Mein geliebter Herr, hab keine Angst, beweg Dich nicht, schweig still, niemand wird uns sehen.
Bleib so, ich will Dich anschauen, ich hab Dich so oft angeschaut, aber Du warst nicht für mich da, jetzt bist Du für mich da, komm nicht näher, ich bitte Dich, bleib, wie Du bist, wir haben eine ganze Nacht für uns, und ich will dich anschauen, ich hab dich nie so gesehen: Dein Körper für mich, Deine Haut, schließ die Augen und berühr Dich zärtlich, ich bitte Dich, lass die Augen zu, wenn du kannst, und streichle Dich.
Deine Hände sind so schön, ich habe so oft von ihnen geträumt, jetzt will ich sie sehen; es gefällt mir, sie auf deiner Haut zu sehen, einfach so, bitte mach weiter, lass die Augen zu, ich bin dicht bei dir, streichle Dich, mein geliebter Herr, streichle dein Geschlecht, sanft, ich bitte Dich.
(...)
Du wirst meine Lippen bekommen. Wenn ich Dich das erste Mal berühre, werde ich es mit meinen Lippen tun, du wirst nicht wissen, wo. Plötzlich wirst du die Wärme meiner Lippen auf Dir spüren, Du kannst nicht wissen, wo, wenn du die Augen nicht öffnest, öffne sie nicht. Du wirst plötzlich meinen Mund spüren, Du weißt nicht wo, vielleicht in Deinen Augen, ich werde meinen Mund auf Deine Lieder und Wimpern legen, Du wirst spüren, wie meine Wärme in deinen Kopf dringt, und meine Lippen in Deine Augen, in sie hinein; oder vielleicht auf Deinem Geschlecht, ich werde meine Lippen darauflegen, und ich werde sie öffnen, während ich langsam tiefer gleite, ich werde es geschehen lassen, dass Dein Geschlecht meinen Mund sanft verschließt, während es zwischen meinen Lippen und gegen meine Zunge drängt, mein Speichel wird auf deiner Haut entlang bis in deine Hand rinnen, mein Kuss und Deine Hand, eines im anderen, auf Deinem Geschlecht, bis ich schließlich dein Herz küssen werde, weil ich Dich will...
aus: "Seide" von Alessandro Baricco, Deutscher Taschenbuchverlag,München, 5. Auflage 2007