Eure Lieblingsgedichte/Texte

Aus der Zeit wollt ihr einen Strom machen, an dessen Ufern ihr sitzt und zuschaut, wie er fließt.
Doch das Zeitlose in euch ist sich der Zeitlosigkeit des Lebens bewußt
Und weiß, daß Gestern nichts anderes ist, als die Erinnerung von Heute
und Morgen der Traum von Heute.

Khalil Gibran, Der Prophet
 

Die Wollust

Die Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit,
Was kan uns mehr, denn sie, den Lebenslauf versüssen?
Sie lässet trinckbar Gold in unsre Kehle fliessen,
Und öffnet uns den Schatz beperlter Liebligkeit,
In Tuberosen kan sie Schnee und Eis verkehren,
Und durch das gantze Jahr die Frühlings-Zeit gewehren.

Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an,
Sie schenkt uns ungespart den Reichtum ihrer Brüste,
Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste,
Wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kan.
Sie legt als Mutter uns die Wollust in die Armen,
Und läßt durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen.

Nur das Gesetze wil allzu Tyrannisch seyn,
Es zeiget iederzeit ein widriges Gesichte,
Es macht des Menschen Lust und Freyheit gantz zunichte,
Und flöst für süssen Most uns Wermuthtropffen ein;
Es untersteht sich uns die Augen zu verbinden,
Und alle Liebligkeit aus unser Hand zu winden.

Die Ros' entblösset nicht vergebens ihre Pracht,
Jeßmin will nicht umsonst uns in die Augen lachen,
Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen,
Der ist sein eigen Feind, der sich zu Plagen tracht;
Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen will erwehlen,
Dem muß es an Verstand und reinen Sinnen fehlen.

Was nutzet endlich uns doch Jugend, Krafft und Muth,
Wenn man den Kern der Welt nicht reichlich will genüssen,
Und dessen Zucker-Strom läßt unbeschifft verschüssen,
Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Gut,
Wer hier zu Seegel geht, dem wehet das Gelücke,
Und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke.

Wer Epicuren nicht für seinen Lehrer hält,
Der hat den Welt-Geschmack und allen Witz verlohren,
Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkohren,
Er mus ein Unmensch seyn und Scheusaal dieser Welt;
Der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmertzen,
Was Epicur gelehrt, das kitzelt noch die Hertzen.



Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau
 
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Auszug aus Geschichte in der Dämmerung von Stefan Zweig

...Und da plötzlich huscht die weiße Gestalt die Treppe hinab, rasch, viel zu rasch, als daß er sie erkennen könnte.
Ein Mondschweif scheint sie oder ein verlorener, wehender Schleier zwischen den Bäumen, vom schnellen Wind
hergejagt und jetzt, jetzt in seine Arme, die sich um diesen wilden, vom hastigen Laufe erhitzt pochenden Leib
gierig schließen wie eine Kralle. Wie gestern ist es wieder ein einziger Augenblick, da diese warme Welle unvermutet
an seine Brust schlägt, daß er ohnmächtig zu werden glaubt von ihrem süßen Schlag und nur so hinströmen will,
verfluten in eine finstere Lust. Aber dann erlischt jäh der Rausch, und er hält seine Glut zurück. Nein, sich nicht
verlieren in diese wunderbare Wollust, nicht sich hingeben an diese saugenden Lippen, ehe zu wissen, welchen
Namen dieser Körper trägt, der sich so eng an ihn drängt, daß es ihm ist, als poche dieses fremde laute Herz in
seiner eigenen Brust! Er beugt den Kopf vor ihrem Kusse zurück, um das Gesicht zu sehen: aber Schatten fallen
herab und mischen sich im unsicheren Lichte dem dunklen Haar. Zu dicht ist das Baumgewirr und zu matt das
Licht des wolkenumschleierten Mondes. Nur die Augen sieht er glimmend leuchten, glühende Steine, irgendwo tief
in den mattglänzenden Marmor eingesprengt.
Da will er ein Wort hören, nur einen losgerissenen Splitter ihrer Stimme. "Wer ist du, sag mir, wer bist du?" verlangt
er. Aber dieser weiche, feuchte Mund hat nur Küsse, keine Worte. Da will er ein Wort erpressen, einen Schrei des
Schmerzes, er zerdrückt den Arm, bohrt seine Nägel tief in das Fleisch, aber bloß Keuchen fühlt er aus seiner
angespannten Brust, erhitzten Atem und die Schwüle der hartnäckig stummen Lippen, die nur manchmal leise
stöhnen, er weiß nicht, ob in Schmerz oder Wollust. Und das macht ihn wahnsinnig, daß er keine Kraft hat über
diesen trotzigen Willen, daß diese Frau aus dem Dunkel ihn nimmt, ohne sich im zu verraten, daß er unbegrenzte
Macht hat über ihren begehrenden Körper und nicht Herr ist ihres Names...
 
