Tritschtratsch mit Antonius

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„Die besinnlichen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr haben schon manchen um die Besinnung gebracht.“
Joachim Ringelnatz

hoffentlich haben sie dabei nicht den Löffel abgegeben und sind wieder aufgewacht
 
Nicht das predigen der Humanität,
sondern das Tun hat Wert.
Desto schlimmer,
wenn man viel spricht,
und wenig tut.


J. G. Seume Spaziergang nach Syrakus​
 
In Oesterreich scheint es noch jüdische FRiedhöfe zu geben. Ich dachte, diese seien in den Jahren 38 bis 45 zerstört worden, unter anderem auch durch Bomben, wie etwa 43 in der Stadt Bergen in Norwegen.
Ja, scheint nicht nur so, die gibt's wirklich.

Zur Zerstörung der jüdischen Friedhöfe möchte ich sagen, dass dabei die Beteiligung alliierter Bomben eher gering war, Friedhöfe sind keine strategischen Ziele, und wenn der Wiener Zentralfriedhof nicht an Industrie- und Eisenbahn-Areale grenzen würde, hätten die alliierten Bomberpiloten sicher bessere Ziele gewusst.

Was es in jüdischen Friedhöfen an Zerstörung gibt oder gab, ist großteils den damaligen Herrenmenschen zu verdanken, welche sich wohl gedacht haben, wenn es keine Synagogen und keine Juden mehr gibt, braucht es auch keine jüdischen Friedhöfe.

Aber wie das Leben so spielt ..... es gibt heute nicht nur alte jüdische Friedhöfe wieder, es gibt sogar auch neue. Und so wie auf dem Wiener Zentralfriedhof christliche, jüdische, muslimische, darüber hinaus Verstorbene aller in Österreich vertretenen Religionen Seite an Seite mit den Verstorbenen ohne religiöses Bekenntnis in Frieden ruhen, so leben sie auch Seite an Seite in der Stadt Wien, wenn auch heute noch nicht ganz so friedlich, wie ihre Verstorbenen, aber auch das wird kommen.

Der Braunauer Postkartenmaler würde sich sehr zu meiner Freude im Grab umdrehen, wenn er denn eines hätte, würde er sehen, dass in Wien, der Stadt, welche er von Juden säubern wollte, es nicht nur wieder eine jüdische Gemeinde gibt, sondern das Straßenbild wieder zunehmend von Menschen bevölkert wird, aus deren Kleidung man auf ihren Glauben schließen kann.

Nix mit Ariern, Herrenrasse, nix mehr von tausendjährigem Reich, nix mehr von teutschem Wesen, an dem die Welt genesen sollte, und an dem sie fast zu Grunde gegangen wäre.

Von denen, die damals gejubelt haben, leben heute kaum mehr welche, und die paar, die noch übrig sind, können niemandem mehr schaden.

Jene, welche sich heute wichtig machen, um wieder einmal eine Säuberung der Stadt vorzunehmen, diesmal zur Abwechslung eine von den Moslems, sind offenbar dumm genug, dass sie nicht verstehen, dass genau dieses Gemisch aus Völkern und Religionen seit jeher den besonderen Reiz dieser Stadt Wien ausgemacht hat. Dass die wirkliche Wiener Kultur, auf welche man ohne die bitteren Ereignisse der Vergangenheit durchaus auch stolz sein könnte, und welche den echten Wiener zu einem liebenswerten und im Grunde weltoffenen Menschen macht, sobald man sein Vertrauen gewonnen hat, gar nie zustande gekommen wäre ohne die Einflüsse und Eindrücke anderer Völker.

Was immer sich aus den Teilstaaten des ehemaligen Kaiserreiches Österreich in Wien angesiedelt hat, hat mitgeholfen, den Charakter dieser Stadt und ihrer Bürger zu formen. Ob Tschechen, Ungarn, Bosnier, Slowenen, Kroaten usw. bis hin zu den osteuropäischen Kaftanjuden, welche Wien nicht nur vom Stadtbild sondern auch vom Geiste her geprägt haben.

Im Anhang habe ich ein paar Bilder vom alten jüdischen Friedhof auf dem Wiener Zentralfriedhof hochgeladen, falls Interesse besteht.
 

