Eure Lieblingsgedichte/Texte

Hat mir mein Vater als ich ein 8jähriger Bub war in's Stammbüchl geschrieben. Heut kann ich was anfangen damit. c.u. später mal Dad ... :) :bussal:

Feiger Gedanken
Bängliches Schwanken,
Weibisches Zagen,
Ängstliches Klagen
Wendet kein Elend,
Macht dich nicht frei.

Allen Gewalten
Zum Trutz sich erhalten,
Nimmer sich beugen,
Kräftig sich zeigen,
Rufet die Arme
Der Götter herbei!


Johann Wolfgang Goethe
 
Hallo,
seit ich kenne und immer wieder wenn ich lese, bewundere diesen Gedicht:

Müsset im Naturbetrachten
immer eins wie alles achten.

Nichts ist drinnen, nichts ist draußen,
denn, was innen ist, ist außen.

So ergreifet ohne Säumnis
heilig öffentlich Geheimnis.

Freuet euch des wahren Scheins,
auch des ernsten Spiels:
kein lebendiger ist eins,
immer ist´s ein vieles.

j.w. v. goethe​

 
Danke, LaFemme! Und wo Ingeborg Bachmann ist, darf mein über alles geliebter Paul Celan nicht fehlen...

:daumen: Ich habe einige Seiten vorher auch schon seine Todesfuge gepostet ;)

und jetzt eines von Heinrich Heine, dessen Beginn beinahe jeder kennt... hier mal als Ganzes:

Nachtgedanken

Denk ich an Deutschland in der Nacht,
Dann bin ich um den Schlaf gebracht,
Ich kann nicht mehr die Augen schließen,
Und meine heißen Tränen fließen.
Die Jahre kommen und vergehn!
Seit ich die Mutter nicht gesehn
Zwölf Jahre sind schon hingegangen,
Es wächst mein Sehnen und Verlangen.
Mein Sehnen und verlangen wächst.
Die alte Frau hat mich behext,
Ich denke immer an die alte,
Die alte Frau, die Gott erhalte!
Die alte Frau hat mich so lieb,
Und in den Briefen, die sie schrieb,
Seh' ich wie ihre Hand gezittert,
Wie tief das Mutterherz erschüttert.
Die Mutter liegt mir stets im Sinn,
Zwölf lange Jahre flossen hin,
Zwölf lange Jahre sind verflossen,
Seit ich sie nicht an's Herz geschlossen.
Deutschland hat ewigen Bestand,
Es ist ein kerngesundes Land,
Mit seinen Eichen seinen Linden,
Werd' ich es immer wiederfinden.
Nach Deutschland lechzt' ich nicht so sehr,
Wenn nicht die Mutter dorten wär';
Das Vaterland wird nie verderben,
Jedoch die alte Frau kann sterben.
Seit ich das Land verlassen hab',
So viele sanken dort in's Grab,
Die ich geliebt - wenn ich sie zähle,
So will verbluten meine Seele.
Und zählen muß ich - mit der Zahl
Schwillt immer höher meine Qual,
Mir ist als wälzten sich die Leichen
Auf meine Brust - Gottlob! sie weichen!
Gottlob durch meine Fenster bricht
Französisch heit'res Tageslicht;
Es kommt mein Weib, schön wie der Morgen,
Und lächelt fort die deutschen Sorgen.
 
Das hier ist aus dem wahrscheinlich bekanntesten Werk von H.C. Artmann, verfasst in authentischem Mittelhochbreitenseeerisch (Übersetzung auf Anfrage!) ;)


"a gedicht schreim

nua ka schmoez how e xogt!
nua ka schmoez ned...

reis s ausse dei heazz dei bluadex
und haus s owe iwa r a bruknglanda!
fomiraus auf d fabindunxbaun
en otagring...
daun woat a wäu
bis s da wida zuaqoxn is des loch
des bluadeche untan schilee
und sog:
es woa nix! oda: gemma koed is s ned!

waun s d amoe so weid bist
daun eascht schreib dei gedicht
und ned eea!

nua ka schmoez how e xogt!
nua ka schmoez ned...

heit drogn s as nua z gean
eana heazz (de dichta
de growla de schmoezxön)
bei jeda glengheid
untan linkn goidzaun
oda r iwa n lean briafdaschl
wia r a monogram

waun owa r ana r a gedicht schreim wüü
und iwahaubt no a weanaresch dazua
daun sol a zeascht med sein heazz
med sein bozwachn untan goidzaun
nua recht schnöö noch otagring ausse
oda sunztwo zu an brunknglanda gee!"


