Eure Lieblingsgedichte/Texte

ich liebe rilke!

hier mein liebstes:

Lasst uns reifen wie ein Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne die Angst,
dass dahinter kein Sommer kommen könnte.
Er kommt doch.

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die das sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,
so arglos, still und weit…

Man muss Geduld haben
Gegen das Ungelöste im Herzen
Und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben
wie verschlossene Stuben und wie Bücher,
die in einer fremden Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man auch die Fragen lebt,
lebt man vielleicht allmählich, ohne es zu merken,
eines fremden Tages in die Antwort hinein.
 
Wenn je, ist jetzt die Zeit, um mich zu hassen,
jetzt, da die Welt das, was ich schuf, vernichtet,
versuch dich meinem Schicksal anzupassen:
triff jetzt, sonst werd ich zweimal hingerichtet.
Schlag mich nicht dann, wenn schon mein Herz den Sorgen,
die es belagern, halb entronnen ist,
bring nach der Sturmnacht keinen Regenmorgen,
verzögre nicht die längst verhängte Frist.
Willst du mich lassen, laß mich nicht zuletzt,
nachdem ich kleinern Kummer überwunden,
verlaß als erster mich, verlaß mich jetzt,
denn dieser Schlag schlägt mir die tiefsten Wunden.

Verglichen mit dem untragbaren einen
wird jeder andre Schmerz erträglich scheinen.
 
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Fromme Wut begünstigt heiße Triebe,
Gibt dem Blute freien Schwung und Lauf –
Ach zu oft nur drückt der Gottesliebe
Aphrodite ihren Stempel auf.

Aus "Der Venuswagen", Friedrich Schiller, 1759-1805
 
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Du entfernst dich von mir, du Stunde.
Wunden schlägt mir dein Flügelschlag.
Allein: was soll ich mit meinem Munde?
Mit meiner Nacht? Mit meinem Tag?

Aus "Der Dichter", Rainer Maria Rilke, 1875-1926
 
Liebeslied

Wie soll ich meine Seele halten, daß
sie nicht an deine rührt? Wie soll ich sie
hinheben über dich zu andern Dingen?
Ach gerne möcht ich sie bei irgendwas
Verlorenem im Dunkel unterbringen
an einer fremden stillen Stelle, die
nicht weiterschwingt, wenn deine Tiefen schwingen.
Doch alles, was uns anrührt, dich und mich,
nimmt uns zusammen wie ein Bogenstrich,
der aus zwei Saiten eine Stimme zieht.
Auf welches Instrument sind wir gespannt?
Und welcher Geiger hat uns in der Hand?
O süßes Lied.
(Band 1 S. 482)
_____

einfach nur wundervoll!
 
Über die Geduld
(von Rainer Maria Rilke)

Man muss den Dingen
die eigene, stille
ungestörte Entwicklung lassen,
die tief von innen kommt
und durch nichts gedrängt
oder beschleunigt werden kann,
alles ist austragen – und
dann gebären…

Reifen wie der Baum,
der seine Säfte nicht drängt
und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,
ohne Angst,
dass dahinter kein Sommer
kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,
die da sind, als ob die Ewigkeit
vor ihnen läge,
so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben

Mit dem Ungelösten im Herzen,
und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
wie verschlossene Stuben,
und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.
Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
ohne es zu merken,
eines fremden Tages
in die Antworten hinein.
 
dummerweise gibt es so viele gute gedichte / texte das ich mich nicht fix auf einen festlegen möchte.

Der Machtmensch geht an der Macht zugrunde,
der Geldmensch am Geld,
der Unterwürfige am Dienen,
der Lustsucher an der Lust.
(Hermann Hesse, Der Steppenwolf)
 
"Wer an die Freiheit des menschlichen Willens glaubt, hat nie geliebt und nie gehasst."

Marie von Ebner-Eschenbach

Wenn man genau darüber nachdenkt ist das ein wahnsinnig schlauer Satz finde ich!
 
„Wir müssen immer lernen, zuletzt auch noch sterben lernen.“

„Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.“

„Man kann nicht allen helfen', sagt der Engherzige und hilft keinem.“

Marie von Ebner-Eschenbach
 
Gmäeß eneir Sutide eneir elgnihcesn Uvinisterät ist es nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wrot snid, das ezniige was wcthiig ist, ist, dass der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiion snid. Der Rset knan ein ttoaelr Bsinöldn sien, tedztorm knan man ihn onhe Pemoblre lseen. Das ist so, wiel wir nciht jeedn Bstachuebn enzelin leesn, snderon das Wrot als gseatems.
 
