Angesichts der Gesamtzahl der Flüchtlingen ist die Zahl schwerer Infektionserkrankungen bisher überschaubar, auch wenn die wenigen stationären Einrichtungen mit einer infektiologischen Abteilung zum Teil sehr in Anspruch genommen wurden und werden.
Infektionsepidemien oder eine relevante Ausbreitung von Infektionen außerhalb der Gruppe der Flüchtlinge wurde in Europa bisher nicht beobachtet. Auch weiterhin ist eine erhöhte Wachsamkeit bzgl. Infektionserkrankungen notwendig. Die tatsächlichen medizinischen Herausforderungen sind insgesamt bis jetzt geringer als befürchtet. Psychische Probleme, z.B. die Folgen einer Traumatisierung, manifestieren sich aber häufig erst später oder finden zunächst keine Berücksichtigung.
Aufgrund der organisatorischen Probleme, einer unzureichenden Dokumentation und Sprachbarrieren, wie sie für eine derartige Flüchtlingsbewegung charakteristisch sind, stellt die Behandlung von chronischen Infektionserkrankungen für den, in der Regel niedergelassenen, Infektiologen bzw. Internisten, eine besondere Herausforderung dar. Um die Therapie erfolgreich im Sinne des Patienten durchführen zu können, muss der Behandler aktiv versuchen, eine erfolgversprechende Behandlungssituation herbeizuführen. Hierzu zählt die umgehende, auch provisorische, Dokumentation der Untersuchungsergebnisse oder von Impfungen. Diese können zusammen mit Kontaktdaten der Praxis dem Patienten ausgehändigt werden, um eine Fortführung der Behandlung z.B. bei einer Verlegung an andere Stelle zu gewährleisten. Die lokalen und überregionalen Dolmetscherdienste und mögliche Finanzierung müssen eruiert werden, fremdsprachige Informationsmaterialien stehen über das Internet zum Ausdruck jederzeit zur Verfügung. Der Stand des Asylverfahrens sollte erfragt werden und evtl. Hilfe bei der Suche nach einem Fachanwalt und einer finanziellen Unterstützung angeboten werden. Wird die Behandlung durch solche Probleme kompliziert oder ist der Patient in großer räumlicher Distanz zur Praxis untergebracht, ist nach Einverständnis des Patienten die frühzeitige Kooperation des Arztes mit anderen Einrichtungen (Hausarzt vor Ort, Gesundheitsamt, Beratungsstellen, Ehrenamtler) dringend anzuraten. Die Kooperation erhöht die Erfolgschancen der geplanten Therapie, erleichtert die Arbeit und erhöht die Zufriedenheit aller Beteiligten. Für den infektiologisch tätigen Arzt kann die Behandlung von Flüchtlingen eine wichtige, interessante und befriedigende Erweiterung seines Behandlungsspektrums sein.
Dr. med. Thomas Sternfeld
Praxis für Innere Medizin
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