Entweder versteh ich's nicht ganz oder wir sind eh einer Meinung. Zwei Parteien eines Vertrags: ist der Vertrag dann nicht das was ich als Macht bezeichne? Und wenn dieser Vertrag unwirksam wird ist das ja auch innerhalb der Macht, oder? Bzw. können Vertragsüberschreitungen nur dadurch stattfinden, dass es so etwas wie Macht gibt, oder?
Nein. Durch meine stillschweigende Akzeptanz oder meinetwegen das Vorurteil, es gebe diese Art "Macht", lasse ich sie überhaupt erst manifest werden.
Ich zieh jetzt mal als konkretes Beispiel die diversen Themen zu Dicken heran, weil das in den vergangenen Monaten fast die einzigen waren, mit denen ich mich hier beschäftigt habe. Da kann man es aber sehr schön sehen.
Es
scheint so etwas wie die von dir beschriebene "Machtausübung" zu geben und es finden sich immer wieder die gleichen Protagonisten dort ein (nämlich diejenigen, die das Thema Figur in irgend einer Weise mehr zu beschäftigen scheint, als sie es selbst oft zeigen wollen
).
Situation: jemand (meist eher unbekannter Nickname) schreibt, er fände Fett schön bzw. "liebe" dicke Frauen. Klare Aussage. Wer sich einfindet: neben den üblichen "Ihhhhhhhhhhh-bäääääääääh"-Ausrufern (die haben ihr Pulver meist schnell verschossen, mehr als "gfallt mir ned, dein Geschmack is grauslich" kommt von der Seite als inhaltlicher Beitrag kaum) diejenigen, die sich sehr stark über ihr Aussehen definieren, vermutlich auch einiges investieren, um ihren eigenen Ansprüchen genügen zu können. Die üblichen Dicken, die ihre Freude darüber, daß jemand sie schön findet, zwar nicht ganz verhehlen kann, aber auch sehr bemüht ist, sich vom Klischee der "typischen Dicken" zu distanzieren. Zwischen diesen beiden Hauptgruppierungen entbrennt dann eine immer gleich verlaufende muntere Verbalkeilerei - der namentlich nicht bekannte Threaderöffner ist in diesem Stadium meist schon vergessen.
"Macht" scheinen diejenigen, die Dicke ablehnen, auszuüben, die "Ohnmächtigen" sehe ich i.d.R. auf der Seite der sich betroffen fühlenden Dicken, weil: sie agieren defensiv, reagieren auf Beleidigungen oder Abwertungen mit allen möglichen Argumenten, versuchen Klischees zu entkräften usw. - aussichtslos, weil sie eines dabei nicht begreifen, nämlich: die "Macht" der scheinbar stärkeren, weil begehrteren (Mainstream und / oder Attraktivität sind nun mal nicht so einfach auszuhebeln) "Machtvollen" beruht ausschließlich darauf, daß sich zuverlässig gekränkte, BE-troffene einfinden, die mit ihren "Ja-aber"-Sagern die perfekte Kulisse bieten.
Täten sie's nicht, würden sich diese Themen sehr schnell totlaufen, Dicke sind nur für wenige wirklich interessant, die Interaktionen der Beteiligten dagegen sind unterhaltsam genug, um auch Leute "heranzuziehen", die sich für das Thema als solches kaum interessieren.
Daraus folgt: "Macht" in dem von dir gemeinten Sinne existiert nur, weil besonders die sich selbst als "ohnmächtig" Fühlenden sie überhaupt erst einräumen. Sicher nicht bewußt, aber mit großer Energie und immer wieder auf's Neue - und sie sind es dann, die sich ob der empfundenen "Unterdrückung" hier und da beschweren, solche "Machtstrukturen" je nach Temperament anprangern, sich beschweren oder zurückziehen und abwarten, bis sich eine neue Gelegenheit bietet, sich wieder ohnmächtig zu fühlen.