Eure Lieblingsgedichte/Texte

Man nehme 12 Monate, putze sie sauber von Neid, Bitterkeit, Geiz, Pedanterie und zerlege sie in 30 oder 31 Teile, so daß der Vorrat für ein Jahr reicht. Jeder Tag wird einzeln angerichtet aus 1 Teil Arbeit und 2 Teilen Frohsinn und Humor. Man füge 3 gehäufte Eßlöffel Optimismus hinzu, 1 Teelöffel Toleranz, 1 Körnchen Ironie und 1 Prise Takt. Dann wird die Masse mit sehr viel Liebe übergossen. Das fertige Gericht schmücke man mit Sträußchen kleiner Aufmerksamkeiten und serviere es täglich mit Heiterkeit.

Catharina Elisabeth Goethe
 
Erich Fried

An eine Nervensäge

Mit deinen Problemen
heißt es
bist du
eine Nervensäge

Ich liebe die Spitze
und Schneide
von jedem Zahn
dieser Säge
und ihr blankes Sägeblatt
und auch ihren runden Griff
 
Erich Fried

Angst und Zweifel

Zweifle nicht
an dem
der dir sagt
er hat Angst

aber hab Angst
vor dem
der dir sagt
er kennt keinen Zweifel
 
Früher trieben wir die Zeit
Ungeduldig vor uns her
Heute scheint mir, rennen wir
Uns'ren Jahren hinterher
Und letztendlich fragst du dich
Wie unentbehrlich ist sie noch für dich?

Wie die Erde den Regen
Wie die Möwe den Wind
Wie der Sünder den Segen
Wie die Mutter ihr Kind
Wie ein Bettler Barmherzigkeit braucht
So sehr brauche ich dich

Manchmal träumten wir gemeinsam
Oft nebeneinander her
Heute scheint mir, fällt uns beiden
Träumen schon ein wenig schwer
Und letztendlich fragst du dich
Wie unvergesslich ist sie noch für mich?

Wie der See seinen Fluss liebt
Wie die Nacht ihren Tag
Wie der Mond seine Sonne
Wie das Herz seinen Schlag
Wie die Zeit die Unendlichkeit liebt
So sehr liebe ich dich


Rainhard Fendrich
 
ZUGVOGEL
Du bist in mein Leben geflogen,
wie ein Zugvogel,
der sich auf dem Weg in die Wärme
mit Absicht in der Richtung getäuscht hat.

Und ich,
ich werde fest daran glauben,
daß es mir gelingt,
dich vorm Erfrieren zu bewahren

(Jörn Pfennig)
 
SAG...
Sag deinen Gedanken,
daß ich sie
lesen möchte.
Sag deinen Gefühlen,
daß ich sie
entdecken möchte.
Sag deinem Lächeln,
daß ich schon lange
hinter ihm her bin.
Sag deinem Herzen,
daß ich einen Platz
zum Leben suche.
Sag deinem Wesen,
daß es für mich
wesentlich
geworden ist.
Sag deiner Liebe,
daß ich
nicht genug bekommen kann
von ihr.

(Ernst Ferstl)
 
Ein alter Meister hatte sich entschieden, nicht mehr zu kämpfen.
Trotzdem wurde er von einem jungen Krieger herausgefordert.
Der Meister saß nur da und reagierte nicht.
Daraufhin versuchte der Krieger, ihn zu provozieren.
Er beleidigte ihn und seine Vorfahren aufs Heftigste.
Geduldig ertrug der Meister die Beschimpfungen; schließlich entfernte sich der Krieger frustriert.
Die Schüler des Meisters konnten nicht verstehen, dass er sich nicht gewehrt hatte; sie schämten sich seiner sogar.
Daraufhin fragte der Meister:
"Wenn euch jemand ein Geschenk machen will, und ihr nehmt es nicht an, wem gehört es dann?"
Die Schüler antworteten:
"Natürlich immer noch demjenigen, der es verschenken wollte."
Der Meister fuhr fort:
"So ist es auch mit Neid, Ärger, Angst, Sorgen, Wut und Hass.
Wenn wir sie nicht annehmen, bleiben sie bei dem anderen."
 
