Eure Lieblingsgedichte/Texte

dass du mich liebst, das wusst ich,
ich hatt es längst entdeckt;
doch als du mir's gestanden,
hat es mich tief erschreckt.

ich stieg wohl auf die berge
und jubelte und sang;
ich ging ans meer und weinte,
beim sonnenuntergang.

mein herz ist wie die sonne
so flammend anzusehn,
und in ein meer von liebe
versinkt es groß und schön.

heinrich heine (1797-1856)
 
An die Melancholie

Du geleitest mich durchs Leben,
Sinnende Melancholie!
Mag mein Stern sich strahlend heben,
Mag er sinken - weichest nie!
Führst mich oft in Felsenklüfte,
Wo der Adler einsam haust,
Tannen starren in die Lüfte
Und der Waldstrom donnernd braust.
Meiner Toten dann gedenk ich,
Wild hervor die Träne bricht,
Und an deinen Busen senk ich
Mein umnachtet Angesicht.

Nikolaus Lenau, 1832
 
Sehnsucht

Und sei mir noch so traurig auch zu Sinn,
Ich will's nicht glauben, daß ich elend bin.
Der Fluch, das Leid, das mich zugrund gerichtet,
Am Ende war ja alles nur erdichtet.
Die Phantasie treibt oft ihr Possenspiel.
Schon manchen hob sie, der zu Boden fiel,
Im Geist empor. Schon manchen aus den Höhen
Des Himmels ließ sie Schreck und Unheil sehen.
Laß ab von mir, du große Zauberin!
Erbarm dich mein, entschleire meinen Sinn!
Zerteil die Nacht, mit der du mich geschlagen -
O Sonnenglanz des Glücks, wann wirst du tagen!
 
Die Stille

Hörst du Geliebte, ich hebe die Hände -
hörst du: es rauscht...
Welche Gebärde der Einsamen fände
sich nicht von vielen Dingen belauscht?
Hörst du, Geliebte, ich schließe die Lider
und auch das ist Geräusch bis zu dir.
Hörst du, Geliebte, ich hebe sie wieder......
... aber warum bist du nicht hier.

Der Abdruck meiner kleinsten Bewegung
bleibt in der seidenen Stille sichtbar;
unvernichtbar drückt die geringste Erregung
in den gespannten Vorhang der Ferne sich ein.
Auf meinen Atemzügen heben und senken
die Sterne sich.
Zu meinen Lippen kommen die Düfte zur Tränke,
und ich erkenne die Handgelenke
entfernter Engel.
Nur die ich denke: Dich
seh ich nicht.

Rainer Maria Rilke, Das Buch der Bilder
 
Hoffnung

Es reden und träumen die Menschen viel
Von bessern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen Ziel
Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung,
Doch der Mensch hofft immer Verbesserung.

Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein,
Sie umflattert den fröhlichen Knaben,
Den Jüngling locket ihr Zauberschein,
Sie wird mit dem Greis nicht begraben;
Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf,
Noch am Grabe pflanzt er - die Hoffnung auf.

Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn,
Erzeugt im Gehirne des Thoren.
Im Herzen kündet es laut sich an:
Zu was Besserm sind wir geboren;
Und was die innere Stimme spricht,
Das täuscht die hoffende Seele nicht.

Friedrich von Schiller (1759-1805)
 
Erfahrungen und Erlebnisse der Vergangenheit.
Bausteine in der Entwicklung meines Lebens.

Die Unteren kann man nicht mehr sehen,
sind verwildert,
zugewuchert, vom Efeu der Zeit
überdeckt von Sandstürmen des Vergessens
und der Verdrängung.

Doch bilden sie das Fundament
für das was ICH jetzt bist.
 
Achte gut auf DIESEN Tag,

denn er ist das Leben -
das Leben allen Lebens.
In seinem kurzen Ablauf
liegt alle Wirklichkeit
und Wahrheit des Daseins,
die Wonne des Wachsens,
die Herrlichkeit der Kraft

Denn das Gestern
ist nichts als ein Traum
und das Morgen nur eine Vision.
Das heute jedoch - recht gelebt -
macht jedes Gestern
zu einem Traum voller Glück
und das Morgen
zu einer Vision voller Hoffnung.