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Nach der Rückkehr aus Italien

So hab ich dich gesehn, genossen,
Du Land, wo Myrt und Lorbeer weht,
Des Schönen Heimat und des Großen,
Wo Lebenskeim aus Gräbern sprossen,
Des Träumers Traum verwirklicht steht.

Franz Grillparzer,1791-1872
 
"Ich lerne sehen. Ich weiß nicht, woran es liegt, es geht alles tiefer in mich ein und bleibt nicht an der Stelle stehen, wo es sonst immer zu Ende war. Ich habe ein Inneres, von dem ich nicht wusste. Alles geht jetzt dorthin. Ich weiß nicht, was dort geschieht."
— Rainer Maria Rilke
 
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Freudvoll
Und leidvoll,
Gedankenvoll sein;
Langen
Und bangen
In schwebender Pein,
Himmelhoch jauchzend,
Zum Tode betrübt,
Glücklich allein
Ist die Seele, die liebt.

Johann Wolfgang von Goethe, 1749 - 1832
 
DANKE

ich danke allen, die meine Träume belächelt haben.
Sie haben meine Fantasie beflügelt.

Ich danke allen, die mich in ihr Schema pressen wollten.
Sie haben mich den Wert der Freiheit gelehrt.

Ich danke allen, die mich belogen haben.
Sie haben mir die Kraft der Wahrheit gezeigt.

Ich danke allen, die nicht an mich geglaubt haben.
Sie haben mir zugemutet, Berge zu versetzen.

Ich danke allen, die mich abgeschrieben haben.
Sie haben meinen Trotz geschürt.

Ich danke allen, die mich verlassen haben.
Sie haben mir Raum gegeben für Neues.

Ich danke allen, die mich verraten und missbraucht haben.
Sie haben mich erwachsen werden lassen.

Ich danke allen, die meinen Frieden gestört haben.
Sie haben mich stark gemacht, dafür einzutreten.

Vor allem aber danke ich denen,
die mich lieben, so wie ich bin.
Sie geben mir die Kraft zum Leben! Danke.


(PAULO COELHO)
 
"...Der Kaiser war ein alter Mann. Er war der älteste Kaiser der Welt. Rings um ihn wandelte der Tod im Kreis, im Kreis und mähte und mähte. Schon war das ganze Feld leer, und nur der Kaiser, wie ein vergessener silberner Halm, stand noch da und wartete. Seine hellen und harten Augen sahen seit vielen Jahren verloren in eine verlorene Ferne. Sein Schädel war kahl wie eine gewölbte Wüste. Sein Backenbart war weiß wie ein Flügelpaar aus Schnee. Die Runzeln in seinem Angesicht waren ein verworrenes Gestrüpp, darin hausten die Jahrzehnte. Sein Körper war mager, sein Rücken leicht gebeugt. Er ging zu Hause mit trippelnden, kleinen Schritten umher. Sobald er aber die Straße betrat, versuchte er, seine Schenkel hart zu machen, seine Knie elastisch, seine Füße leicht, seinen Rücken gerade. Seine Augen füllte er mit künstlicher Güte, mit der wahren Eigenschaft kaiserlicher Augen: Sie schienen jeden anzusehen, der den Kaiser ansah, und sie grüßten jeden, der ihn grüßte. In Wirklichkeit aber schwebten und flogen die Gesichter nur an ihnen vorbei, und sie blickten geradeaus auf jenen zarten, feinen Strich, der die Grenze ist zwischen Leben und Tod, auf den Rand des Horizontes, den die Augen der Greise immer sehen, auch wenn ihn Häuser, Wälder oder Berge verdecken. Die Leute glaubten, Franz Joseph wisse weniger als sie, weil er so viel älter war als sie. Aber er wußte vielleicht mehr als manche. Er sah die Sonne in seinem Reiche untergehen, aber er sagte nichts. Er wußte, daß er vor ihrem Untergang noch sterben werde. Manchmal stellte er sich ahnungslos und freute sich, wenn man ihn umständlich über Dinge aufklärte, die er genau kannte. Denn mit der Schlauheit der Kinder und der Greise liebte er die Menschen irrezuführen. Und er freute sich über die Eitelkeit, mit der sie sich bewiesen, daß sie klüger wären als er. Er verbarg seine Klugheit in der Einfalt: Denn es geziemt einem Kaiser nicht, klug zu sein wie seine Ratgeber. Lieber erscheint er einfach als klug. Wenn er auf die Jagd ging, wußte er wohl, daß man ihm das Wild vor die Flinte stellte, und obwohl er noch anderes hätte erlegen können, schoß er dennoch nur jenes, das man ihm vor den Lauf getrieben hatte. Denn es ziemt einem alten Kaiser nicht, zu zeigen, daß er eine List durchschaue und besser schießen könne als ein Förster. Wenn man ihm ein Märchen erzählte, tat er, als ob er es glaube. Denn es ziemt einem Kaiser nicht, jemanden auf einer Unwahrheit zu ertappen. Wenn man hinter seinem Rücken lächelte, tat er, als wüßte er nichts davon. Denn es ziemt einem Kaiser nicht, zu wissen, daß man über ihn lächelt; und dieses Lächeln ist auch töricht, solange er nichts davon wissen will. Wenn er Fieber hatte und man rings um ihn zitterte und sein Leibarzt vor ihm log, daß er keines habe, sagte der Kaiser: „Dann ist ja alles gut!‟, obwohl er von seinem Fieber wußte. Denn ein Kaiser straft nicht einen Mediziner Lügen. Außerdem wußte er, daß die Stunde seines Todes noch nicht gekommen war. Er kannte auch die vielen Nächte, in denen ihn das Fieber plagte, ohne daß seine Ärzte etwas davon wußten. Denn er war manchmal krank, und niemand sah es. Und ein anderes Mal war er gesund, und sie nannten ihn krank, und er tat, als ob er krank wäre. Wo man ihn für einen Gütigen hielt, war er gleichgültig. Und wo man sagte, er sei kalt: dort tat ihm das Herz weh. Er hatte lange genug gelebt, um zu wissen, daß es töricht ist, die Wahrheit zu sagen. Er gönnte den Leuten den Irrtum, und er glaubte weniger als die Witzbolde, die in seinem weiten Reich Anekdoten über ihn erzählten, an den Bestand seiner Welt. Aber es ziemt einem Kaiser nicht, sich mit Witzbolden und Weltklugen zu messen. Also schwieg der Kaiser. ..."




