Einführung einer Gemeinschaftswährung vernünftigerweise nicht einmal hätte gedacht werden dürfen. Als ob ausgerechnet die Währung eines Landes, das wohl wichtigste Lenkungsinstrument für die Wirtschaft, ein ganz nebensächlicher Posten wäre, so als könne man die Währung einer Volkswirtschaft beliebig manipulieren oder, wie geschehen, durch eine andere Währung, hier den Euro, ersetzen.
Irrealer Wirtschaftsboom
Der wichtigsten finanziellen und wirtschaftlichen Stellschraube, nämlich der eigenen Währung, beraubt, taumelten die Euro-Schwächlinge in einen schuldenfinanzierten "Boom" hinein und zugleich in ein unangemessenes Anspruchsdenken. Am Ende dieses irrealen Wirtschaftsbooms blieb Wettbewerbsfähigkeit auf der Strecke. Die Euro-Schwächlinge waren zunächst scheinbar die ersten Gewinner des Euro, in dem sie einen enormen Anstieg des allgemeinen Wohlstandes in ihren Ländern erlebten. Dies allerdings ohne adäquate Leistung oder Gegenleistung und mit einem enormen Anstieg der Schulden verbunden, die für Länder wie Griechenland schließlich zu einer erdrückenden Last und damit auch zu einer erdrückenden Last für alle Euro-Länder wurden.
Der Euro selbst ist also die vornehmste Ursache der Euro-Krise. Aber die Realität in Gestalt der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der einzelnen Nationalökonomien der Euroländer und die Differenzen der nationalen ökonomischen Kulturen, der unterschiedlichen Steuer-und Rechtssysteme, lässt sich nicht mit einem Stück Papier, auf das der Name Euro gedruckt wird, wie nicht existent behandeln. Eine Gemeinschaftswährung kann eben im Prinzip nur das Ergebnis eines wirklich homogenen Binnenmarktes sein.
Wenn man schon beim Betrachten der Mängel ist, die die Euro-Einführung kennzeichnen, dann sollte man nicht übersehen, dass der Euro auch jenseits der Ökonomie, rein ideell ein hoffnungslos überfrachtetes Konstrukt war. An den Bevölkerungen der 17 Euro-Länder vorbei wurde der Euro, undemokratisch bis zum Anschlag von Oben den Menschen oktroyiert. Und die Euro-Einführer versprachen den Bürgern, dass die Gemeinschaftswährung die 17 Mitgliedsländer binnen Kürze zum wichtigsten und erfolgreichsten Wirtschaftsraum dieser Erde nach oben katapultieren würde.
Besoffen im Euro-Rausch schauten die Euro-Regierungen und die verantwortlichen Politiker und die Banken seelenruhig zu, wie die Euro-Krise ihren Lauf nahm, die man in den ersten fünf/sechs Jahren nicht nur nicht wahrnahm, sondern die man mit wechselseitigem Schulterklopfen ob des gelungenen Geniestreiches namens Euro regelrecht in eine realwirtschaftliche Erfolgsstory umprägte.
Die Euro-Einführer und Macher tragen die Hauptverantwortung an der Euro-Krise und diese Macher saßen und sitzen in Deutschland und Frankreich, um hier die wichtigsten Euro-Geberländer und Garanten zu nennen. Die Hauptakteure, die die Eurokrise verursacht haben, sitzen jedenfalls nicht in den Ländern, die die Hände auf den Weltfinanzmärkten aufhielten. Die Liquiditätszuflüsse wurden den heutigen Eurokrisenländern vom äußeren Geschehen regelrecht aufgezwungen. Man konnte kaum Nein sagen.
Liquidität ist eine ambivalente Angelegenheit
Leider ist Liquidität eine sehr ambivalente Angelegenheit. Sie kann, siehe die Marshallhilfe nach dem Krieg, als ökonomische Stimulans wirken, wie sie es Deutschland tat, und sie kann, wie damals zeitgleich in Griechenland geschehen, auch hoffnungslos verpuffen. Unverdiente und unverdienbare Liquiditätszuflüsse können sogar destruktive Folgen nach sich ziehen, wie die Euro-Krise aktuell beweist. So hat der Euro und die damit einsetzende Geldschwemme im Ergebnis die Wettbewerbsfähigkeit, etwa in Irland, gesenkt.
