Wie kommt man auf so etwas?
Ich habe nochmals die Originalarbeit von Tommaso et al herausgesucht: Die 9% Polizisten unter den Freiern wurden aus den Angaben der befreiten SexarbeiterInnen ermittelt.
Da die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Studie angezweifelt wurde:
Du zitierst irgendeine Studie und willst deinen Behauptungen den Deckmantel der Wissenschaft geben.
also wenn man's überspitzt formuliert: sie untermauert ihre Behauptung mit ihrem eigenen Bericht [...]Und die 9% Polizisten als Kunden muss man einfach akzeptieren, ohne dass es irgendeinen glaubwürdigen Beweis dafür gibt?
Wer die Originalarbeit gelesen hätte, wüsste:
1.) sie ist in einem Peer-reviewed Journal erschienen, wo also mehrere kritische Gutachten verfasst wurden, ob die Arbeit überhaupt erscheinen darf,
2.) dieses Journal ist auch im Science Citation Index gelistet und hat einen vergleichsweise hohen Impact Factor, womit auch eine hohe Rate an abgelehnten Einreichungen abzulesen ist. Alleine das macht jede Publikation in diesem Journal wissenschaftlich relevant. Dazu beruht die konkrete Publikation
3.) auf der Analyse der weltweit umfangreichsten Datenbasis über Menschenhandel - also auf einer zuverlässigen Quelle.
Nicht auszuschließen ist natürlich theoretisch, dass in der Datenbank ein einziger korrupter Polizist, der gegen regelmäßige Gratisficks Razzien verrät, mehrfach gezählt wurde, weil er eben mehreren Frauen unabhängig voneinander aufgefallen ist. Da in der Datenbank Frauen mit sehr unterschiedlichen Geschichten enthalten sind, ist es anzunehmen, dass 9% recht genau ist ... doch auch 1% wären noch immer bedenklich. Auch der Wochenschnitt von 35 Freiern pro Woche ist plausibel ... im aktuellsten Sklavereifall liest man von 20 Freiern pro Tag! Schließlich befriedigen Sexsklavinnen jedwede Gelüste - da ist der Umsatz höher, als bei der durchschnittlichen freiwilligen Sexarbeiterin, die sich auch einmal eine Auszeit nimmt.
Nun ein wenig Nachhilfe in Schulmathematik: Bei 35 Freiern (Wochenschnitt), von denen 9% Polizisten sind - daher 91% keine Polizisten, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass kein einziger dieser Freier Polizist ist = (0,81 hoch 35) = unter 4% ... daher ist unter den 35 Freiern (Gegenwahrscheinlichkeit) mit 96% Wahrscheinlichkeit mindestens 1 Polizist dabei. Tatsächlich werden diese Frauen sehr viel mehr Männer im Lauf ihrer Sklaventätigkeit bedienen - und wenn auch nur 1% davon Polizisten sind, wird unter den 300 Freiern, die eine solche Frau mindestens besuchen, mit 95% Sicherheit ein Polizist sein (analoge Rechnung als Übungsaufgabe speziell für @Steirerbua).
Was Du als extravagant bezeichnest, finde ich als selbstherrlich und rein auf ihre Interessen bezogen. Ihre Schlüsse sind nicht interessant, sondern werden auf das einzige Ziel hingebogen: dass sie Opfer einer Menschenrechtsverletzung geworden ist.
In diesem Thread habe ich meine Erfahrungen mit der Polizei nicht eingebracht ... daher auch nichts zu den Menschenrechtsverletzungen bei verdeckten Ermittlungen geschrieben. Da dies aber von jemand anderem polemisch in die Diskussion gebracht wurde, gehe ich gerne darauf ein:
Weiters fällt auf, dass du folgende Forderungen an Polizisten zu richten scheinst. Da wird es Fälle geben, wo sich diese schwer vereinbaren lassen.
1. Die Polizisten sollen die Prostitiuerten ungehindert arbeiten lassen und ihnen keine unliebsamen Besuche abstatten.
2. Die Polizisten sollen Prostituierte in ihrer Freizeit aus der Sklaverei befreien.
Wie die aktuellen Fälle Babylon und diverse Studios mit ungarischen Sexsklavinnen zeigen (siehe
Kurier Bericht und
Österreich Bericht mit Namen der Studios), haben verdeckte Ermittlungen zur Aufklärung von Geheimprostitution in keinem einzigen der aktellen Fälle zur Aufklärung beigetragen. Im Gegenteil: Die ungarischen Kriminellen konnten mehr als 10 Jahre von der Polizei unbehelligt ihrem Treiben nachgehen. Selbstverständlich waren die versklavten Frauen bei der Kontrolluntersuchung, wodurch die Kriminellen aus der Sicht der Polizei offenbar vorbildliche Betriebe führten.
Diese empirischen Erfahrungen bestätigen somit, dass die verdeckten Ermittlungen keinerlei Rechtfertigung zur Bekämpfung des Menschenhandels haben. Im Gegenteil, das Handeln der Polizei ist höchst suspekt: Die im aktuellen Fall geflohene Sexsklavin hat sich nämlich nicht an die Wiener Polizei gewandt, sondern hat Österreich verlassen und sich erst in Ungarn den Behörden anvertraut: Die Konzentration der Polizeikontrollen auf die Einhaltung der Kontrolluntersuchungen hat die Polizei in den Augen der Opfer offenbar völlig unvertrauenswürdig gemacht. Hätten in den beiden aktuellen Fällen nicht die Polizeibehörden vom Ausland aus den Menschenhandel aufgerollt, hätte die österreichische Polizei dem kriminellen Treiben wohl weiter tatenlos zugesehen ... und sich stattdessen mit der Fahndung nach Geheimprostituierten die Zeit vertrieben.