When I was 5 years old, my mother always told me that happiness was the key to life.
When I went to school, they asked me what I wanted to be when I grew up.
I wrote down "happy".
They told me I didn’t understand the assignment, and I told them they didn’t understand life.

(John Lennon)
 
Ja hier erzählt man sich die Geschichte von der unbeugsamen siebenten Welle.
Die ersten sechs sind berechenbar und ausgewogen. Sie bedingen einander, bauen aufeinander auf, bringen keine Überraschungen. Sie halten die Kontinuität. Sechs Anläufe, so unterschiedlich sie aus der Ferne betrachtet auch wirken, sechs Anläufe - und immer das gleiche Ziel.

Aber Achtung vor der siebenten Welle! Sie ist unberechenbar. Lange Zeit ist sie unauffällig, spielt im monotomen Ablauf mit, passt sich an ihre Vorgängerinnen an. Aber manchmal bricht sie aus. Immer nur sie, immer nur die siebente Welle. Denn sie ist unbekümmert, arglos, rebellisch, wischt über alles hinweg, formt alles neu. Für sie gibt es kein Vorher, nur ein Jetzt. Und danach ist alles anders.

Ob besser oder schlechter? Das können nur jene beurteilen, die von ihr erfasst worden sind, die den Mut gehabt haben, sich ihr zu stellen, sich in ihren Bann ziehen zu lassen.
 
Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss, wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der wird zur Pflanze, wenn er will,
zum Tier, zum Narr, zum Weisen,
und kann in einer Stunde
durchs ganze Weltall reisen.

Er weiss, dass er nichts weiss,
wie alle andern auch nichts wissen,
nur weiss er was die anderen
und er noch lernen müssen.

Wer in sich fremde Ufer spürt,
und Mut hat sich zu recken,
der wird allmählich ungestört,
von Furcht sich selbst entdecken.

Abwärts zu den Gipfeln
seiner selbst blickt er hinauf,
den Kampf mit seiner Unterwelt,
nimmt er gelassen auf.

Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiss wie Wolken schmecken,
der wird im Mondschein,
ungestört von Furcht,
die Nacht entdecken.

Der mit sich selbst in Frieden lebt,
der wird genauso sterben,
und ist selbst dann lebendiger,
als alle seine Erben.

Novalis
 
Wer Schmetterlinge lachen hört...

Novalis

wunderbares Gedicht, erinnert mich gefühlsmäßig an eines meiner Liebsten von Rilke


Du musst das Leben nicht verstehen von Rilke

Du musst das Leben nicht verstehen,
dann wird es werden wie ein Fest.
Und lass dir jeden Tag geschehen
so wie ein Kind im Weitergehen von jedem Wehen
sich viele Blüten schenken lässt.

Sie aufzusammeln und zu sparen,
das kommt dem Kind nicht in den Sinn.
Es löst sie leise aus den Haaren,
drin sie so gern gefangen waren,
und hält den lieben jungen Jahren
nach neuen seine Hände hin.
 

[FONT=Comic Sans MS,Tekton,Blueprint,Dom Casual,Dom Casual BT,cursive][SIZE=+3]Die
Nacht auf der Insel

[/SIZE][/FONT][FONT=Comic Sans MS,Tekton,Blueprint,Dom Casual,Dom Casual BT,cursive][/FONT]
[FONT=Comic Sans MS,Tekton,Blueprint,Dom Casual,Dom Casual BT,cursive]Die ganze
Nacht hab ich geschlafen mit Dir,
nahe dem Meer, auf der Insel.
Wild und
lieblich warst Du im Wechsel von Lust und Schlaf,
im Wechsel von Feuer und
Wasser.

Vielleicht vereinten sich
spät, sehr spät unsere
Träume,
hoch droben oder tief drunten,
in der Höhe wie Zweige, vom selben
Wind bewegt,
in der Tiefe wie rote Wurzeln, einander
berührend.