Joseph Roth, Radetzkymarsch (1932)
 
Kaffeeklatsch-Konzentrat

Warst du auch auf der Regatta?
Ja, am Attersee mit Vatter.
Stiegst du dann auf die Silvretta?
Mit mir kletterte mein Vetter!
Dort kam sicher ein Gewitter?
Ja, sehr bitter - mit Gezitter!
Jagtest du in Schottland Otter?
Ja, die flotten Schottenotter!
Und wohin fuhr deine Mutter
Nach Kalkutta mit dem Kutter.
Nahmst ein Heilbad du mit Latschen?
Ja, in Patschen mußt ich hatschen.
Gingst zum Schutzhaus du am Ötscher?
Im Geplätscher bis zum Gletscher.
Warst du in Vöslau beim Bridgen?
Wo die Wasserflietschen quietschen.
Wurdst in Salzburg du gewoschen?
Sonn erloschen. Nur Galoschen.
Tatst nach Fuschl du dich hutschen?
Auf der Wasser-Rutschen knutschen!
Was? Die Lou hat Fred verlassen?
Mit grimassen: Leere Kassen!
Hat der Rudi noch Mätressen?
Ja, zum Fressen, voll Finessen.
Wird die Frau das ansehn müssen?
Von den Küssen muß sie wissen!
Sie verließ ihn in Custozza!
Ja, der Rotzer war ein Protzer.
Putzi ließ das Haar sich stutzen?
Für die Räuber der Abruzzen!
~~
Vatter Attersee Regatta
Ein Silvrettavetter kletter
Ein Gewitter zitter bitter
Toter flotter Schottenotter
Ötschergletscher mit Geplätscher
Wasserflietschen quietschen bridgen
In Galoschen Goschen woschen
Wasser-Rutschen hutschen knutschen
Mit Grimassen Kassen lassen
Freß-Mätressen voll Finessen
Von den Küssen wissen müssen
In Custozza Potzer Rotzer
Für Abruzzen Putzi stutzen
Nach Kalkutta Mutter Kutter
Und in Latschen Patschen hatschen…….

……..das kommt raus, wenn Weiber tratschen…..


(Peter Hammerschlag schrieb dieses (heute) politisch nicht mehr ganz korrekte Gedicht. Jahre nach seiner Deportation und vermutlich erfolgten Ermordung in Auschwitz wurde er von seinem Freund Friedrich Torberg "wiederentdeckt")
 
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