Eure Lieblingsgedichte/Texte

Dich


Dich
dich sein lassen
ganz dich


Sehen
daß du nur du bist
wenn du alles bist
was du bist
das Zarte
und das Wilde
das was sich losreißen
und das was sich anschmiegen will


Wer nur die Hälfte liebt
der liebt dich nicht halb
sondern gar nicht
der will dich zurechtschneiden
amputieren
verstümmeln


Dich dich sein lassen
ob das schwer oder leicht ist?
Es kommt nicht darauf an mit wieviel
Vorbedacht und Verstand
sondern mit wieviel Liebe und mit wieviel
offener Sehnsucht nach allem -
nach allem
was du ist


Nach der Wärme
und nach der Kälte
nach der Güte
und nach dem Starrsinn
und deinem Willen
und Unwillen
nach jeder deiner Gebärden
nach deiner Ungebärdigkeit
Unstetigkeit
Stetigkeit


Dann
ist dieses
dich dich sein lassen
vielleicht gar nicht so schwer.


von Erich Fried
 
Ich wußte es

Ich wußte schon immer,
daß ich dich nicht suchen,
sondern finden würde,
daß ich dich nicht prüfen,
sondern dir vertrauen würde,
daß ich dich nicht idealisieren,
sondern erkennen würde,
daß ich dich nicht deuten,
sondern verstehen würde.

Ich wußte schon immer,
daß ich mich nicht in dich verlieben,
sonder dich gleich lieben würde.

(Hans Kruppa)
 
Betrachtung der Zeit von Andreas Gryphius

Mein sind die Jahre nicht,
Die mir die Zeit genommen;
Mein sind die Jahre nicht,
Die etwa möchten kommen;

Der Augenblick ist mein,
Und nehm ich den in acht
So ist der mein,
Der Jahr und Ewigkeit gemacht.
 
ich trage Dein Herz bei mir
ich trage es in meinem Herzen

nie bin ich ohne es
wohin ich auch gehe
gehst Du meine Teure
und was auch nur von mir allein gemacht wird
ist dein Werk…mein Schatz

ich fürchte kein Schicksal
weil Du mein Schicksal bist
mein Liebling
ich will keine Welt
weil Du meine Schöne
meine Welt bist
Du bist was der Mond immer bedeutet hat
und was die Sonne immer singt

meine Liebste
hier ist das tiefste Geheimnis um das keiner weiß
hier ist die Wurzel der Wurzel
und die Knospe der Knospe
und der Himmel des Himmels
eines Baumes Namens Leben
der höher wächst als unsere Seele hoffen
unser Geist verstecken kann

das ist das Wunder
das den Himmel zusammen hält

ich trage Dein Herz
ich trage es in meinem Herzen


E.E Cummings
 
ich liebe diesen Threat deswegen heut noch eines

Liebe

Dich so viele Tage, ach so viele Tage
so sicher und so nah zu sehn,
wie vergelte ich ´s, womit bezahle ich´s?

Der blutdürstende Frühling
der Wälder erwachte,
die Füchse kommen aus ihren Höhlen hervor,
die Schlangen trinken Tau,
und ich gehe mit dir durchs Laubwerk,
zwischen Pinien und Schweigen,
und ich frage mich, wie und wann
ich zahlen muß für dieses Glück.

Von allem, was ich sah,
dich will ich weiterhin sehn,
von allem, was ich berührte,
nur deine Haut will ich weiter berühren:
ich liebe dein Orangenlachen,
du gefällst mir im Schlaf.

Was soll ich machen, Liebe, Geliebte,
ich weiß nicht, wie die übrigen lieben,
ich weiß nicht, wie man sich früher liebte,
ich lebe, indem ich dich sehe, dich liebe,
ganz einfach verliebt.
Du gefällst mir jeden Abend mehr.

Wo magst du sein? werde ich fragen,
wenn deine Augen verschwinden.
Wie lange säumt sie! denk ich und kränke mich.
Ich fühle mich armselig, traurig und dumm,
und kommst du, bist du ein Windstoß,
der her von den Pfirsichen weht.

Darum liebe ich dich und auch nicht darum,
wegen so vieler Dinge und so weniger,
und so soll die Liebe sein
halb abgeschlossen und allgemein,
eigen und schrecklich,
mit fliegendem Banner und in Trauer,
blühend wie die Sterne
und maßlos wie ein Kuß.



pablo neruda
 
Stufen von Hermann Hesse

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf' um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden...
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
 
Stufen von Hermann Hesse
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.

Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Eines der Gedichte, das mich schon durch sehr, sehr wichtige Stunden begleitet hat
 
Meine Hoffnung ist, dass ich dich wieder sehe
Mein Wunsch ist, dass ich den Rest des Weges mit dir geh
Gehörst du noch zu mir?
Gehör ich noch zu dir?


Cassandra Steen
 
Ich lerne sehen.
Ich weiß nicht, woran es liegt,
es geht alles tiefer in mich ein
und bleibt nicht an der Stelle stehen,
wo es sonst immer zu Ende war.

