Personalpolitik: Die geheime Liste der Koalition
Die Regierung sorgt vor: Eine eiligst erstellte Liste legt offen, welche Spitzenjobs im Staatsbereich noch tunlichst vor den Nationalratswahlen besetzt werden sollten. Weil man ja nie weiß.
Die Nationalratswahlen 2013. Da ist schon eine gute Portion Nervosität angebracht: Wie wird das gemeine Volk entscheiden? Welche Partei wird nach dem Wahltermin noch an der Macht sein beziehungsweise an die Macht kommen? Welches der jetzigen Regierungsmitglieder wird sich nach einem neuen Job umsehen müssen?
Ganz übel: Die Fragen werden alle erst nach den geschlagenen Wahlen beantwortet werden können. Aber Tatenlosigkeit liegt der Regierung offenbar nicht. Und sie hat erkannt: Man kann sich durchaus eine gewisse Macht sichern - für den Fall, dass die Dinge einen für die Großparteien unglücklichen Verlauf nehmen. Wie das? Indem wichtige Posten in bedeutenden Staatsbetrieben noch rasch mit Personen des parteipolitischen Vertrauens besetzt werden.
Dazu wurde eine streng geheime Liste angefertigt. Eine Liste mit all jenen Vorstandsverträgen im Staatsbereich, die rechtzeitig genug auslaufen, um vor den Nationalratswahlen entsprechend disponieren zu können. Eine Liste - damit politisch da ja nichts verschlafen wird.
Verfasst wurde sie von Kabinettsmitarbeitern von ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter. Sie wurde auch prompt an SPÖ-Staatssekretär Josef Ostermayer übermittelt. Der ist ja gemeinsam mit Fekter für die Regierungskoordination zuständig. Und Koordination ist in dieser Angelegenheit das Gebot der Stunde.
Die Liste ist erstaunlich lang, was einigermaßen interessant ist. Kann aber natürlich auch nur ein Zufall sein, dass sich ausgerechnet heuer so viele Verträge dem Ende zuneigen. Wobei: Der Verdacht, dass viele Vorstandsverträge bewusst so konzipiert wurden, um rechtzeitig vor den Wahlen Weichen stellen zu können, ist nicht von der Hand zu weisen.
Üblich sind in der Wirtschaft nämlich drei- oder fünfjährige Vorstandsverträge. In den Staatsbetrieben wurde hingegen nicht selten von dieser Usance Abstand genommen.
Ein Beispiel ist die Statistik Austria. Sie ist auf der geheimen Liste angeführt - die Verträge der Geschäftsführer Gabriela Petrovic und Konrad Pesendorfer laufen per 1. Jänner 2014 aus. Pesendorfer ist Anfang 2010 direkt vom Kabinett von Bundeskanzler Werner Faymann in der Chefetage der Statistik Austria gelandet - und hat dafür just einen Vierjahres-Vertrag erhalten. Geht sich also alles bestens aus: Die Ausschreibung für die Neubestellung erfolgt ja rund ein halbes Jahr vorher.
Zur Verlängerung stehen heuer - so die geheime Liste - auch die Verträge der Chefs der Flugsicherung Austro Control an. Detto bei der Wasserstraßensicherungsgesellschaft Via Donau. Dass der Vertrag von Sabine Haag, Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, der Verlängerung harrt, wird ebenso angeführt. Und auch der Vertrag des Geschäftsführers der „Wiener Zeitung", Karl Schiessl, hat heuer ein Ablaufdatum.
Im Finanzbereich laufen die Verträge der vier Vorstände der Hypo-Alpe-Adria-Bank mit Gottwald Kranebitter an der Spitze aus. Ebenso jene von Adolf Wala und Klaus Liebscher - beide Chefs der Fimbag, die die staatliche Bankenhilfe verwaltet.
Und, nicht zu vergessen: Hannes Ametsreiter, Chef der Telekom Austria, bemüht sich auch gerade um eine Vertragsverlängerung. Andernfalls muss er sich per Jahresende verabschieden.