Wollen

Bei Dir sein wollen
Mitten aus dem was man tut
weg sein wollen
bei Dir verschwunden sein

Nichts als bei Dir
näher als Hand an Hand
enger als Mund an Mund
bei Dir sein wollen

In Dir zärtlich zu Dir sein
Dich küssen von außen
und Dich streicheln von innen
so und so und auch anders

Und Dich einatmen wollen
immer nur einatmen wollen
tiefer und tiefer
und ohne Ausatmen trinken

Aber zwischendurch Abstand suchen
um Dich sehen zu können
aus ein, zwei Handbreit Entfernung
und dann Dich weiterküssen

(Erich Fried)
 
aus Verwirrung der Gefühle von Stefan Zweig

Seit jenem Abend, wo dieser verehrteste Mann mir sein Schicksal wie eine harte Muschel aufschloß, seit jenem Abend vor vierzig Jahren scheint mir noch immer alles spielhaft und belanglos, was unsere Schriftsteller und Dichter in Büchern als außerordentlich erzählen, was Schauspiele auf der Bühne als tragisch maskieren.
Ist es Bequemlichkeit, Feigheit oder ein zu kurzes Gesicht, daß sie alle immer nur den obern erhellten Lichtrand des Lebens zeichnen, wo die Sinne offen und gesetzhaft spielen, indes unten in den Kellergewölben, in den Wurzelhöhlen und Kloaken des Herzens phorsphorhaft funkelnd die wahren, die gefährlichen Bestien der Leidenschaft umfahren, im Verborgenen sich paarend und zerfleischend in allen phantastischen Formen der Verstrickung?
Schreckt sie der Atem, der heiße und zehrende der dämonischen Triebe, der Dunst des brennenden Blutes, fürchten sie die Hände zu schmutzen, die allzu zarten ab den Schwären der Menschheit, oder findet ihr Blick, an mattere Helligkeiten gewöhnt, nicht hinab diese glitschigen, gefährlichen, von Fäulnis triefenden Stufen? Und doch ist dem Wissenden keine Lust gleich als jene am Verborgenen, kein Schauer so urmächtig stark, als der das Gefährliche umfröstelt, und kein Leiden heiliger, als das sich aus Scham nicht zu entäußern vermag.
 
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Ich hab vor einigen Jahren damit begonnen Geschichten zu sammeln die mich
zum grübeln brachten mir halfen oder mich einfach nur ein Lächeln ins Gesicht zauberten
dies hier ist eine von ihnen. Leider ist mir der Autor bis heute unbekannt.


Es kam der Tag, da sagte das Zündholz zur Kerze:
"Ich habe den Auftrag, dich anzuzünden."

"Oh nein", erschrak die Kerze, "nur das nicht. Wenn ich brenne, sind meine Tage gezählt.
Niemand wird meine Schönheit mehr bewundern."