Ich sehe das als eine Mahnung, selbst in Augenblicken größter romantischer Verzückung, die Realität nicht ganz aus den Augen zu verlieren...
 
Wir stehen umschlungen im Fenster, sie sehen uns zu von der Straße:
es ist Zeit, daß man weiß!
Es ist Zeit, daß der Stein sich zu blühen bequemt,
daß der Unrast ein Herz schlägt.
Es ist Zeit, daß es Zeit wird.

Es ist Zeit.

:daumen:
Wunderschön, liebe Eiskristall...
 
Ich hab' jetzt nicht alles nachgelesen in den letzten Tagen...

Hattet Ihr Jörn Pfennig schon bei den Zitaten? Ich liebe seine unverschnörkelte, klare Art...

Schon jetzt

Alles hatte Inhalt:
unsere Worte
unsere Blicke
unsere Berührungen.

Reden, das fliesst
Lachen, das hingehört
Schweigen, das lebt.
Vertrautheit
von Anfang an.

Von unseren wenigen
ersten Stunden
wird viel bleiben
und viel
wird daraus werden.

Das erlaube ich mir
zu wissen.
 
Und dann wäre da noch Hans Kruppa, dessen Gedichtbände ich seit Jahren sammele und regelrecht verschlinge. Hier mal eines der eher unbekannten:

Zauberhand

Wenn deine Fingerkuppen
in zartem Geben
über meine Haut streichen
und eine magische Glücksspur
hinter sich lassen,
bin ich ein wahres Kind,
das sich verirrt hatte
und seinen Weg
nach Hause findet,
an deiner Zauberhand.
 
Ich hab' jetzt nicht alles nachgelesen in den letzten Tagen...

Hattet Ihr Jörn Pfennig schon bei den Zitaten? Ich liebe seine unverschnörkelte, klare Art...

ui, ja, den mag ich auch sehr gerne, danke Billi...da stell ich auch gleich noch eines von ihm rein:


An ein gebranntes Kind
(Jörn Pfenning)

Ich bitte dich
mach dich nicht hart
um Verletztungen zu widerstehn.
Sicher, die kleinen Brocken
werden an dir abprallen
doch die großen
könnten dich
zum Einsturz bringen.

Ich bitte dich
mach dich weich
um Verletztungen zu widerstehn.
Sicher, die kleinen Brocken
werden in dich eindringen
und die großen um so tiefer.
Doch sie werden aus dir zurückfedern
nachdem sie dich bereichert haben.
 
Worte sind der Seele Bild

Worte sind der Seele Bild -
Nicht ein Bild! sie sind ein Schatten!
Sagen herbe, deuten mild,
Was wir haben, was wir hatten. -
Was wir hatten, wo ist's hin?
Und was ist's denn, was wir haben? -
Nun, wir sprechen! Rasch im Fliehn
Haschen wir des Lebens Gaben.

J. W. v. Goethe, Aussicht,
den 16. August 1815
 
Fabel - Die Flamme und die Kerze

Ich schäme mich immer, wenn ich mich so nahe bei dir erblicke -- also sagte die Flamme zur Kerze. Diese antwortete: ich glaubte bisher, du schämst dich, wenn ich vergehe, indem du dann allemal selber erlöschst. Törichter Schmutz! erwiderte die Flamme: ich glänze freilich nur so lange ich dich fresse, aber ich schäme mich, daß man es sieht.

(Johann Heinrich Pestalozzi)
 
Diese Zeilen begleiten mich schon sehr lange:

Nimm mir nicht den Mut,
nimm mir die Angst.

Nimm mich ruhig auseinander
aber halte mich auch zusammen.

