Beatrice Weder di Mauro
"Die Krise kann einen schon verzweifeln lassen"
Die Konzepte der Regierungen zur Bewältigung der Euro-Krise greifen zu kurz, warnt die Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro. Im Interview kritisiert sie das Taktieren der Politik und fordert eine rasche Umschuldung.
Die Lage ist wirklich ernst. Wenn man noch vor kurzem sagen konnte, das sei eine Schuldenkrise einzelner Länder, dann ist das jetzt explizit vorbei. Auch ich habe noch vor Monaten gesagt, das ist keine Krise des Euroraums, aber jetzt habe ich meine Sprache geändert.
Es ist also nicht mehr auszuschließen, dass sich die Krise auf weitere Länder ausweitet?
Es war eine Illusion zu meinen, dass die Ansteckungsgefahr auf andere Länder eingedämmt würde, wenn man nur eine Umschuldung vermeidet. Obwohl für Griechenland jetzt ein zweites Hilfsprogramm vorbereitet wird, hat die Ansteckung schon stattgefunden. Wir haben jetzt definitiv eine Krise des Euroraums.
Also sind die Märkte doch nicht, wie ihre Kritiker oft behaupten, hysterisch?
Das hat nichts mit Hysterie zu tun, sondern mit völlig rationalem Kalkül. Länder geraten in eine Gefahrenzone, wenn ihre tatsächliche finanzielle Tragfähigkeit entscheidend von den Erwartungen der Märkte abhängt. Wenn nämlich für Spanien oder Italien die Zinsen stark steigen und für einige Zeit auf hohem Niveau verharren, geht die Rechnung der finanziellen Tragfähigkeit plötzlich nicht mehr auf. Und obwohl sich an den fundamentalen Faktoren nichts geändert hat, erfüllt sich die Prophezeiung selbst.
http://www.handelsblatt.com/politik/international/die-krise-kann-einen-schon-verzweifeln-lassen/4396314.html
Aber warum? Die Finanzlage Italiens und Spaniens ist doch unverändert.
Spanien weist einen niedrigeren Verschuldungsgrad als Deutschland auf und Italien hat eine niedrige Nettoneuverschuldung. Beide Länder sind aus heutiger Sicht nachhaltig finanziert, da haben Sie Recht. Aber aus unterschiedlichen Gründen sind beide Länder dennoch anfällig für eine Ansteckung.