Das Zündholz fragte: "Aber willst du denn ein Leben lang kalt und hart bleiben,
ohne zuvor gelebt zu haben?"

"Aber brennen tut doch weh und zehrt an meinen Kräften",
flüstert die Kerze unsicher und voller Angst.

"Es ist wahr", entgegnete das Zündholz. "Aber das ist doch das Geheimnis unserer Berufung:
Wir sind berufen, Licht zu sein. Was ich tun kann, ist wenig.Zünde ich dich nicht an,
so verpasse ich den Sinn meines Lebens. Ich bin dafür da, Feuer zu entfachen.
Du bist eine Kerze. Du sollst für andere leuchten und Wärme schenken. Alles, was du an Schmerz
und Leid und Kraft hingibst, wird verwandelt in Licht. Du gehst nicht verloren, wenn du dich verzehrst.
Andere werden dein Feuer weitertragen. Nur wenn du dich versagst, wirst du sterben."

Da spitzte die Kerze ihren Docht und sprach voller Erwartung: "Ich bitte dich, zünde mich an!"
 
aus Richard II. von Shakespeare

I have been studying how I may compare
This prison where I live unto the world:
And for because the world is populous
And here is not a creature but myself,
I cannot do it; yet I'll hammer it out.
My brain I'll prove the female to my soul,
My soul the father; and these two beget
A generation of still-breeding thoughts,
And these same thoughts people this little world,
In humours like the people of this world,
For no thought is contented.
 
Ich hoffe, dass auch etwas erotische Texte in diesem Thread zulässig sind.... ;)


Diese Macht über dich

Stehe ganz nah vor dir, heute will ich es dir sagen:
Atme mich ganz tief ein, wie ein kostbares Parfum.
Heute will ich dir nur geben, möchte dich lieben
in dieser Nacht und fühle deine Erregung so stark.
Lege dich hin, die Hände nach oben................
- nein - fass mich nicht an -

Ich presse mich an dich und spüre dich hart,
an meiner Haut so nah, sprich nicht, sag kein Wort.
Bleib einfach vor mir liegen, vertrau mir heute Nacht.
Ich setze mich langsam auf deine Schenkel,
die Haare im Gesicht, die Brüste vor Lust hart gespannt
- nein - berühre mich nicht -

Oh, wie du reagierst, ich höre dich atmen,
komme dir leicht entgegen, harte Knospen an deinem Mund.
Fühle wohlig erschauernd deine saugenden Lippen,
so zart und so feucht, genieße ich,
was du da entfachst bis tief unten
strömende Gefühle in lustvollen Lenden -
nein - fass mich nicht an -

bleib so wie du bist...pscht.....sag nicht ein Wort,
ich richte mich auf und die feuchten Spuren
deines Mundes auf mir, spürend, ich bin so bereit
Für deine starke Härte. Deine Augen auf mir,
so voller Begehren, und Blicke sehen uns schon vereint
bevor es passiert............
- nein - berühre mich nicht -

Zärtlichkeit im keuchenden Atem,
ich streichle und küsse dich.
Sauge mich sachte fest an deiner Härte
Die doch so zart und ich genieße so sehr
Diese Macht über dich.....................
Das feste Fleisch voll Lust in meinen streichelnden Händen
Gefolgt von meinem küssenden Mund
- Nein - fass mich nicht an -

Schmecke dich so voll Genuss,
spür, wie dein Duft mich erregt
Und wie ich genieße, mich dir auch so zu geben.
Und langsam gleite ich über dich, verharre ein wenig - Sekunden -
So kostbar ausgefüllt von dir,
so warm und feucht dich aufzunehmen...............
- nein - berühre mich nicht -

