"Ihrer" Religion, aha. Wann haben sie diese Religion denn gewählt? Richtig, haben sie nicht. Sie wurden von klein auf auf diese Religion hingedrillt, hatten nie den Zugang zu wahrer Entscheidungsfreiheit.
Dieser Argumentation vermag ich nicht zu folgen, die ist mir ein wenig zu rigoros. Vor allem anerkenne ich nicht, dass Deine überspitzt religionsfeindliche Darstellung das Recht auf Alleingültigkeit hat. Nicht jedes Kind wird von den Eltern gedrillt, und nicht jedes Kind wird gezwungen.
Ist es nicht Bestandteil einer natürlichen Eltern-Kind-Beziehung, dass die Eltern bemüht sind, ihre Erfahrungen und ihr Wissen an ihre Kinder weiter zu geben, gerade in den Jahren von der Geburt bis zum Kindergarten oder bis zur Schule? Die Vorstellung, Kinder von Haus aus ihren eigenen Entscheidungen zu überlassen, zwingt diese jungen Geschöpf doch nur zu Entscheidungen, zu denen sie mangels Wissen und Erfahrung gar nicht fähig sind, und wäre letztlich verantwortungslos. Offenbar hast Du mit Religionen extrem schlechte Erfahrungen gemacht, sonst hättest Du nicht einen solchen Hass auf alles Religiöse entwickelt. Das soll aber nicht den Blick darauf verstellen, dass es wohl auch sehr viele Kinder gibt, welche mit der Religion ihrer Eltern durchaus etwas anzufangen wissen, und in ihr zumindest einen ersten Schritt in Richtung zu einer Basisspiritualität akzeptieren, welche meines Wissens noch keinem vernunftbegabten Menschen Schaden zugefügt hat. Wenn jemand diese Befürchtung hat, dann hat er ja immer noch die Möglichkeit, der quasi ererbten Religion den Rücken zuzukehren, sich einer anderen Religion zuzuwenden, oder auch ein glaubensfreies Leben zu wählen.
Natürlich ist es richtig, dass es auch Länder gibt, welche aus ihrer Kultur und Tradition heraus in religiösen und in allgemein ethischen Fragen nicht so flexibel sind. Allerdings sollten wir nicht den Fehler machen, andere Kulturen anhand unseren eigenen Standards zu beurteilen oder gar zu verurteilen. Wenn wir den dort lebenden Menschen schon unsere Art der Lebensführung nahe legen wollen, dann kann das sinnvoll nur durch das gelebte Vorbild geschehen, durch Information und Aufklärung, keinesfalls durch Gewalt oder Zwang.
Nein, die nächste Generation hat ein Anrecht auf diese Freiheit, und wenn sich die Patriarchen dagegen wehren, muss man sie erzwingen.
"Man" beschreibt die Situation aber ganz falsch. Wenn die nächste Generation diese Freiheit anstrebt, dann liegt es an ihr selbst, um diese Freiheit zu kämpfen, speziell in ihrem eigenen Land. Uns Europäer geht das genau nix an, wie andere Länder mit diesen Fragen umgehen, und wir wären gut beraten, wenn wir uns in die internen Verhältnisse eines anderen Landes erst gar nicht einmischen. Egal, ob es Fragen des religiösen oder demokratischen Verhaltens betrifft. Dass man mit dem gewaltsamen Eingreifen von außen mehr Schaden als Nutzen anrichtet, sollte in Hinblick auf die zahllosen gescheiterten Versuche allen klar sein. Bei ganz wenigen Ländern hat das im Ansatz funktioniert, bei der Mehrzahl ist es gescheitert. Diese Länder sind eben noch nicht reif dafür - auch das muss man als außenstehendes Land akzeptieren, wenn man sich schon als Wegbereiter von Toleranz und Selbstbestimmung aufspielt.
Und das geht, denn die Kinder sind jeden Tag in der Schule. Dort muss man ansetzen und dafür sorgen, dass sie einen Raum haben, der nicht von der elterlichen Religion schon wieder erstickt ist - sondern wo sie frei davon sind.
Es ist aber nicht die Aufgabe eines liberalen und demokratischen Staates, seine Kinder von Religionen fern zu halten. Wenn man schon als Staat die Religionsfreiheit garantiert, dann muss man auch akzeptieren, dass die Kinder auch über die verschiedenen Religionen informiert werden, denn diese Information ist ja die Grundlage jeder Entscheidung. Natürlich kann man diese Information auch den einzelnen Religionsgemeinschaften überlassen, aber wenn man an einer möglichst objektiven Information interessiert ist, dann wäre es im Grunde kontraproduktiv, würden sich die öffentlichen Schulen völlig von dieser Aufgabe zurück ziehen.