Zinssystem und Staatsbankrott
Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Senf erläutert im Gespräch mit Michael Vogt die unbekannten und unbequemen Hintergründe der aktuellen Krise.
In Deutschland gab es im 20. Jahrhundert schon zweimal einen Staatsbankrott, jedesmal verbunden mit sozialen Katastrophen: Im Gefolge des Ersten Weltkriegs die Inflation von 1923, und nach dem Zweiten Weltkrieg der Zusammenbruch der Währung 1948. Beide Male hatte die Währung den an sie gestellten Anspruch - nämlich zu währen, d. h. ihre Kaufkraft zu bewahren - eingebüßt.
Auf dem Höhepunkt der Inflation 1923 konnte man für 1 Billion Mark gerade mal noch ein Brot kaufen. Bis im November 1923 eine Währungsreform stattfand und die alte Währung im Verhältnis 1 Billion : 1 in die neue »Rentenmark« umgerechnet und umgewechselt wurde. Von dieser Umrechnung waren alle Geldgrößen betroffen, Geldvermögen ebenso wie Schulden, auch Staatsschulden. Durch die große Inflation und anschließende Währungsreform hat sich demnach der Staat auf "elegante" Art, aber mit dramatischen Folgen, seiner gigantischen Staatsschulden entledigt, im wahren Sinne des Wortes »für'n Appel und 'n Ei« - denn mehr waren die Staatsschulden und ihre Rückzahlung nicht mehr wert.
Und heute? Stehen wir erneut vor Staatsbankrott und Währungsreform? Die angeblichen Ursachen (zum Beispiel die Gier von Bankmanagern, die leichtfertige Kreditvergabe, das Verschleiern von Kreditrisiken durch Ratingagenturen, die mangelnde Transparenz bei Finanzprodukten) scheinen mehr Symptome und Folgen tiefer liegender Ursachen zu sein, die bisher wie hinter einer Nebelwand verborgen geblieben sind.
Die Verknüpfung von Geld und Zins treibt fünf Krisentendenzen hervor, die sich immer weiter zuspitzen müssen: Die Krise der Wirtschaft, der Umwelt, der Gesellschaft, des Staates und der Dritten Welt.