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Danke Steirerbua für Deinen ausgezeichneten Text. Wenn es interessiert, hier entsprechende Fotos vom Alten Prager Friedhof. Das umgebende Judenviertel wurde ab 1883 unter Kaiser Franz Josef abgerissen.
 
Danke, das ist sehr interessant.

Ja, der alte jüdische Friedhof in Prag ...... hast Du gewusst, dass die israelitische Begräbniskultur ein Grab als eine Stätte für die Ewigkeit sieht? Niemals je wurde ein jüdischer Friedhof aufgelassen, niemals alte Grabstätten entfernt oder eingeebnet, wie dies auf Friedhöfen anderer Religionen oft der Fall ist. Die Ruhe der Toten gilt als unantastbar.

Das mag auch eine Erklärung dafür sein, dass der alte jüdische Friedhof in Wien in sehr großen Teilbereichen offensichtlich nicht mehr von Besuchern frequentiert wird. Angesichts der Dezimierung der Wiener jüdischen Gemeinde nicht weiter verwunderlich .....
Dennoch finden sich immer wieder Gräber, wo die abgelegten Steine (bei Juden anstelle des Blumenschmucks) auf sehr zahlreiche Grabbesuche schließen lassen.
Unweit des alten jüdischen Friedhofes gibt es seit einiger Zeit einen neuen jüdischen Friedhof, auf welchem die aktuellen Toten bestattet werden.

Falls übrigens jemand die Absicht haben sollte, in Wien oder wo auch immer einen jüdischen Friedhof zu besuchen, bitte nicht vergessen: Hut oder Kappe aufsetzen!
 
Ja, das wusste ich und finde es vorbildlich. Ein toter Mensch ruht doch schliesslich in "Ewigkeit", nicht nur ein paar Jahrzehnte, um dem neuen Platz zu machen.

Das erinnert mich an den alten Witz aus der Sowjetunion: "Schlaf schneller Genosse, auf Dein Kopfkissen wartet schon ein anderer."

Als ich einen Dokfilm über die Darstellung des Jenseits auf italienischen Friedhöfen drehte, kam ich auch nach Genua. Da gibt es riesige, hölzerne Hallen, in welchen die Toten auf ihr Grab zu warten haben, manchmal 25 Jahre und mehr. Der Verwesungsduft darin war unerträglich. So geht der Mensch mit sich selbst um.

Da lobe ich mir die Elefanten, die noch Ehrfurcht vor ihren Toten haben.
 
jaja
ich erinnere mich, da habens mal beim strassenbau 2 tote gefunden, und sofort haben einige festgestellt, werden von nazis erschossene juden sein... die dürfen nicht umgelegt werden...
die erleichterung war groß, als man knöpfe aus der napoleonischenzeit fand....
ich grübl immer noch, ob nicht ev eine historikerkommision eingesetzt hätte werden müssen, um festzustellen, daß die leichen keine....
naja egal...
 
Falls übrigens jemand die Absicht haben sollte, in Wien oder wo auch immer einen jüdischen Friedhof zu besuchen, bitte nicht vergessen: Hut oder Kappe aufsetzen!

:shock: Zu spät! Hat aber auch keiner was gesagt:confused:. Nicht mal als wir den Friedhof verliessen und dabei gesehen wurden.:hmm:
 
ich erinnere mich, da habens mal beim strassenbau 2 tote gefunden, und sofort haben einige festgestellt, werden von nazis erschossene juden sein... die dürfen nicht umgelegt werden...
Danke dass Du mit Deinem Beitrag versuchst, die kampflustige Stimmung der vorweihnachtlichen Forumszeit mit etwas Humor aufzulockern.

Aber selbstverständlich ist klar, dass die Unantastbarkeit der Totenruhe nur dann gilt, wenn der Tote auf einer rituellen Stätte beigesetzt ist.
 
Ich hab meine Hochzeit übrigens nach der Trauung auf einem Friedhof gefeiert. Ich glaub, das passt ganz gut zusammen.
 
Ich hab meine Hochzeit übrigens nach der Trauung auf einem Friedhof gefeiert. Ich glaub, das passt ganz gut zusammen.
Da hast Du quasi Deine Junggesellenzeit zu Grabe getragen .....

Aber ..... wie feiert man auf einem Friedhof?
 
wie beim picnic.... das nur zwischen grabsteinen, war sehr romantisch, haben unsere wohnung dann total schwarz angestrichen....toll!
 
