Ich denke, dass man ohnehin eine solche Frage immer nur aus der aktuellen Lebenssituation heraus beantworten kann. Ein kategorisches NIE finde ich immer ein bisserl schwierig, denn als Mensch ändert man sich auch im Laufe der Zeit, was früher wichtig war, verliert an Bedeutung, andere Dinge oder Aspekte werden plötzlich entscheidend. Ich kenne militante Nichtraucher, die mit 40 zum Qualmen begonnen haben, Beziehungsverweigerer, die nun in glücklichen Beziehungen leben - warum sollte das bei einer solchen Frage anders sein? Es ist ja, denke ich, auch okay, seine Wertesysteme gelegentlich zu hinterfragen - und wenn man feststellt, dass sie eigentlich nicht mehr passen, dass man mittlerweile eine andere Einstellung hat, dann darf man sie auch mal ändern.
Anderes Beispiel: Ich trinke keinen Alkohol. Seit fast 20 Jahren. Trotzdem würde ich nicht behaupten, dass ich nie wieder Alkohol trinken werde. Ich trinke halt derzeit keinen, weil ich in den letzten 20 Jahren nicht das Gefühl hatte, ich würde etwas verpassen - und für mich war es die letzten 20 Jahre also völlig okay und logisch, keinen Alkohol zu trinken. Aber was in fünf, zehn, zwanzig Jahren sein wird - who knows?
Noch ein Beispiel: Mein Großvater war im Krieg und dort bei der SS. Vielleicht nicht unbedingt der völlig überzeugte Nazi, aber er hat sich als junger, beeinflussbarer Mann in dieser Ideologie zumindest nicht unwohl gefühlt, um es vorsichtig zu formulieren. Später dann war er jahrzehntelang überzeugter FPÖ-Wähler. Erst mit seinen letzten Lebensjahren hat er eine Wandlung vollzogen und wurde am Ende zum Sozialdemokraten. Menschen ändern sich, im Guten wie im Schlechten, sowie auch deren Grundwerte und Moralvorstellungen.