Ich habe auch dafür gestimmt. Heute, im Lichte gewisser Entwicklungen würde ich es mir gründlich überlegen. Mein Hauptbeweggrund waren damals Sicherheits- und Friedenspolitische Motive. Die Jugoslawienkrise war 1995 noch gegenwärtig. Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum mit gemeinsamer Währung schienen mir auch sinnvoll und das Wegfallen von Grenzkontrollen angenehm.
Aber: Es waren 1995 gewisse Dinge nicht absehbar. Hätte damals ein Politiker gesagt, dass mit dem EU Beitritt auch Zahlungen und Haftungen gegenüber anderen Ländern kommen, weiss ich nicht, wie die Abstimming insgesamt ausgegangen wäre. Und ich befürchte auch, dass die EU an diesen wirtschaftlichen Problemen scheitern wird. Beim Geld fangen die Leute zuerst zum Streiten an und wer weiss, ob das, was ursprünglich als Friedensprojekt geplant war, im Gegenteil endet.
Meiner Meinung nach sollte auch für Staaten ein Grundsatz gelten, wie er unter Privaten bekannt ist. 'Klare Rechnung - gute Freunde'. Im privaten Bereich werden Konkurse akzeptiert, Privatleute und Firmen gehen pleite. Die völkerübergreifenden Hilfestellungen überstrapazieren das Verständnis der Leute in den noch halbwegs gutsituierten Ländern. Undemokratisch emfpinde ich, dass bei der Entscheidung der enormen Zahlungen und Haftungen die Bevölkerung nicht einbunden wird. Nur weil jemand vor 15 Jahren für die EU gestimmt hat, muss er nicht in alle Ewigkeit bereit sein, sein Steuergeld ins Ausland zu pumpen.
In der Privatwirtschaft überlegen sich Gläubiger auch dreimal bevor sie einem Schuldner den Geldhahn zudrehen. Es ist immer ein Abwägen der Frage, ob man jemanden am wirtschaftlichen Leben erhält, in der Hoffnung doch noch in Zukunft sein Geld mit Zinsen zurückzubekommen - oder sich einen kranken Zahn ziehen zu lassen.
Deine Motive haben wohl sehr viele gehabt.
Zur Erinnerung: 1995 gab es noch keine gemeinsame Währung und diese ist auch nicht an die EU gebunden. So sind bis heute nicht alle EU-Länder auch Euro-Länder und es gibt Nicht-EU-Länder, die aber den Euro als Währung haben.
Den gemeinsamen Wirtschaftsraum (EWR) gab es auch schon vorher und er ist weit größer als die EU.
Weder die Währung noch der Wirtschaftsraum konnten also Beitrittskriterien sein. Das Argument mitbestimmen zu können war damals schon lächerlich. Einerseits hat Österreich in den Jahrzehnten davor - eigentlich seit 1918 die deutsche Politik nachvollzogen, andererseits konnte kein vernünftiger Mensch annehmen, daß die Mitsprache wirklich gravierenden Einfluß haben kann, nicht einmal dort, wo es Vetorechte der einzelnen Staaten gibt.
Was freilich anzunehmen war:
* Reformen, die längst überfällig waren, würden rascher und entschiedener umgesetzt - das bewahrheitete sich nur teilweise und zwar wesentlich dadurch, daß einerseits eine Inländerdiskriminierung nicht verboten ist und andererseits die Reformen in der EU selbst extrem langsam vor sich gehen.
* Die Randlage Österreichs könne rascher beendet werden und die Kontakte zu unseren mitteleuropäischen Nachbarn würden rascher normalisiert und intensiviert - das bewahrheitete sich voll, leider aber konterkarieren wir es durch unsere idiotische Fremdenfeindlichkeit, den weitverbreiteten Neid und die üble Mißgunst. Wenn es uns heute nicht noch besser geht, dann haben wir es uns wirklich selbst zuzuschreiben.
* Europa wird ein Freidensprojekt - das stellte sich seit der Kriegsteilnahme vieler EU-Staaten als Illusion heraus, denn auch wenn die EU (bisher) nicht Krieg führt, so hat das nichts an dem Verhalten von Frankreich, Großbritannien und anderen geändert und leider auch Deutschland auf die Seite der Agressoren geführt (nicht zu vergessen: unter einer rot.grünen Regierung, allein mit den Gegenstimmen der Linken).
Der Zahlungen und Haftungen für andere Länder kann man sich zwar formal durch geschickte Verträge entziehen, nicht aber den wirtschaftlichen Folgen eines Landes, mit dem man Wirtschaftsbeziehungen hat und das in Schwierigkeiten gerät. Kurz: Im Fall von Griechenland, Irland und Portugal ist es weitgehend egal, ob man in der EU ist oder nicht, Die Nachteile erreichen Österreich so oder so. Das Problem sind ja nicht diese Staaten, sondern die international verflochtenen Banken, die außer Rand und Band geraten sind. Hier keine entschiedenen Maßnahmen zu setzen ist das Verbrechen der Gegenwart an unserer aller Zukunft. Das was nötig wäre ist ein mehrjähriger Entschuldungsplan der Staaten durch die Gewinne der Banken aber nicht milde Gaben aus dem reichlichen Gewinn der nimmersatten Banken.
Das Problem sind nicht nur die verschuldete Staaten, sondern ebenso die übermäßig reichen "Exportweltmeister", denn diese waren es ja, die durch künstlich unterdrückten Inlandskonsum das Geld verfügbar hatten den armen Staaten Kredite geben, oft auch aufnötigen zu können. Klar wäre ein Staatsbankrott richtig - vermutlich würde er noch mehr schaden als das gegenwärtige Weiterwursteln. Nicht so schädlich wäre ein Konkurs der Spekulationsbanken und -investoren. Richtig gemacht hätte es nur dir spekulativen Bereiche der Finanzwirschaft getroffen. Aber nicht einmal diesen Bereich konnte man in Griff bekommen.
Man sollte nicht vergessen, daß Volkswirtschaft und Betriebswirtschaft zwei völlig verschiedene Sachen sind. Jeder Schuld steht anderswo ein Vermögen entgegen. Schuldenabbau des Staates heißt nichts anderes als Vermögensabbau in der inländischen Privatwirtschaft oder bei ausländischen Investoren.