Die Marxisten in Athen werden nicht müde, auf die „starke demokratische Tradition“ Griechenlands hinzuweisen. Sie preisen das als Hinweis darauf, dass Griechenland die Krise schon
eigenverantwortlich und vor allen in Würde bewältigen kann. Damit wird offensichtlich auf die ruhmreiche Antike Bezug genommen, aber die weitaus weniger ruhmreiche Zeitgeschichte wird geflissentlich übersehen.
Ab der Mitte des 14. Jahrhunderts geriet Griechenland unter die Herrschaft des Osmanischen Reiches. Erst ab 1827 bildete sich mit Unterstützung europäischer Mächte schrittweise ein neuer griechischer Staat. Schon damals brauchten die Griechen Geld von Europa und führten als Gegenleistung die Monarchie ein. In den Ersten Weltkrieg trat Griechenland gegen die Mittelmächte mit dem Ziel ein, Thrakien und die türkische Westküste zu okkupieren. Bei der versuchten Besetzuing von Smyrna (heute Izmir) nach dem Krieg holten sie sich aber eine blutige Nase.
Alsbald war Griechenland eine Militärdiktatur (General Metaxas). Mit der Besetzung Griechenlands (erst erfolglos versucht von Italien, dann mit Unterstützung Deutschlands doch vorgenommen) begann die blutigste Epoche des modernen Griechenlands. Denn auf das Ende der deutschen Besatzung folgte der griechische Bürgerkrieg. Unterstützung erfuhren die gegnerischen Parteien – wie im kalten Krieg so üblich – einerseits von der Sowjetunion und Jugoslawien, andererseits von den USA und Großbritannien. Die Diktatur von General Metaxas hatte das Land in die blutigste Epoche seiner Geschichte geführt, die erst 1949 mit der Niederlage der kommunistischen Verbände im Bürgerkrieg zu Ende ging. Als letzte nichtkommunistischer Staat auf dem Balkan wurde Griechenland im Jahr 1952 in die NATO aufgenommen.
Demokratie war Griechenland aber keine, die politische Macht hatten weder Regierung noch Parlament, sondern der König und seine Beratern, sowie der Armee. Der vom der CIA kontrollierte Geheimdienst, diversen Geheimbünde sowie die Polizei und paramilitärische Milizen haben auch kräftig mitgemischt. Im Jahr 1967 erfolgte ein Putsch, der endgültig eine Militärjunta an die Macht brachte. Die Junta hatte zwar das „alte“ Klientelsystem zerschlagen, aber sie baute jetzt ihr eigenes auf. Die griechische Klientel - Wirtschaft hat sich also nicht geändert, und das sollte sich in der Zukunft bis weit in die Zeit der EU - Mitgliedschaft wiederholen.
Erst 1974 ging die Militärdiktatur als Folge türkischen Besetzung zu Ende , es folgten abwechselnd konservative (Nea Dimokratia bis 1981) und dann sozialistische (PASOK bis 2004) Regierungen, allein der Klientelpolitik blieb, nur eben mit wechselnden Nutznießern. Insgesamt blieb Griechenland ein armes Entwicklungsland mit kleinbäuerlicher Struktur und nur weniger, unbedeutender Industrie im Großraum Athen. Kapital gab es nur in Form der großen Reedereien.
1981 trat dieses unterentwickelte Griechenland der damaligen EWG bei. Legendär ist der Ausspruch des damaligen französischen Staatspräsidenten Valéry Giscard d’Estaing: Wir könne „Platon nicht länger in der zweiten Liga spielen lassen“.
Und damit begann für Griechenland, unterstützt durch ein Füllhorn an Subventionen, ein (in Anbetracht der geschenkten Mittel dennoch bescheidener) wirtschaftlicher Aufschwung. Trotz der reichlichen Subventionen blieb ein erheblicher Abstand zu den anderen Mitgliedstaaten der EU weiter bestehen. Und nach dem Osterweiterung der EU zeigte es sich noch deutlicher, dass Griechenland den Goldregen nicht wirklich zu nutzen wusste. Denn die neuen Mitglieder setzten im Gegensatz zu Griechenland Strukturreformen um und zogen wirtschaftlich an den Hellenen vorbei.
Die Katastrophe begann mit dem Beitritt zum EURO - Raum. Dazu passt die Ausrichtung der Olympiade und der Gewinn der Fußballeuropameisterschaft 2004. Der griechische Zwerg wähnte sich plötzlich als Riese, auch wirtschaftlich. Die Vorteile der niedrigen Zinsen als Eurogruppenmitglied wurden ausgenutzt und führten zu einem rasanten Anstieg der Staatsverschuldung; Da aber Struktur- und Verwaltungsreformen unterblieben, sank die die Wettbewerbsfähigkeit dramatisch noch weiter ab. Und 2010 brach das Potemkinsche Dorf zusammen. Aber statt wie die es die Fußballnationalmannschaft getan hatte, engagierten die griechischen Politiker keinen deutschen Trainer für ihre Wirtschaft. Die korrupten Politikerdynastien haben weitergewurschtelt wie bisher – Klientelismus, Nepotismus und Kleptokratie über alle Parteigrenzen hinweg blieben das Maß der Dinge.
Angesichts des Totalversagens der traditionellen griechischen Eliten wurden von der linken Szene Europas große Hoffnungen in die Kraft der schöpferischen Zerstörung der SYRIZA-Bewegung gesetzt. Auch in Wien und auch unter den Bobos kam es zu Freudenkundgebungen anlässlich des Regierungswechsels. Die anfängliche Euphorie ist aber schnell der Ernüchterung gewichen. Tsipras, Varoufakis und ihre linkslinken Genossen erwiesen sich nämlich einfach nur als verantwortungslose Störenfriede ohne ein fundiertes ökonomisches Konzept. Im Wahrheit will die aktuelle griechische Regierung einfach eine endlose Daueralimentierung dieses „failed state“ innerhalb der Eurozone durch die Europäische Union, ohne im Gegenzug das eigene Land nachhaltigen Reformen zu unterziehen.
Bedingungslose Mindestsicherung für ein ganzes Land auf Kosten der übrigen Europäer, das ist ihr Traum. Und bei uns klatschen Linke und Bobos Beifall.