Nimm mich ganz für dich,
aber laß mich auch wieder gehen.

Nimm mich als mich
nicht als das, was du willst

(Kristane Allert- Wybranietz)
 
Diese Zeilen begleiten mich schon sehr lange:

Nimm mir nicht den Mut,
nimm mir die Angst.

Nimm mich ruhig auseinander
aber halte mich auch zusammen.

Nimm mich ganz für dich,
aber laß mich auch wieder gehen.

Nimm mich als mich
nicht als das, was du willst

(Kristane Allert- Wybranietz)

:daumen::daumen::daumen:

Ich glaub, der wird auch einer meiner Lieblingstexte werden....
 
Und noch mal Hans Kruppa .... ;)


Was allein zählt

Mit Worten kannst du
mir nicht mehr nehmen,
was du mir
ohne Worte gegeben hast.

Ich habe den Himmel berührt,
als Du mich berührtest.

Das allein zählt,
das allein bleibt.
 
Was schönes für Weihnachten :haha:

Christmas is im Eimer


When the snow falls wunderbar
and the children happy are,
when the Glatteis on the street
and we all a Glühwein need,
then you know, es ist soweit:
She is here, the Weihnachtszeit.


Every Parkhaus ist besetzt,
weil die people fahren jetzt,
all to Kaufhof, Mediamarkt,
kriegen nearly Herzinfarkt,
shopping hirnverbrannte things
and the Christmasglocke rings.


Merry Christmas, merry Christmas,
hear the music, see the lights,
frohe Weihnacht, frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits...


Mother in the kitchen bakes
Schoko-, Nuss- and Mandelkeks,
Daddy in the Nebenraum
schmücks a Riesen-Weihnachtsbaum.
He is hanging auf the balls,
then he from the Leiter falls...


Finally the Kinderlein,
to the Zimmer kommen rein
and es sings the family
schauerlich: "Oh, Chistmastree!"
And the jeder in the house
is packing die Geschenke aus.


Merry Christmas, merry Christmas,
hear the music, see the lights,
frohe Weihnacht, frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits...


Mama finds unter the Tanne
eine brandnew Teflon-Pfanne,
Papa gets a Schlips and Socken,
everybody does frohlocken.
President speaks in TV,
all around is Harmonie,
Bis mother in the kitchen runs,
im Ofen burns the Weihnachtsgans.


And so comes die Feuerwehr
with Tatü, tata daher
and they bring a long, long Schlauch,
and a long, long Leiter auch
and they schrei - "Wasser marsch!",
Christmas is - now im - ... Eimer.



Merry Christmas, merry Christmas,
hear the music, see the lights,
frohe Weihnacht, frohe Weihnacht,
Merry Christmas allerseits...
 
Ein Auszug aus Michael Köhlmeiers Buch "Geschichten aus der Bibel." Piper-Text. S.57f.

Da sah Abel eine Frau, die bei der Mauer saß, den Rücken an die Steine gelehnt. Sie trug das gleiche Kleid aus Fell, wie es seine Mutter Eva und sein Vater Adam trugen. Abel blieb stehen und hob seine Hand zum Gruß. Die Frau bewegte sich nicht, aber sie lächelte ihm zu. Sie sah schläfrig aus. Und sie sah aus, als ob sie keine Sorgen hätte.
Da trat Abel näher und blieb vor ihr stehen.
"Ich bin Abel" sagte er. "Wer bist du ?"
Die Frau antwortete nicht. Sie blickte ihn nur an.
Eine warme Zärtlichkeit war in ihrem Blick, und Abel setzte sich neben sie.
Abel sagte etwas und noch etwas, fragte etwas und noch etwas. Er bekam keine Antwort. Aber er hatte ja auch keine Antwort erwartet. Es genügte ihm, in das Gesicht dieser Frau zu sehen. Ein freundliches Gesicht, ein Lächeln und Grübchen, die entzückten. Und zarte, feingliedrige Hände hatte sie.
Abel legte seinen Kopf in ihren Schoß, und die Frau tat ihre Hand über seine Augen, denn die Sonne blendete ihn. Das Fell, das sie trug, roch wie die Felle, die Adam und Eva trugen. Alle Aufgeregtheiten und Anspannung ließen von Abel ab. Ein Friede war in ihm, wie er ihn nicht kannte. Abel vergaß alles um sich herum. Er schlief ein, und als er erwachte, wußte er zuerst nicht, wo er war, und er wußte nicht, wer er war. Und es tat ihm weh, als ihm alles wieder einfiel.
Seine Herde hatte nach ihm gerufen. Er mußte sich um seine Tiere kümmern, und er mußte nach Hause zu seiner Familie. Zum Abschied legte er seine Wange an die Wange der fremden Frau.
Dann ging er.