Ich hab meine Hochzeit übrigens nach der Trauung auf einem Friedhof gefeiert. Ich glaub, das passt ganz gut zusammen.

wie beim picnic.... das nur zwischen grabsteinen, war sehr romantisch, haben unsere wohnung dann total schwarz angestrichen....toll!

I man I tram....:mrgreen:

Bitte, speziell für Dich zwei musikalische Grüße gesendet von Wiener Friedhöfen - gar nicht weihnachtlich - so wie's du's vermutlich gerne hast: ;)

[ame="http://www.youtube.com/watch?v=ORfYE5M44ms&feature=related"]YouTube- Ludwig Hirsch, Die Omama[/ame]

und:

[ame="http://www.youtube.com/watch?v=4qRdFvnX_f0"]YouTube- Es lebe der Zentralfriedhof[/ame]

Viel Spaß damit....:winke:
 
ja, dank Dir Purice, ist lieb, dass Du an mich gedacht hast. War übrigens in meinem Life auf ca. 100 Gottesäckern - da kann mich nix mehr schrecken. Lach.

frohe Weihnacht auch Dir..........
 
Zur Zerstörung der jüdischen Friedhöfe möchte ich sagen, dass dabei die Beteiligung alliierter Bomben eher gering war, Friedhöfe sind keine strategischen Ziele, und wenn der Wiener Zentralfriedhof nicht an Industrie- und Eisenbahn-Areale grenzen würde, hätten die alliierten Bomberpiloten sicher bessere Ziele gewusst..

Dass die Bomber nicht absichtlich den jüdischen Friedhof bombardiert haben, ist klar... aber so gering waren die Schäden im alten jüdischen Friedhof am Zentralfriedhof nicht... und vor allem: es hat sich bis Mitte der 90er Jahre kein Mensch darum gekümmert, dass die Bombenschäden ausgebessert wurden :!:
Erst der Privat-Initiative eines Walter Pagler, der den Verein Shalom gegründet hat, ist es zu verdanken, dass die Bombentrichter aus dem Zweiten Weltkrieg in den 90ern!!! endlich aufgefüllt wurden und der total zugewucherte alte Friedhof gerodet und wieder zugänglich gemacht - sonst hättest du nämlich einen Teil der Bilder, die du uns hier zeigst, nicht machen können ;)

Ich habe damals einen Grabstein renoviert... und viele interessante Geschichten gehört...;)

Falls übrigens jemand die Absicht haben sollte, in Wien oder wo auch immer einen jüdischen Friedhof zu besuchen, bitte nicht vergessen: Hut oder Kappe aufsetzen!

Nur die Männer ;)

Ihr habt übrigens einen guten Zeitpunkt für diesen Beitrag gefunden - gerade gestern wurde beschlossen, dass die jüdischen Friedhöfe endlich saniert werden sollen...

Den Prager Friedhof habe ich letztes Jahr besucht.. hat ein ganz eigenes Flair...


Aber ..... wie feiert man auf einem Friedhof?

Schau nach Südamerika.. dort wird das Totengedenken wirklich gefeiert... mit einer richtigen Siesta... daran sollte man sich bei uns ein Beispiel nehmen ;)
 
Danke, LaFemme... wusste gar nicht, dass der Zentralfriedhof auch bombardiert wurde. Waren die Zielgeräte der Bomber so ungenau? Etwas spricht dafür....in Norwegens zweitgrösster Stadt Bergen gab es einen Friedhof in der Nähe des deortigen deutschen U-Boot-Bunkers. Statt diesen zu treffen, verwüsteten die Bomben den Friedhof, so dass die Skelette aus den Gräbern gerissen wurden. Zudem trafen Explosivkörper auch die nahegelegene Schule was fast alle Schüler und Lehrer das Leben kostete. Hier einige Pics vom Alten Jüdischen Friedhof in München.
 
Waren die Zielgeräte der Bomber so ungenau?
Ich weiß ned, ob sie ungenau waren. Es gab halt damals noch keine Bomben, die sich mittels GPS und Computersteuerung selbst den Weg zum Ziel gesucht haben. Heute ist es möglich, sogar in einer Stadt ein bestimmtes Gebäude gezielt zu bombardieren. Ob das ein Fortschritt ist, sei dahingestellt ..... :confused:

Damals war's halt noch ein bisserl anders, und die Genauigkeit des Bombenabwurfs war in erster Linie von den Bomberbesatzungen abhängig. Nerven und Angst mögen da auch eine gewisse Rolle gespielt haben, auch die herrschenden Windbedingungen. Ein paar Sekunden zu früh oder zu spät auf den bewussten Knopf gedrückt, und das Ziel wurde verfehlt.

