Hans-Werner Sinn„Die Euro-Rettung ist total schief gegangen“
Die Kritiker der Euro-Retter melden sich zurück. Beeindruckt vom Bundesverfassungsgericht und der EZB hatten sie zwei Wochen lang geschwiegen. Doch jetzt meldet sich Ifo-Chef Sinn lautstark zu Wort.
Ein paar Tage nur haben sie geschwiegen, die Schwarzmaler und Kritiker, die dem Euro in seiner jetzigen Konstruktion keine Zukunft vorhersagen. Ein paar Tage waren sie scheinbar beeindruckt von der Doppel-Bazooka - jener kombinierten Wirkung, die vom unbegrenztem Anleihekauf der EZB und dem letztlich positivem Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter zum Einsatz des europäischen Rettungsschirms ESM ausging und die wie eine geballte Kampfansage an die Euroskeptiker wirkte. Doch deren Unmut ist nicht gesunken. Im Gegenteil: Sie haben ihre Argumente geschärft.
Einer derjenigen aus der Zunft jener Ökonomen, die stets ganz vorne in den Reihen der Kritiker stehen, ist der Chef des Münchner Wirtschaftsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn. Er hatte heute in seiner Heimatstadt dem ersten großen Auftritt seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts und der EZB-Entscheidung. Das Dilemma in dem er steckt, benennt er auf dem Investmentkongress der DAB-Bank so: „Erstens bin ich dafür, den Euro zu erhalten. Zweitens habe ich das Gefühl, die Sache ist total schief gegangen.“
Und dann legt der Professor los. Die solide Konjunktur in Deutschland liege vor allem an den niedrigen Zinsen, und die habe das Land der abstürzenden Wirtschaft in den südeuropäischen Eurostatten zu verdanken: „Die Flucht vor Griechenland in deutsches Betongold und die Refinanzierung zu Niedrigzinsen ist verantwortlich dafür, dass es hierzulande rund läuft.“
„Das Geld der EZB ist nicht demokratisch legitimiert“
Sinn legt Folien auf, die zeigen, wie weit die Preise in Deutschland gesunken und in den Euro-Schuldenländern gestiegen sind. Die Konsequenz: Wollten die Schuldenländer wieder wettbewerbsfähig werden, müssten sie die Preise massiv senken. „Wenn es nicht gelingt, die Länder billiger zu machen, wird der Euro zerbrechen, oder wir haben eine Transferunion und es wird teuer“, sagt der Ifo-Chef. Außer in Irland, wo die Krise früh eingesetzt habe, sei das jedoch nirgends geschehen.
Stattdessen habe die EZB eingegriffen. Sie stütze die Schuldenländer durch unbegrenzten Anleihekauf, „der unterbrochen wurde, als das Karlsruher Urteil ausstand, und als es sich abzeichnete, wieder aufgenommen wurde.“ Voluminöser als die Anleihekäufe sei jedoch die Summe der Unterstützung durch interne Verrechnung innerhalb des EZB-Systems. Die EZB habe alle möglichen Pfänder als Sicherheit akzeptiert. „Und inzwischen sind sogar nicht handelbare ABS-Papiere als Sicherheit hinterlegt,“ sagt Sinn mit Blick auf die sogenannten Asset Backed Securities (ABS).
In Sinns Worten: "Die Bundesbank hat gegenüber der EZB eine Forderung auf dem Bierdeckel. Das bedeutet ein hohes Ausfallrisiko für die Bundesbank.“ Die tatsächlich bereits ausgegebene Rettungssumme für das Euro-System berechnet Sinn so auf rund 1,5 Billionen Euro. 82 Prozent davon kämen von der EZB „und sind damit nicht demokratisch legitimiert.“
Von einer Rettung könne deswegen keine Rede sein. Denn die Rettung sei so lange künstlich, wie sie allein darin bestehe, Schuldenländer über Wasser zu halten, ohne das sich in diesen Ländern Entscheidendes tue.
Die Investoren, schließt Sinn, wüssten das. Vor allem die griechischen. Weil sie ihrem Land nicht trauen, „investieren sie zum Beispiel lieber in Immobilien in Berlin als in Athen.“
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