Darum achte gut auf DIESEN Tag.
 
Habe Geduld gegen alles Ungelöste in deinem Herzen und versuche, die Fragen selbst lieb zuhaben wie verschlossene Stuben und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind. Forsche jetzt nicht nach Antworten, die dir nicht gegeben werden können, weil du sie nicht leben kannst und es handelt sich darum alles zu leben. Lebe jetzt die Fragen - vielleicht lebst du dann allmählich ohne es zu merken in die Antwort hinein.
Rainer Maria Rilke
 
WAS DER WIND IN DEN SAND GESCHRIEBEN
von Hermann Hesse

Dass das Schöne und Berückende
nur ein Hauch und Schauer sei,
dass das Köstliche, Entzückende,
Holde ohne Dauer sei:
Wolke, Blume, Seifenblase,
Feuerwerk und Kinderlachen,
Frauenblick im Spiegelglase
und viel andre wunderbare Sachen,
dass sie, kaum entdeckt, vergehen,
nur von Augenblickes Dauer,
nur ein Duft und Windeswehen,
ach, wir wissen es mit Trauer.
Und das Dauerhafte, Starre
ist uns nicht so innig teuer:
Edelstein mit kühlem Feuer,
glänzendschwere Goldesbarre;
selbst die Sterne, nicht zu zählen,
bleiben fern und fremd, sie gleichen
uns Vergänglichen nicht, erreichen
nicht das Innerste der Seelen.
Nein, es scheint das innigst Schöne,
Liebenswerte dem Verderben
zugeneigt, stets nah am Sterben,
und das Köstlichste: die Töne
der Musik, die im Entstehen
schon enteilen, schon vergehen,
sind nur Wehen, Strömen, Jagen
und umweht von leiser Trauer,
denn auch nicht auf Herzschlags Dauer
lassen sie sich halten, bannen;
Ton um Ton, kaum angeschlagen,
schwindet schon und rinnt von dannen.
So ist unser Herz dem Flüchtigen,
ist dem Fließenden, dem Leben
treu und brüderlich ergeben,
nicht dem Festen, Dauertüchtigen.
Bald ermüdet uns das Bleibende,
Fels und Sternwelt und Juwelen,
uns in ewigem Wandel treibende
Wind- und Seifenblasenseelen,
Zeitvermählte, Dauerlose,
denen Tau am Blatt der Rose,
denen eines Vogels Werben,
eines Wolkenspieles Sterben,
Schneegeflimmer, Regenbogen,
Falter, schon hinweg geflogen,
denen eines Lachens Läuten,
das uns im Vorübergehen
kaum gestreift, ein Fest bedeuten
oder wehtun kann. Wir lieben,
was uns gleich ist, und verstehen,
was der Wind in den Sand geschrieben.
 
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W.H. Auden, "Funeral Blues"

Stoppt jede Uhr, lasst ab vom Telefon,
verscheucht den Hund, der bellend Knochen frisst, die roh'n.
Lasst schweigen die Pianos und die Trommeln schlagt,
bringt heraus den Sarg, ihr Klager klagt.

Lasst die Flieger kreisend - Trauer sei Gebot -
an den Himmel schreiben:
Er ist tot.
Straßentauben gebt um den
Hals starre Kreppkragen,
Polizisten lasst schwarze Handschuh' tragen.

Er war mir Nord, mir Süd, mir Ost und West,
des Sonntags Ruh' und der Woche Stress,
mein Tag, mein Gesang, meine Rede, meine Nacht.
Ich dachte, Liebe währet ewig - falsch gedacht.

Sterne sind jetzt unerwünscht, will nichts sehn davon,
verpackt den Mond, zertrümmert die Sonn'.
Fegt weg den Wald und des Meeres Flut,
nie wird es sein, so wie es war. Nie wieder gut.
 
"Eros ist die Kraft der Rückbindung an die Wirklichkeit Gottes,
an das göttliche Leben oder den lebendigen Gott.
Eros öffnet, bricht aus, überschreitet Grenzen.
Eros ist das Gegenteil von Ego.

