... Warum hat der Westen in Jugoslawien jedes Referendum welches zu Abspaltung geführt hat, unterstütz und in der Ukraine nicht? Wurde in Jugoslawien ein Fehler begangen, falls ja warum gibt es keiner zu?
Vielleicht bist du da noch ein bissl zu jung, um mitreden zu können. In der tatsächlichen Wirklichkeit, also dort wo die realen Sachen passieren, dort hat "der Westen" in keiner Weise den Zerfall Jugoslawiens gutgeheissen, oder beschleunigt. In der HISTORISCHEN WIRKLICHKEIT, also in jener Welt, die tatsächlich passiert ist (als du noch ein Kind warst) sind die Dinge so geschehen:
- die Teilrepubliken wollten sich abspalten, bzw. haben sich für unabhängig erklärt
- England, Frankreich und die USA wollten die Integrität Jugoslawiens so lange wie möglich aufrecht erhalten
- sie haben dementsprechend die neuen unabhängigen Staaten lange Zeit nicht anerkannt
- dies geschah damals auch aufgrund der Vorbildwirkung auf die nach Unabhängigkeit strebenden baltischen Teilrepubliken der damals noch existierenden Sowjetunion
- und diese Rücksichtnahme galt vor allem dem sowjetischen Staatschef Mikhail Gorbatschow, dessen Führung die westlichen Staaten unter keinen Umständen destabilisieren wollten
- ALSO: England, Frankreich, und lange Zeit auch die USA haben den Grundsatz der UNVERÄNDERLICHKEIT DER GRENZEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG solange weiterverfolgt, wie das überhaupt gegangen ist
- "den Westen" gab es nicht, Österreich und die Bundesrepublik Deutschland haben (aus historischen Gründen) Slowenien und Kroation (bzw. später dann auch Bosnien) bei ihren Unabhängigkeitsbestrebungen unterstützt.
- weiters wurden die katholischen Staaten Slowenien und Kroatien auch vom Vatikan anerkannt, sonst aber von niemanden
Also: Geschichte lernen, bevor man irgend wo Fehler sucht
Im Übrigen war damals die Meinung auch in Österreich nicht eindeutig. Die ÖVP unter Aussenminister Mock hat vehement auf eine Anerkennung der jugoslawischen Teilrepubliken gedrängt, und war damals in diesen Staaten sehr beliebt. So wurde sogar in Sarajewo ein Lokal nach ihm benannt
Die SPÖ hat damals deutlich skeptischer auf die Unabhängigkeitsbestrebungen reagiert und eher die französisch-englische Linie vertreten, bzw. eine Beibehaltung der Staatsgrenzen der Nachkriegszeit gefordert.
Erst nach den einsetzenden Kriegsverbrechen, die in größerem Ausmaß (jedoch nicht ganz einseitig) von der serbischen Seite ausgegangen sind, ist die USA langsam auf die kroatische Seite übergeschwenkt, das erklärt auch die meines Wissens noch heute bestehende sehr enge Verbindung zwischen der kroatischen Armee und den USA. Und erst Jahre danach (gegen Ende der Neunziger) haben die USA selbst aktiv militärisch am Balkan interveniert, um die militärischen Ressourcen der jugoslawischen Volksarmee zu zerschlagen.
Grundsätzlich hat die Mehrheit der Staatengemeinschaft in den ersten Jahren der Jugoslawienkrise die UNANTASTBARKEIT DER GRENZEN VON 1945 GEFORDERT. Ausnahme waren im Grunde vor allem Deutschland und Österreich (was ich heute deutlich skeptischer sehe, als damals).
Allen, die zur aktuellen Krise in der Ukraine etwas beitragen möchten, sollten ansehen, was in Jugoslawien passiert ist und an die hunderttausenden von Opfer denken. Am Ende eines jeden solchen (vom Nationalismus befeuerten) Konflikts steht immer die gleiche Situation, wie auch an dem Tag, an dem die ganze Misere begonnen hat: die verschiedenen Volksgruppen müssen miteinander leben und auskommen.
Russen und Ukrainer können jetzt militärisch tönen wie sie möchten, Putin kann den Konflikt zur innenpolitischen Gleichschaltung instrumentalisieren, so stark wie er möchte (man kann das ja sogar an manchen Postings hier im Forum herauslesen
) - am Ende werden RUSSEN UND UKRAINER FRIEDLICH ZUSAMMENLEBEN MÜSSEN. Egal, wie sehr ukrainische Nationalisten jetzt die Stimmung anheizen, egal wie sehr das ihre russischen Spiegelbilder jetzt genauso tun. Egal wie sehr hier Auslandsrussen oder Russenfreunde hier bei uns für Putin ihre Liebeserklärungen tönen, oder nicht. Am Ende sind alle genau dort, wo sie am Anfang der Debatte bzw. des Krieges standen.
AUSSER DENEN, DIE BEI DEN KÄMPFEN UMGEKOMMEN SIND, DENN DIE SIND AM FRIEDHOF