Ich habe ein Inneres,
von dem ich nicht wußte.
Alles geht jetzt dorthin.
Ich weiß nicht, was dort geschieht.



Auszug aus: Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910)
 
Ich lerne sehen.
Ich weiß nicht, woran es liegt,
es geht alles tiefer in mich ein
und bleibt nicht an der Stelle stehen,
wo es sonst immer zu Ende war.

Ich habe ein Inneres,
von dem ich nicht wußte.
Alles geht jetzt dorthin.
Ich weiß nicht, was dort geschieht.



Auszug aus: Rainer Maria Rilke: Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910)

in "Mir zur Feier" gibt es ein ähnliches Gedicht welches mir auch sehr gefällt

Oh, dass wir so endlos werden mussten!
Immer noch Entfalten um Entfalten,
und wir haben unsrer Kälte Krusten
lange, lange für den Grund gehalten.

Und ob wir uns aneinander binden
und in Furcht uns immer fester fassen
und uns langsam, wie von Brunnenwinde,
weiter in uns selber gleiten lassen:

keine kann mit ihren blassen, blinden
Händen tastend unsre Tiefen finden.



und noch ein wunderbares Rilke Gedicht über das ich heute gestolpert bin



Eros

Masken! Masken! Daß man Eros blende.

Wer erträgt sein strahlendes Gesicht,

wenn er wie die Sommersonnenwende

frühlingliches Vorspiel unterbricht.



Wie es unversehens im Geplauder

anders wird und ernsthaft... Etwas schrie...

Und er wirft den namenlosen Schauder

wie ein Tempelinnres über sie.



O verloren, plötzlich, o verloren!

Göttliche umarmen schnell.

Leben wand sich, Schicksal ward geboren.

Und im Innern weint ein Quell.​
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gedicht XV


Mir gefällt´s, wenn du schweigst, als
wärst du in der Ferne.
Du hörst mich dann, als käme mein Wort weither geflossen.
Deine Augen, so scheint es, sind heimlich fortgeflogen,
und ein Kuß hat, so scheint es, dir deinen Mund verschlossen.
Weil jedes Ding erfüllt ist vom Leben
meiner Seele,
tauchst du auf aus den Dingen, erfüllt von meinem Wesen.
Ein Falter wie aus Träumen, ähnelst du meiner Seele,
und das Bild deines Daseins läßt das Wort Schwermut lesen.
Mir gefällt´s, wenn du schweigst, als
wärst du nicht zugegen.
Du bist dann wie ein Falter, weinend, daß man dich wiege.
Und du hörst mich von weitem, kein Laut kann dich berühren:
Laß drum, daß jetzt mein Schweigen in deinem Schweigen liege.
Laß, daß ich zu dir rede mit deinem
eigenen Schweigen,
klar wie die stille Lampe, schlicht wie ein Fingerring.
Wie Nachtluft bist du, lautlos, von Lichtern überfunkelt.
Du schweigst mit Sternestille, ein fernes, kleines Ding.
Du gefällst mir im Schweigen, denn da bist
du wie ferne.
Entrückt, von Schmerz gezeichnet, als längst du schon im Grabe.
Es genügt mir ein Wort dann, ein Lächeln nur, ein kleines.
Und ich bin fröhlich, fröhlich, daß ich dich bei mir habe.



Pablo Neruda
 
….“Und die Seelen, die gemeinsame Leiden geeint haben, vermag nichts mehr zu trennen - weder die Seligkeit der Freude noch ihr Rausch. Die Bande, welche die Traurigkeit zwischen zwei Seelen knüpft, sind stärker als die Bande der Glückseligkeit. Und die Liebe, die mit Tränen besiegelt wird, bleibt ewig rein und schön..“.

(Khalil Gibran)
 
In Rot!!!

Eine rote Eis Box
an der Bar,
Rote Lippen, Blusen
Wangen
Zigarettenstummel
Rot gefärbt im
Aschenbecher
Zigarettenglut
in einer Nacht
die uns zu Asche
verbrennt.

Eine rote Haarsträhne
schweiß getränkt
in Striemen der Lust
Maskerade aller
De Sade.
Marquis wo bist DU?
Das Purpur Cape
eines Römischen
Schwert Zenturio
im Untergang
Von Hammer und Sichel
IN ROT!!!



Lg Hank67
 
Wie er wolle geküsset sein

Nirgends hin als auf den Mund:
da sinkts in des Herzen Grund;
nicht zu frei, nicht zu gezwungen,
nicht mit gar zu fauler Zungen.

Nicht zu wenig, nicht zu viel:
beides wird sonst Kinderspiel.
Nicht zu laut und nicht zu leise:
bei der Maß' ist rechte Weise.

Nicht zu nahe, nicht zu weit:
dies macht Kummer, jenes Leid.
Nicht zu trucken, nicht zu feuchte,
wie Adonis Venus reichte.

Nicht zu harte, nicht zu weich,
bald zugleich, bald nicht zugleich.
Nicht zu langsam, nicht zu schnelle,
nicht ohn' Unterscheid der Stelle.

