Beim Kärntner Landesparteitag hat der neue BK Kern erstmals angedeutet, was von ihm inhaltlich zu erwarten ist. Das, was er in seiner Rede offenbar aufs Tapet gebracht hat, sind alte sozialistische Ideen, und im Kreis der Parteigenossen hat er dafür - nicht ganz unerwartet - großen Beifall erhalten.
Die Vorschläge sind immerhin diskussionswürdig. Was in den 1980er-Jahren Schwachsinn war, kann heute ja möglicherweise eine passable Lösung sein.
Die erste Idee ist die Maschinensteuer bzw. Wertschöpfungsabgabe. Sie kann in einer Zeit, in der die Automatisierung immer rascher voranschreitet und bald tief in den Dienstleistungssektor hineinreichen wird, neu überdacht werden. Wenn es wegen dieser Entwicklungen immer weniger Arbeitsplätze gibt, fließen folglich auch weniger Beiträge in die Sozialtöpfe, was das ohnehin schon angespannte System noch weiter fordern würde. Die Überlegung hinter der Maschinensteuer ist, dass die Sozialbeiträge nicht allein vom Arbeitslohn abhängig sein, sondern auch aus Abschreibungen gespeist werden sollen. Damit würden - überspitzt formuliert - die immer mehr werdenden Roboter die Sozialbeiträge für die Menschen zahlen. In den 1980ern war die Idee deshalb schwachsinnig, weil die Automatisierung nicht wirklich Arbeitsplätze gekostet, sondern nur verschoben hat. Einfache manuelle Tätigkeiten fielen immer mehr weg, dafür brauchte man mehr IT-Spezialisten, Werkzeugmacher etc., und es wurden Arbeiten geschaffen, die es vorher mangels geeigneter Technik gar nicht gab, z.B. diverse Auswertungen, Berechnungen, Studien etc. Von dieser Entwicklung leben wir eigentlich bis heute - ob "wir"
gut damit leben, hängt vom persönlichen Standpunkt ab.
Für die nächsten Jahrzehnte wird der in den 1980ern befürchtete Netto-Stellenabbau wegen Automatisierung tatsächlich von diversen Experten prognostiziert. Die Folge könnte sein, dass der Faktor Arbeit in der Wirtschaft eine immer geringere Rolle spielen wird, der Faktor Kapital hingegen eine immer größere (da die Fremdkapitalzinsen künstlich niedrig gehalten werden, kann man die Betrachtung eigentlich auf Eigenkapital einengen). D.h. die Gewinne werden tendenziell größer, die Arbeitseinkommen kleiner.
Auf den ersten Blick ist eine Maschinensteuer daher eine "geniale" Lösung. Auf den zweiten Blick aber leider nicht mehr. Maschinen stehen nämlich nicht ausschließlich in Konkurrenz mit menschlichen Arbeitskräften, sondern sie sind sehr oft Voraussetzung dafür, dass in einer Wettbewerbswirtschaft überhaupt Arbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden können. "Wer nicht investiert, verliert" ist ja nicht umsonst eine gängige Phrase unter Unternehmern. Die Maschinensteuer kann man wirtschaftlich als eine Vermögenssteuer auf Betriebsvermögen sehen, oder als einen negativen Investitionsfreibetrag. Egal wie man es sieht: Investitionen werden de facto teurer. Wenn man bedenkt, dass Investitionsfreibeträge immer dann eingeführt wurden, wenn man die Wirtschaft zur Investition anregen wollte, wird wohl klar, das eine Maschinensteuer tendenziell das Gegenteil bewirkt. Jetzt könnte man argumentieren, dass im Gegenzug die Sozialabgaben gesenkt werden könnten und dadurch Arbeitskräfte billiger werden. Das kann aber in zweierlei Hinsicht schiefgehen: Erstens kann es passieren, dass die anlagenintensiven Branchen abposchen, wodurch die Einnahmen aus der Maschinensteuer zu einem guten Teil wegfallen - damit würden aber entweder Löcher in die Sozialkassen gerissen werden, oder die Beitragssenkung bei den Arbeitskräften würde so geringfügig ausfallen, dass sie kaum ins Gewicht fällt. Zweitens kann es passieren, dass die in Österreich verbliebenen Betriebe Modernisierungsinvestitionen auf Grund der höheren Kosten scheuen. Das können sie vielleicht kurzfristig mit den etwas niedrigeren Lohnkosten kompensieren, mittel- bis langfristig könnte die Entwicklung aber in Wettbewerbsnachteile münden.
Summa summarum wäre eine Maschinensteuer daher selbst vor dem Hintergrund der neuesten Entwicklungen ein gefährliches Spiel.
Der zweite Vorschlag, den Kern ausgegraben hat, ist die Arbeitszeitverkürzung. Auch diese könnte man - siehe oben - neu diskutieren wegen der stärkeren Automatisierung und dem geringeren Bedarf an Arbeitsstunden. Das Problem: Ohne Lohnausgleich sinkt das Einkommen der Arbeitnehmer, mit vollem Lohnausgleich wird die Arbeitsstunde in Österreich auf einen Schlag deutlich teurer. Frankreich hat bspw. unter Lionel Jospin die 35-Stunden-Woche eingeführt und leidet seitdem unter Wettbewerbsnachteilen. Man könnte noch argumentieren, dass mehr Freizeit auch mehr Zeit zum Geldausgeben bedeutet. Das würde aber nur dann gelten, wenn erstens genug Geld da wäre, und zweitens wenn dieses Geld v.a. in österreichische Produkte und Dienstleistungen gesteckt werden würde.
Die dritte Idee ist die Vermögenssteuer. Für mich die unverständlichste Steuer überhaupt. Wenn man sich ein Vermögen erarbeitet hat und für diese Arbeit ordentlich Steuern gezahlt hat, warum sollte man dem Staat Jahr für Jahr noch was abgeben müssen? Irgendwann sollte man vom Finanzminister auch a Ruh' haben. Abgesehen davon wird mit der Vermögenssteuer bspw. jemand, der ein Haus baut (und dafür österreichische Waren und Wertschöpfung verwendet), bestraft gegenüber jemanden, der bspw. sein Geld in Mallorca versaufen geht.
Abgesehen von den Sachargumenten ist Kerns Vorstoß zunächst aber, wie
@Mitglied #171 schon schrieb, v.a. aus dem Grund unverständlich, weil das alles für die ÖVP Reizthemen sind, denen sie nie zustimmen wird, ohne ihre restliche Wählerschaft endgültig zu vergraulen. Darüber hinaus widerspricht es Kerns in seinem ersten Interview plakatierten Ziel, dass bspw. die Voest im Jahr 2025 noch immer fünf Hochöfen in Österreich haben soll.
Warum er es trotzdem gemacht hat, ist für mich klar: Er will vom Flüchtlings- und Einwanderungsthema, das seine Partei tief gespalten hat, ablenken und den Focus auf Inhalte richten, wo in der SPÖ noch großteils Einigkeit herrscht. Die Frage ist aber, wie er mit derlei Vorhaben noch zwei Jahre lang mit der ÖVP regieren will.