Jeder, der sich nur halbwegs ernsthaft mit den Nachfolgestaaten der Sowjetunion auseinandergesetzt hat, weiss, dass die russische Führung kein attraktives politisches und gesellschaftliches Modell zu bieten hat. Repression, fehlende Meinungsfreiheit, Korruption und Misswirtschaft sind keine Erfindungen westlicher Medien, sondern eine traurige Realität in Putins Reich. Es sollte der Führung im Kreml schon zu denken geben, dass sich fast alle ehemaligen sowjetischen Satelliten von Moskau abgewandt haben. Niemand hat Polen, Tschechien und die anderen Osteuropäer dazu gezwungen, der Nato und der EU beizutreten. Sie wollten es selber, weil sie zuvor jahrzehntelang Erfahrungen gemacht haben mit Moskau und, gelinde gesagt, nicht die besten.
Zwei Systeme
Ähnlich verhält es sich mit der Ukraine. Die Menschen dort haben zwei Systeme vor Augen: den russischen Neozarismus und ein demokratisches Europa. Sie haben sich die Freiheit genommen, sich für das eine und gegen das andere zu entscheiden. Selbst der als russlandfreundlich geltende Ex-Präsident Janukowitsch verhandelte mit der EU über ein Assoziierungsabkommen. Offenbar versprach er sich mehr von einer Annäherung an die EU als von einem Beitritt zu Putins Eurasischer Union.
Erst als Moskau einen Wirtschaftskrieg gegen die Ukraine entfachte, musste Janukowitsch klein beigeben und sich unter die Fuchtel des grossen Bruders stellen.