Langsamer Rhythmus der Liebe berauscht unsere Sinne
und dein leises Stöhnen erregt nur noch mehr.
Schneller und schwerer der Atem, ich flüstere dir zu,
was ich fühle, fordere mehr mit meinen Worten........
- nein - fass mich nicht an -

ich fühle dein erregendes und steigendes Begehren
fast schon unerträgliches Gefühl, gebe dir alles
und nehme, bewege mich schneller auf dir
------------oh, diese Macht über dich-------------
Dir das, mich so zu geben, und hart und zärtlich fordernd
Ausgefüllt, so gleite ich auf dir
- nein - berühre mich nicht -- noch nicht -

und zu merken, wie du dich in mir ergießt,
pochend pulsierende Wellen, Explosion der Ekstase
mit allen Sinnen, schreiend , was wir fühlen,
aus einem stillen Abgrund gehoben in leuchtendes Sternenlicht,
langsam ausklingende zärtliche Leidenschaft.........
- nimm mich nun in den Arm -

Heißer Atem, langsam ruhiger werdend, eng umschlungen
der Duft unserer Liebe ist noch im Raum.
Ein zärtlicher Kuss im Schein der kleinen Lampe,
kuschelnd aneinander geschmiegt, noch nackt und verschwitzt,
Deine Nähe, beruhigend und wärmend,
leises hineingleiten in einen sanften Schlaf,
noch träumend von dieser süßen Macht über dich...
 
Wie man einen Vogel malt
Male zuerst einen Käfig
mit einer offenen Tür
dann male
irgend etwas Hübsches
irgend etwas Einfaches
irgend etwas Schönes
irgend etwas Nützliches
was nun für den Vogel angeht
dann lehne die Leinwand an einen Baum
in einem Garten
in einem Wäldchen
verbirg dich hinter dem Baum
ohne zu sprechen
ohne dich zu rühren...
Bisweilen kommt der Vogel bald
aber er kann ebensogut viele Jahre brauchen
bis er sich dazu entschließt
Verlier nicht den Mut warte
warte wenn´s sein muß jahrelang
der rasche oder langsame Anflug des Vogels
hat nichts zu tun
mit dem Gelingen des Bildes
Wenn der Vogel kommt
falls er kommt
so sei ganz still
warte bis der Vogel in den Käfig schlüpft
und wenn er hineingeschlüpft ist
schließe mit dem Pinsel leise die Tür
dann
tilge nacheinander die Gitterstäbe aus
wobei du keine einzige Feder des Vogels berühren darfst
Sodann male den Baum
und wähle den schönsten seiner Äste
für den Vogel
male auch das grüne Laub und den frischen Wind
den Sonnenstaub
und das Gesumm der Grastiere in der Sommerglut
und dann warte ob der Vogel sich entschließt zu singen
Wenn der Vogel nicht singt
so ist es ein schlechtes Zeichen
Ein Zeichen das das Bild schlecht ist


Aber wenn er singt ist es ein gutes Zeichen
ein Zeichen daß du das Bild mit deinem Namen zeichnen darfst
dann zupfst du ganz sacht
eine Feder aus dem Vogelgefieder
und schreibst in eine Ecke des Bildes deinen Namen nieder.

(Jacques Prévert)
 
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Der Werwolf
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: »Bitte, beuge mich!«

Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:

»Der Werwolf«, sprach der gute Mann,
»des Weswolfs, Genitiv sodann,
dem Wemwolf, Dativ, wie man's nennt,
den Wenwolf, — damit hat's ein End.«

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
»Indessen«, bat er, »füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!«

Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gab's in großer Schar,
doch "Wer" gab's nur im Singular.

Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.

(Christian Morgenstern)
 
Jaques Prévert - das erinnert mich an die Kinder, die sich lieben....

Die Kinder die sich lieben

Die Kinder die sich lieben umarmen sich im Stehn
Vor den Türen der Nacht
Und die Passanten, die vorbeigehen, zeigen mit den Fingern auf sie
Aber die Kinder die sich lieben
Sind für niemanden da
Und es ist nur ihr Schatten
Der da zittert in der Nacht
Der den Zorn der Passanten entfacht
Ihren Zorn, ihr Mißfallen, ihr Lachen und ihren Neid
Die Kinder die sich lieben sind für niemanden da
Sie sind woanders sehr viel ferner als die Nacht
Und sehr viel höher als der Tag
Weitab vom ganzen Weltgetriebe
Im hellen Glanz ihrer ersten Liebe.
 