Vielleicht trennte sich
Dein Traum von dem meinen
und
suchte mich
auf dem dunklen Meer
wie einstens,
als es Dich noch nicht
gab,
als ich, ohne Dich zu gewahren,
dicht an Dir vorüberfuhr,
und
Deine Augen suchten,
was ich nunmehr
- Brot, Wein, Liebe und Zorn -
mit
vollen Händen Dir gebe,
denn Du bist der Becher,
wartend auf die Gaben
meines Lebens.

Ich habe mit Dir geschlafen
die ganze Nacht,
während
die dunkle Erde sich drehte
mit Lebenden und mit Toten,
und
beim Erwachen, jählings,
inmitten der Dunkelheit
umfaßte mein Arm Deine
Hüfte.
Weder die Nacht noch der Traum
konnten uns beide
trennen.

Ich hab mit Dir geschlafen,
und beim Erwachen gab Dein
Mund,
eben dem Traum entkommen,
mir den Geschmack von Erde,
von
Meereswasser, von Algen,
vom Grund Deines eignen Lebens,
und ich erhielt
einen Kuß,
benetzt von der Morgenröte,
als käme er mir vom Meer,
das
hier uns umspült.


(Pablo Neruda)

[/FONT]​
 
Kind, spiele!

Kind, spiele!
Spiele Kutscher und Pferd!
Trommle! — Baue dir viele
Häuser und Automobile!
Koche am Puppenherd!
Zieh deinen Püppchen die Höschen
Und Hemdchen aus!
Male dann still!
Spiele Theater: „Dornröschen“
Und „Kasperl mit Schutzmann und Krokodil!“

Ob du die Bleisoldaten
Stellst in die fürchterliche Schlacht,
Ob du mit Hacke und Spaten
Als Bergmann Gold suchst
im Garten im Schacht,
Ob du auf eine Scheibe
Mit deinem Flitzbogen zielst,
Spiele! — Doch immer bleibe
Freundlich zu allem, womit du spielst.
Weil alles (auch tote Gegenstände)
Dein Herz mehr ansieht als deine Hände.


Und weil alle Menschen (auch du, mein Kind)
Spielzeug des lieben Gottes sind.

(Joachim Ringelnatz)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
das hatten wir bei unserer letzten weihnachtsfeier. ((ohne chef natürlich:nono:)):mrgreen:


Der Boss (im Körper?)
(eingesandt von Monja/Wizo)
Als der menschliche Körper erschaffen wurde, wollten alle Teile des Körpers der Boss über die anderen sein.

Ein Körper hatte Langeweile
da stritten sich die Körperteile
gar heftig und mit viel Geschrei,
wer wohl der Boss von ihnen sei.

Ich bin der Boss - sprach das Gehirn,
ich sitz' ganz hoch hinter der Stirn,
muss stets denken und euch leiten.
Ich bin der Boss, wer will's bestreiten?

Die Beine sagten halb im Spaße,
"Gib nicht so an, du weiche Masse!
Durch uns der Mensch sich fortbewegt,
ein Mädchenbein den Mann erregt,
der Mensch wirkt doch durch uns erst groß,
ganz ohne Zweifel, wir sind der Boss!"

Die Augen funkelten und sprühten,
"Wer soll euch vor Gefahr behüten,
wenn wir nicht ständig wachsam wären?
Uns sollte man zum Boss erklären."

Das Herz, die Nieren und die Lunge,
die Ohren, Arme und die Zunge,
ein jeder legte schlüssig dar:
"Der Boss bin ich - das ist doch klar!"

Selbst Penis strampelte keck sich bloß
und rief entschlossen: "Ich bin der Boss!"
Die Menschheit kann mich niemals missen,
denn ich bin nicht nur da zum Pissen."

Bevor man die Debatte schloss,
da furzt das Arschloch: "Ich bin Boss!"
Hei, wie die Konkurrenten lachten
und bitterböse Späße machten.

Das Arschloch darauf sehr verdrossen
hat zielbewusst sich fest verschlossen -
es dachte konsequent bei sich:
"Die Zeit, sie arbeitet für mich.
Wenn ich mich weigere zu scheißen,
werd' ich die Macht schon an mich reißen."

Schlaff wurden Penis, Arme, Beine,
die Galle produzierte Steine,
das Herz, es stockte schon bedenklich,
auch das Gehirn fühlte sich kränklich.