Wo sich das Ego an das Geliebte klammert
und es in seinen Besitz zu bringen begehrt,
da bleibt der begehrende Mensch ganz bei sich
- verhaftet in seiner Ego Struktur und unfähig,
sich vom Eros über sich hinaustragen zu lassen.

Zwar ist das Begehren immer eine Komponente des Eros ,
sofern es den Menschen unwiderstehlich hinzieht zum Geliebten.
Aber dieses Begehren
wird durch die schöne Erscheinung des Göttlichen angestachtelt
und nicht durch das Besitzen-Wollen des Menschen."
(aus: Christoph Quarch, Die Erotik des Betens)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Affen

Der Bauer sprach zu seinem Jungen
heut in der Stadt, da wirst Du gaffen
wir fahren hin und sehn die Affen
was die für Streiche machen
und für Gesichter wie rechte Bösewichter
sie lausen sich und zausen sich
sie krauen sich und hauen sich
und essen tun sie mit der Hand
und alles tun sie mit Verstand
und keiner gönnt dem andren was
und stehlen tun sie wie ein Rabe
all dieses siehst Du heute
oh Vater sprach der Knabe
sind Affen denn auch Leute?
Der Vater sprach, na ja
nicht ganz, doch so beinah


( Wilhelm Busch )
 
Es ist der Menschen weh und ach

Wie bin ich krank,
Gebt mir nur einen Trank,
Nur keine Pulver,
Und keine Pillen,
Die können meinen Schmerz nicht stillen:
Wie bin ich krank!

Wie bin ich matt!
Kaum ess ich mich nur satt;
Des Fiebers Wüten
Durchwühlt den Körper,
Schwächt alle Glieder:
Wie bin ich matt!

Ich sterbe ja,
Drum gute Nacht;
Mein Testament ist gemacht,
Sag meiner Phillis,
Sag mein Verlangen,
Dort seh ich sie, sie kommt gegangen,
Küss mir den Mund:
Ich bin gesund.
 
Karl Kraus

Man frage nicht


Man frage nicht, was all die Zeit ich machte.
Ich bleibe stumm;
und sage nicht, warum.
Und Stille gab es, da die Erde krachte.
Kein Wort, das traf;
man spricht nur aus dem Schlaf.
Und träumt von einer Sonne, welche lachte.
Es geht vorbei;
nachher war's einerlei.
Das Wort entschlief, als jene Welt erwachte.
 
Vertrauen


Man darf nicht zeigen, was man fühlt und denkt,
man darf nicht zu viel geben.
Man darf nicht drängen, wie man lenkt,
man muss im Background stehen.

Man darf Menschen nicht vertrauen, die man nicht kennt.
Man darf von Versprechen nichts erwarten.
Die Gefahr ist, dass man sich schnell verrennt,
der Versprechen gibt es viele Arten.

Man darf nicht offen sein, nicht so naiv,
zu glauben was man hört und sieht.
Das Leben ist ein blauer Brief
mit sieben Siegeln.


Ich zeige, was ich fühl und denke,
und gebe stets gern viel.
Geschicke ich gern selber lenke,
und glaub zu wissen, was ich will.

Dem Strom entgegen sträub ich mich,
zu sein wie alle andern.
Selbst wenn Enttäuschung mich schwer trifft,
alleine werde ich wandern.

Von mir aus sollen sie tun und lenken,
sollen ihre Spielchen spiel´n
ich will an meine Werte denken,
nichts tu ich gegen meinen Will´n.

Man darf nicht zeigen, was man fühlt und denkt?
Man darf nicht zu viel geben?
Hat Angst, wem man Vertrauen schenkt?
Was ist das für ein Leben?

Das Leben ist ein blauer Brief
mit sieben Siegeln.

Verrückt, wenn man Vertrauen schenkt,
Verrückt, wenn man es glaubt,
dass das, was uns im Leben lenkt,
nichts Wichtiges uns raubt.

Verrückt bin ich, naiv, voll Hoffnung,
Verrückt wenn ich die Liebe spür,
Verrückt ist die Erinnerung,
Sie liegt hinter der großen Tür.

Das Leben ist kein blauer Brief mit sieben Siegeln,
denn nur ein hoffnungsvolles Leben kann beflügeln.

Michaela Thanheuser
 
drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht doch was besseres findet ;-)
 
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