Wunderts dich im Zeitalter der Meldemuschis und der Meinungsterroristen, die jeden anzeigen, der ihnen unliebsame Standpunkte hat? Wenn ein Fressenbuchposting oder Like zur Karrierehemmung oder Entlassung führt und nicht mal vor Polizisten halt gemacht wird?
Da kann ich Dir nur teilweise zustimmen. Ich sehe die Verbreitung strafrechtlich relevanter Äußerungen nicht als Zivilcourage. Wir haben weitgehende Meinungsfreiheit, und das bissl, das verboten ist, ist es mit gutem Grund.
Aber wo Du Recht hast ist, dass die US-amerikanischen Netzwerke dabei sind, das in den 1990ern vielzitierte Global Village tatsächlich aufzubauen - mit allen Nachteilen, die das Dorfleben so zu bieten hat; v.a. den sozialen Druck zum Mainstream und die Bekämpfung von Quer- und Alternativdenkern. Das Lechzen vieler Menschen nach Likes sorgt dafür, dass diese sich nicht die Mühe machen, eine eigene Meinung zu entwickeln, sondern sich nach jenen orientieren, die beliebt sind; in der Hoffnung, auch ein wenig Glanz abzubekommen. Oder aus Angst vor Shitstorms und Mobbing gewisse Äußerungen lieber gleich lassen, bzw. sich für jene, die bereits in der Ecke sind, nicht einsetzen. Dieses virtuelle Verhalten strahlt dann ins reale Leben ab.
Auch Überwachung ist ein Aspekt des Dorflebens, der sich im heutigen Zustand des Netzes abbildet. Die Dorftratschen, die die von jedem alles wissen und neugierig in die Fenster ihrer Nachbarn hineinlugen, sind dabei die großen Datensammlungs-Konzerne.
Als Ursache für schwindende Zivilcourage spielt also sicher eine Rolle, dass sich viele im Netz verkriechen, anstatt draußen in der Welt ihren Mann oder ihre Frau zu stehen. Darüber hinaus sehe ich eine gewisse gesellschaftlichen Lethargie, die sich breit macht, nach dem Motto "was willst, kannst eh nix machen" bzw. "nur ja nicht in irgendeine Gefahr begeben".
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