Das Arschloch war nicht zu erweichen,
ließ hier und da ein Fürzchen streichen.
Zum Schluss, da sahen's alle ein:
"Der Boss kann nur das Arschloch sein!"

Und die Moral von der Geschicht:
Mit Fleiß und Arbeit schafft man's nicht.
Um Boss zu werden hilft allein,
ein Arschloch von Format zu sein,
das mit viel Lärm und ungeniert
nichts - als nur Scheiße produziert



hab ich von da: http://www.lustigestories.de/stories/boss.phphttp://www.lustigestories.de/stories/boss.php

war ja auch irgendwie ganz treffend... :lol:
 
Sachliche Romanze

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut),
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wußten
nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach Vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch
Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sie
sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.


Erich Kästner
 
Du musst das Leben nicht verstehen von Rilke

Das mag ich auch tooootal gern. Und was sie im Rilke Project daraus gemacht haben, auch :)

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Danach
Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen –
da hat sie nu den Schentelmen.

Na, un denn –?
Denn jehn die beeden brav ins Bett.
Na ja ... diß is ja auch janz nett.

A manchmal möcht man doch jern wissn:
Wat tun se, wenn se sich nich kissn?
Die könn ja doch nich imma penn ... !

Na, un denn –?
Denn säuselt im Kamin der Wind.
Denn kricht det junge Paar 'n Kind.
Denn kocht sie Milch. Die Milch looft üba.
Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba.
Denn wolln sich beede jänzlich trenn ...

Na, un denn –?
Denn is det Kind nich uffn Damm.
Denn bleihm die beeden doch zesamm.
Denn quäln se sich noch manche Jahre.

Er will noch wat mit blonde Haare:
vorn doof und hinten minorenn ...

Na, un denn –?
Denn sind se alt.
Der Sohn haut ab.
Der Olle macht nu ooch bald schlapp.

Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit –
Ach, Menschenskind, wie liecht det weit!
Wie der noch scharf uff Muttern war,
det is schon beinah nich mehr wahr!

Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch un Langeweile.

Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.


Kurt Tucholsky
 
Schöne


Schöne,
wie im kühlen Gestein
das Wasser des Quells
als ein üppiger Blitz aus Gischt entspringt,
so ist das Lächeln in deinem Gesicht,
du Schöne.


Schöne,
mit feinen Händen und schlanken Füßen
wie ein Silberpferdchen,
leichten Ganges, Blüte der Welt,
so sehe ich dich,
du Schöne.


Schöne,
mit einem kupfernen Wuschelnest
auf deinem Kopf, einem Nest
von der Farbe dunklen Honigs,
worin mein Herz lodert und ruht,
du Schöne.



Schöne,
deine Augen haben nicht Raum genug in deinem Gesicht,
nicht Raum genug auf der Erde.
Länder gibt es, Flüsse gibt es
in deinen Augen,
mein Vaterland ist in deinen Augen,
ich durchwandere sie,
sie spenden Licht der Welt,
die ich durchwandere,
du Schöne.



Schöne,
deine Brüste sind wie zwei Brote,
aus Kornerde und Goldmohn gemacht,
du Schöne.



Schöne,
deine Taille,
sie wurde geformt von meinem Arm,
wie von einem Fluß, der tausend Jahre lang
deinen lieblichen Leib umströmte,
du Schöne.



Schöne,
nichts läßt sich vergleichen mit deinen Hüften,
vielleicht hat die Erde
irgendwo an geheimem Ort
die Wölbung und den Duft deines Körpers,
irgendwo vielleicht,
du Schöne.



Schöne, meine Schöne,
deine Stimme, deine Haut, deine Nägel,
Schöne, meine Schöne,
dein Sein, dein Licht, dein Schatten,
Schöne,
dies alles ist mein, Schöne,
all dies ist mein, du Meine,
wenn du gehst oder ruhst,
wenn du singst oder schläfst,
wenn du leidest oder träumst,
immer,
wenn du nahe bist oder fern,
immer
bist du mein, meine Schöne,
immer.



Pablo Neruda (1904-1973)
 
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