Halb gebissen, halb gehaucht,
halb die Lippen eingetaucht,
nicht ohn' Unterscheid der Zeiten,
mehr alleine denn bei Leuten.

Küsse nun ein Jederman,
wie er weiß, will, soll und kann!
Ich nur und die Liebste wissen,
wie wir uns recht sollen küssen


Paul Fleming
 
Amor und Psyche auf einem Grabmal von Johann Gottfried von Herder

Ein Traum, ein Traum ist unser Leben
Auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wogen schweben
Und schwinden wir
Und messen unsre trägen Tritte
Nach Raum und Zeit;
Und sind (und wissen's nicht) in Mitte
Der Ewigkeit.

Nach manchem voller Müh und Sehnen
Verseufzten Jahr
Umarmte sich in frohen Thränen
Ein liebend Paar.
Der Mond sah freundlich auf sie nieder;
Ein zarter Ton
Aus allen Büschen hallte wider:
"Endymion!

Ach, daß uns ewig, ewig bliebe
Der Augenblick!
Im ersten holden Kuß der Liebe,
Das reinste Glück!"
Verstummend, halbvollendet weilte
Das süße Wort;
Die Seel' auf Beider Lippen eilte,
Sie eilte fort.

Denn sieh, ein Engel schwebte nieder
Zu ihrem Kuß
(Gold, himmelblau war sein Gefieder),
Ihr Genius.
Berührend sie mit sanftem Stabe,
Sprach er: "Erhört
Ist Euer Wunsch. Dort überm Grabe
Liebt ungestört!"

Entschwungen auf dem Hauch der Liebe,
Im reinsten Glück,
Gewiß, daß ihnen ewig bliebe
Der Augenblick,
Auf amaranthnen Auen schwebte
Das holde Paar
Mit Allem, was je liebt' und lebte
Und glücklich war.

Mit Allem, was in Wunsch und Glauben
Sich je erfreut,
Genossen sie in vollen Trauben
Unsterblichkeit.
Des Weltalls süße Symphonieen
Umtönten sie;
Der Liebe süße Harmonieen
Durchwallten sie.

"Wollt Ihr zurück in jene Ferne
Auf Euer Grab?"
Sie sahn vom Himmel goldner Sterne
Zur Erd' hinab.
"O Genius, die Zeit danieden
Ist träge Zeit;
Ein Augenblick hier giebt uns Frieden
Der Ewigkeit."

Sahst Du auf jenem Grabeshügel
Die Liebenden?
Der erste Kuß gab ihnen Flügel,
Den Seligen.
Und daß ein Bild von ihnen bliebe
Im ew'gen Kuß,
Verewigte hier Seel' und Liebe
Der Genius.
 
Der Kuß im Traume von Karoline Günderode

Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht,
Gestillet meines Busens tiefstes Schmachten.
Komm, Dunkelheit! mich traulich zu umnachten,
Daß neue Wonnen meine Lippe saugt.

In Träume war solch Leben eingetaucht,
Drum leb' ich, ewig Träume zu betrachten,
Kann aller andern Freuden Glanz verachten,
Weil nur die Nacht so süßen Balsam haucht.

Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen,
Es schmerzt mich seines Lichtes eitles Prangen
Und mich verzehren seiner Sonne Gluthen.

Drum birg dich Aug' dem Glanze ird'scher Sonnen!
Hüll' dich in Nacht, sie stillet dein Verlangen
Und heilt den Schmerz, wie Lethes kühle Fluthen.
 
Der Ästhet

Wenn ich sitze, will ich nicht
sitzen, wie mein Sitz-Fleisch möchte,
sondern wie mein Sitz-Geist sich,
säße er, den Stuhl sich flöchte.


Der jedoch bedarf nicht viel,
schätzt am Stuhl allein den Stil,
überläßt den Zweck des Möbels
ohne Grimm der Gier des Pöbels.

(Christian Morgenstern)
 
Sehnsucht von Otto Julius Bierbaum

Wie eine leise Glocke klingt
Die Sehnsucht in mir an;
Weiß nicht, woher, wohin sie singt,
Weil ich nicht lauschen kann.

Es treibt das Leben mich wild um,
Dröhnt um mich mit Gebraus,
Und mählich wird die Glocke stumm,
Und leise klingt sie aus.

Sie ist nur für den Feiertag
Gemacht und viel zu fein,
Als daß ihr bebebanger Schlag
Dräng in die Lärmluft ein.

Sie ist ein Ton von dorten her,
Wo alles Feier ist;
Ich wollte, daß ich dorten wär,
Wo man den Lärm vergißt.
 
Auch
was auf der Hand liegt
muß ich aus der Hand
zu geben bereit sein
und muß wissen
wenn ich liebe
daß es wirklich
die Liebe zu dir ist
und nicht nur die Liebe zur Liebe zu dir
und daß ich nicht
eigentlich etwas Uneigentliches will
Aber solange ich atme
will ich
wenn ich den Atem anhalte
deinen Atem noch spüren
in mir

Erich Fried
 
Zurück
Oben