Fekters Mitarbeiter haben jedenfalls ganze Arbeit geleistet. Ihre Aufstellung enthält sogar auslaufende Mandate in Aufsichtsräten, die machtpolitisch von Bedeutung zu sein scheinen - wie etwa jene fünf Aufsichtsräte der Österreichischen Lotterien, deren Zeit heuer abläuft. Mehr noch: Die Liste enthält auch jene Jobs, die erst im Laufe des nächsten Jahres zu besetzen wären. In weiser Voraussicht will man noch heuer entsprechende Entscheidungen treffen.
Etwa über den Job von OMV-Generaldirektor Gerhard Roiss, der per April 2014 zur Disposition steht. Ob er verlängert wird, muss natürlich noch heuer rechtzeitig vor dem Wahltermin entschieden werden.
In dem Zusammenhang wird auch der Posten von Peter Mitterbauer angeführt. Der ist Aufsichtsratspräsident der Staatsholding ÖIAG - mit Ablaufdatum Frühling 2014. Das Ärgerliche ist, dass sein Nachfolger auch dann erst gewählt werden sollte.
Doch es wurde ein Ausweg gefunden. In der ÖVP frohlockt man jedenfalls schon: Mitterbauer, so heißt es, habe signalisiert, dass er noch im kommenden Herbst seinen Rückzug antreten werde. Und alles wird gut.
Nicht auf der Liste stehen die Jobs, die im mehrheitlich staatlichen Stromkonzern Verbund zu vergeben sind. War auch nicht notwendig. Weil dort bereits Vorsorge getroffen wurde.
Und zwar schon im März 2011. Damals war in einer Aufsichtsratssitzung Günther Rabensteiner zum vierten Mitglied des Vorstandes ernannt worden - womit alles wieder im großkoalitionären Lot war: Die Vorstände Wolfgang Anzengruber und Ulrike Baumgartner-Gabitzer werden der ÖVP zugerechnet. Rabensteiner und Vorstand Hannes Sereinig der SPÖ.
So weit, so gewöhnlich. Dennoch gelang der Politik in dieser Angelegenheit ein echtes Bravourstück: Neben der Bestellung Rabensteiners stand nämlich in jenem März 2011 auch die Vertragsverlängerung von Ulrike Baumgartner-Gabitzer an. Und da kam es zum Kunstgriff: Die Verträge von Baumgartner-Gabitzer und Rabensteiner erhielten eine ungewöhnlich kurze Laufzeit. Sie laufen beide schon Ende 2013 aus.
Verbund-Aufsichtsratspräsident Gilbert Frizberg begründete diesen bemerkenswerten Vorgang damals so: Die Verträge der beiden anderen Vorstände würden ebenfalls Ende 2013 auslaufen. Und da könnten praktischerweise gleich alle vier Verträge gleichzeitig, „in einem Aufwaschen" verhandelt werden.
Inoffiziell war freilich schon damals klar: Die Verträge sollten nicht irgendwann im Laufe der nächsten Legislaturperiode auslaufen - mit dann ungewissem Ausgang.
Während also in der Politik die große Hektik wegen anstehender Postenbesetzungen beziehungsweise -verlängerungen ausgebrochen ist, herrscht im Verbund-Konzern angenehm entspannte Atmosphäre: Die Ausschreibung für vier Vorstände wird bereits in wenigen Tagen erfolgen.
Hinter vorgehaltener Hand wird zwar erzählt, dass Ulrike Baumgartner-Gabitzer keinen neuen Vertrag bekommt. Aber Schwamm drüber: Die frühere Kabinettschefin von Wolfgang Schüssel soll einen Vorstandsjob in der Netzgesellschaft APG schon so gut wie in der Tasche haben. Jedenfalls soll sie im Verbund einem Manager Platz machen, der als Finanzvorstand agieren wird. Wetten, dass der ebenfalls ÖVP-nahe sein wird?
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