Rückgriff auf den Faschismus
Bozen (SN-hevi, APA). In Südtirol verursacht das Verbot der Verwendung deutschsprachiger Ortsnamen heftige Proteste. Landeshauptmann Luis Durnwalder (Südtiroler Volkspartei) kritisierte Dienstagabend in Meran, dass „ausgerechnet das demokratische Italien“ jene faschistischen Dekrete aus den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder eingeführt habe. Man wolle das Aufschaukeln von Emotionen zwischen den Volksgruppen vermeiden. Die Entscheidung der römischen Regierung nannte Durnwalder „eine schallende Ohrfeige für die Deutsch- und Ladinischsprachigen und eine Beleidigung für alle Demokraten“.
Die Regierung in Rom hatte am Dienstag in letzter Sekunde ein Dekret verabschiedet, mit dem der Plan, faschistische Dekrete aus den 1920er-Jahren abzuschaffen, zunichte gemacht wurden. Damit ist nun wieder jenes Gesetz in Kraft, das besagt, dass in ganz Italien ausschließlich italienische Ortsnamen zulässig seien.
Landeshauptmann Durnwalder kündigte für 2010 einen weiteren Versuch an, die Frage der Ortsnamen in Südtirol vernünftig zu regeln. Dabei müssten Deutsch- und Italienischsprachige aufeinander zugehen. Derzeit sind in Südtirol nur die italienischen Ortsnamen offiziell zugelassen. Die deutschsprachigen Bezeichnungen sind durch das am Dienstag veröffentlichte „Legislativdekret“ der Regierung zumindest offiziell wieder verboten.
Kenner der Südtiroler Politik reagierten am Mittwoch mit Verwunderung und Gleichmut auf den Wirbel, den das römische Dekret verursacht hat. Sie verweisen auf das Südtirol-Statut, das ausdrücklich vorschreibt, dass in ganz Südtirol alle Ortstafeln zweisprachig auszuführen seien. Das Südtirol-Statut steht im Verfassungsrang und hat damit weit mehr Gewicht als jedes einfache italienische Gesetz. Allerdings fehlt es immer noch an einem entsprechenden Ortstafelgesetz.
Von der Wiedereinführung faschistischer Dekrete könnten allerdings andere Minderheiten in Italien betroffen sein, wie zum Beispiel die Friulaner und die Ladiner, deren Mehrsprachigkeit von keiner Regelung wie dem Südtirol-Statut geschützt ist.