In Floridsdorf zum Beispiel (einem Wiener Stadtbezirk) hat die Nähe verschiedener Industrieanlagen (Siemens, Lohner, Lokomotivfabrik, Raffinerie, aber auch Gaswerk, E-Werk) ebenfalls zu zahlreichen Beschädigungen an Wohnhäusern geführt. Beim Zentralfriedhof in Simmering war die Nähe zu den Raffinerieanlagen sowie dem Öl-Hafen sicher der herausragende Grund, weshalb es zu Zerstörungen durch Bomben kam.

Dann darf ich vielleicht noch ein kriegshistorisches Detail anfügen. Österreich und speziell Wien war über lange Kriegsjahre für die alliierten Bomber praktisch nicht erreichbar, da es außerhalb des Einsatzradius auch der Langstreckenbomber gelegen war. Dieser Umstand änderte sich erst nach der alliierten Landung in Italien, so dass ab ungefähr Herbst 1944 auch Wien in den "Genuss" regelmäßiger Bombardements kam.
Auch hatten wir das Glück, dass für uns großteils die amerikanischen Bomber zuständig waren, und das ist durchaus nicht sarkastisch gemeint, denn die Amerikaner hatten sich auf Bombardements während des Tages verlegt, unter anderem um eine größere Zielsicherheit zu haben. Zudem flogen die Amerikaner ihre Angriffe ausschließlich in Geschwadern, ebenfalls im Sinne der eigenen Sicherheit. Es gab ein eigenes Leitflugzeug, welches für Zielansprache und Zielerkennung zuständig war, und den Befehl zum Bombenabwurf erteilte.

Die Briten flogen ihre Bombereinsätze meist in der Nacht, mit einer gänzlich anderen Taktik. Die Formation wurde bei Erreichen des Einsatzgebietes aufgelöst, jeder Bomberpilot war genötigt, sich sein natürlich vorgegebenes Ziel selbst zu suchen. Um das in der Nacht zu erleichtern, wurden zwar von Vorausflugzeugen Leuchtbomben geworfen, um das ansonsten strikt verdunkelte Zielgebiet wenigstens notdürftig zu erleuchten. Man kann sich aber trotzdem sogar heute noch vorstellen, dass da von großer Genauigkeit keine Rede sein konnte, und wenn man bedenkt, dass die Bomber ja auch des Nachts dem Feuer von Flakgeschützen und auch von Jägern der Luftwaffe ausgesetzt waren, scheint es durchaus möglich, dass sich manch einer der Bomberpiloten gedacht haben mag: nur 'runter mit den Bomben und nichts wie weg.

Weiters hinzufügen möchte ich noch, dass Österreich, vor allem Wien, weitestgehend von Flächenbombardements verschont geblieben ist, und es daher nicht zu Zerstörungen in dem Ausmaß gekommen ist, wie man sie von Bildern aus München, Köln, Dresden und manch anderer deutschen Großstadt kennt.
 
Lieber Steierbua....

wenn man sich das von Dir so durchliest, kommt man sich vor, wie durch eine Zeitreie ins finstere, unaufgeklärte Mittelalter, sprich Zwanzigstes Jahrhundert, versetzt. Ist es doch heute undenkbar, dass etwa der EU-Partner England riesige Bombengeschwader gegen ein anderes EU-Land in Marsch setzt. Karl Valentin hat diesen Irrsinn seherisch schon mitten im Krieg erkannt, als er (sinngemäß) in etwa schrieb: Mein Vorschlag zum Benzinsparen: Täglich steigen in Deutschland und England Flugzeuge auf, um damit Bomben auf das andere Land zu werfen. Wieviel Benzin würde es doch sparen, wenn die englischen Flugzeuge ihre Bomben auf England werfen würden und die deutschen auf Deutschland. Das Ergebnis wäre das gleiche, aber wie viel sparsamer!

Frohe Weihnachten.....
 
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