Nun, dann gleich nochmals Prévert :)


BLUTORANGE

Der Reißverschluß ist über deine Hüften hingeglitten
das Glücksgewitter deines liebesdurst'gen Leibes
mit seiner schönen Schattenmitte
ist plötzlich ausgebrochen
Und als dein Kleid auf das gebohnerte Parkett
herabfiel hat es nicht mehr Lärm gemacht
wie wenn ein Stück Orangenschale auf den Teppich fällt
Doch unter unsern Füßen krachten
die kleinen Knöpfe aus Perlmutt wie Kerne

Blutorange
schöne Frucht
die Spitze deiner Brust
hat eine neue Linie des Glücks
ins Innre meiner Hand gezogen
Blutorange
schöne Frucht

Sonne der Nacht
 
Ein Frühlingswind von Rilke

Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
vor dem wir glühen werden -: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.

Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.

.... Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über uns hinaus
 
Liebeslied von Rilke

Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.

Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
 
Hat mir Jupiter-X heute auf meiner Seite hinterlassen. Ich mag es sehr gern und teile es gerne mit euch. Danke Jupiter-X, dass du mich an diesen schönen Text erinnert hast.


Tristan und Isolde in der Minnegrotte

Die beiden sahn einander an,
Und davon lebten Weib und Mann.
Die Ernte, die das Auge trug,
Bot ihnen Speis und Trank genug;
Da schlürften alle Sinne
Nur hohen Mut und Minne.
Die Hausgenossenschaft im Wald,
Die war um ihren Unterhalt
In gar geringen Sorgen.
Sie trugen ja verborgen
Zu allen Stunden im Gewand
Die beste Speise gleich zur Hand,
Die man auf Erden haben kann;
Die bot von selbst sich ihnen an
Und immer frisch aufs neue:
Das war die reine Treue,
Die balsamkräftge Minne,
Dem Leibe und dem Sinne
Ein innig Glück, ein guter Geist,
Die Herz und Mut mit Freuden speist;
Die war ihr bestes Labsal dort.
Ja, selten nahmen sie hinfort
Sonst einer Speise wahr als der,
Woran das Herze sein Begehr,
Das Auge seine Wonne sah
Und auch dem Leib sein Recht geschah.
So hatten beide denn genug.
Die Liebe zog mit ihrem Pflug
Vor ihnen her auf allen Schritten
Als Baumann durch der Wildnis Mitten,
Um ihnen stets aus vollen Händen
Des Lebens Überfluß zu spenden.

Gottfried von Straßburg, in der Übersetzung von Wilhelm Hertz
 
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Weg im Nebel von Maria Luise Weissmann

Nun wird die Spur der Füße langsam ungetan,
Und aus der Tiefe, aus der tiefen Tiefe steigt
Das Trübe, schwadengrauer Nebel himmelan.

Nun wird der Augen-Aufblick langsam leer,
Und aus der Höhe, aus der hohen Höhe neigt
Die Wolke sich, sinkt Nebel erdwärts schwer.

Nun drängt zu dem verwandten Un-Gesicht
Das Wesenlose aus den fahlen Gründen
Und hebt sich sehnend ins versäumte Licht.

Nun flieht, was war: es fliehen Busch und Baum,
Flieh'n Berg und Tal, die sich zur Flucht verbünden,
Es fliehst du, Herz. Es floh'n die Zeit, der Raum.

Land wurde Meer. Meer wurde schwälend Schaum.
Ihn schlürft, sich fröstelnd zu entzünden,
Das ungelebte Leben und der ungeträumte Traum.
 
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