"Eine warme Zärtlichkeit war in ihrem Blick..." und die liegt für mich auch in diesem Text. Ein Text, der verdeutlicht, dass zwischen Menschen die Sprache oft nicht das Entscheidende ist.
Dass dieser Sachverhalt aber gerade mittels eines Textes, also durch Worte und somit durch Sprache ausgedrückt wird, ist eigentlich ein Paradoxon. ;)

sordain
 
Aus Richard Zach "Streut die Asche in den Wind" Ausgewählte Gedichte (Hrsgb Christian Hawle).

... die Arbeiterdichtung, der rote Widerstand, die Kulturleistungen der nichtbürgerlichen Teilwelt... sie gingen mehrheitlich unter in den prolongierten Jahren des Nationalsozialismus (ca ab 1947)... und mündeten nahtlos ein in der kleinbürgerlichen Idylle der späten 50er, der 60er, der 70er und der frühen 80er Jahre....
Das österreichische Bürgertum, das nur durch Verhinderung und Unterdrückung auffiel, konnte einen Widerständler, einen Mann wie Richard Zach leicht verdrängen.... der..." wahrscheinlich bedeutendste Dichter unter den zum Tode Verurteilten"... war.


Die kleinen Geister

Die kleinen Geister lieben jenes Wörtchen: "wäre".
"es wäre gut; es wäre schön gewesen"
Du aber nimm der Wirklicheiten harten Besen
und kehre solchen Staub vor Deiner Türe, kehre.

Für dich soll eines nur den wahren Ausschlag geben:
"So ist's und so erfordert's Deine Kraft."
Und ob da jäh vor Dir des Elends Abgrund klafft.
Du mußt es überwinden! Denn du willst doch leben.
 
Ein Auszug aus Michael Köhlmeiers Buch "Geschichten aus der Bibel." Piper-Text. S.57f.


"Eine warme Zärtlichkeit war in ihrem Blick..." und die liegt für mich auch in diesem Text. Ein Text, der verdeutlicht, dass zwischen Menschen die Sprache oft nicht das Entscheidende ist.
Dass dieser Sachverhalt aber gerade mittels eines Textes, also durch Worte und somit durch Sprache ausgedrückt wird, ist eigentlich ein Paradoxon. ;)

sordain

:daumen: Wunderschöner Text und sehr schöne Erklärung dazu. Danke, dass du den Text und einen Gedanken dazu mit uns teilst. :)
 
Ein paar zeilen von Wilhelm Busch, den ich zwar wegen seines Antisemitismus mittlerweile sehr kritisch sehe, aber ein paar seiner Gedichte sind zeitlos, wie dieses:

Wer möchte diesen Erdenball
Noch fernerhin betreten,
Wenn wir Bewohner überall
Die Wahrheit sagen täten.

Ihr hießet uns, wir hießen euch
Spitzbuben und Halunken,
Wir sagten uns fatales Zeug
Noch eh' wir uns betrunken.

Und überall im weiten Land,
Als langbewährtes Mittel,
Entsproßte aus der Menschenhand
Der treue Knotenknittel.

Da lob ich mir die Höflichkeit,
Das zierliche Betrügen.
Du weißt Bescheid, ich weiß Bescheid
Und allen macht's Vergnügen.
 
Das Hohelied der Liebe

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.
Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.
Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht.
Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk unser prophetisches Reden;
wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk.
Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war.
Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
(1. Kor. 13, 1 - 13)
 
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