Die ins Land strömende Liquidität befriedigte die Konsumwünsche der Menschen. Die Lohnstückkosten stiegen überproportional und damit stieg die Kostenstruktur insgesamt. Es gab die berühmten Blasen, fiktive Immobilienpreise und vieles mehr. So hat der Euro ganz nebenbei zu einer völligen Fehleinschätzung vieler Menschen, was die eigene Leistungsfähigkeit und Situation anbelangt, geführt. Der Euro hat Korruption begünstigst und die Schere zwischen Euro-Gewinnern und Euro-Verlierern aufgehen lassen.
Der Euro hat strukturelle Verwerfungen in den Ländern, die nicht eurofähig waren verursacht. Und der Euro hat noch etwas Weiteres bewirkt. Er hat nämlich, wie ein anschwellender Bocksgesang - erst noch gar nicht bemerkt und dann ganz langsam ansteigend - je nach Betrachtungsweise seit 2007, 2009 oder auch erst 2010 in Europa ein Euro-Krisenmanagement etabliert.
Das Euro-Krisenmanagement ist eine Art permanenter Wiener Kongress, wie es an dieser Stelle schon einmal genannt wurde. Veranstalter ist eine Euro-Clique, die über den nationalen Parlamenten und Verfassungen schwebt und sich aus einzelnen Regierungsvertretern und Vertretern supranationaler Institutionen rekrutiert. Fatal: viele Vertreter der politischen Klasse, die heute in Euro-Rettung machen, gehörten vor 10-15 Jahren zu den irrlichtenden Euro-Vätern wie zum Beispiel Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.
Inzwischen sind viele Milliarden Euro real in die Euro-Rettung gepumpt worden. Große Geldströme wurden von Nord nach Süd in Gang gesetzt und dies zu Lasten vornehmlich der sozial Schwächeren in der Bundesrepublik, die sich außerordentlich duldsam am Euro-Ring durch die Arena führen lassen. Eine immer undurchsichtigere, unkontrollierbarere und, wenn überhaupt, dann nur noch zufällig beherrschbare Haftungsorgie wurde veranstaltet.
Die Vergesellschaftung von Schulden der Euro-Schwächlinge, eine Vergemeinschaftung aller Euro-Risiken, das ist die Zauberformel der Euro-Phantasten oder Euro-Fanatiker, die im öffentlichen Diskurs das Sagen haben und definieren, was Normal Null ist.
Jetzt soll der Euro, wenn er denn schon keine in sich geschlossene, im selben Takt schwingende Wirtschaftsunion zu etablieren vermochte, die politische europäische Union erzwingen und über diesen Umweg dann doch noch den einen weltgrößten europäischen Wirtschaftsraum installieren.
Der Euro ist eine grandiose Pleite
Die Bankenunion ist dabei ein Fetisch und ein anderer Fetisch ist das Wort "Strukturreformen" und dies sowohl bei den Euroschuldenländern als auch hierzulande. Reformen, Reformen, Reformen. Das Wort ist seit der Reformation eigentlich schon ausgeleiert, aber die Vokabel soll es jetzt richten. Dabei haben die Völker Europas, wie man es früher pathetisch ausdrückte, nicht viel mit zu reden. Sie verstehen von den komplexen Euro-Problemen ja auch nichts.
Der Euro 2013 ist, wenn man heute einen Status aufstellen möchte, eine grandiose Pleite. Aber nun sind die Dinge so wie sie nun einmal sind. Da hilft kein Lamentieren und alle sind dazu verpflichtet nach den optimalen Wegen zu suchen, das Beste draus zu machen und aktiv mit zu tun. Aber die Frage, was jetzt das Beste ist, was machbar ist und was nicht, hat bisher noch keine überzeugende Antwort von Oben aus der herrschende Klasse gefunden. Mit alten Ideen weiter Gas in die bisher falsche Richtung zu geben, ist in Wahrheit ein blinder Aktionismus und dieser Aktionismus hat zur Zeit eine ebenso eigentümliche wie gespenstische Konjunktur.
Fortsetzung -->
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