Wir Eropäer ticken da anders
Ja, wir ticken ganz anders als die Amerikaner. Und für mich ticken wir nicht in allen Belangen schlechter. Vor allem müssen wir der Ausgangslage Europas Rechnung tragen.
Europa wird immer ein Europa unterschiedlicher Nationen sein. Das wird sich auch mittelfristig kaum ändern. Dazu ein Beispiel ..... die Sozialsysteme. Da haben die Amerikaner leicht lachen, denn eigentlich haben die ja kein wirkliches Sozialsystem. Kalifornien wird also möglicherweise pleite gehen. Aber bestimmt nicht deswegen, weil die Frauen mit 57 in Pension gehen. Und es gibt Gründe, warum das den Bundesstaat nicht so sehr berührt. Wenn man sich´s genauer anschaut, dann müssen eben manche Unterschiede bestehen bleiben. Oder willst du, dass mit deinen Einzahlungen in das österreichische Sozialsystem die Pensionen in der Slowakei oder die Spitäler in Griechenland mit finanziert werden? Und sicher will auch niemand völlig im Ernst hier bei uns amerikanische Zustände einführen (Gut, einige vielleicht schon).!! Eben!
Ein einheitliches europäisches Sozialsystem ist sicher nur sehr langfristig machbar und müsste beispielsweise im Pensionssystem dem Umstand Rechnung tragen, dass es regionale Unterschiede gibt. Auch in Bezug darauf, dass die Begriffe "viel" und "wenig" regional unterschiedlich sind.
Generell muss es unser Ziel sein, die Produktivität Europas zu steigern und Importe zu mindern. Den Dumm - Slogan von der "Dienstleistungsgesellschaft" kann ich nicht mehr hören. Wohin uns Deindustrialisierung geführt hat, das sehen wir ja gerade.
Es gibt aus meiner Sicht zwei Bereiche, wo die europäische Einigung
sehr großen Nachholbedarf hat. Der eine ist die (nicht vorhandene) gemeinsame Außenpolitik. Hier ist dringender Handlungsbedarf gegeben, wollen wir in der Welt ernst genommen werden. Freilich, das hieße für so manchen herum hüpfenden Pfau auf der europäischen Bühne,dass er in Zukunft nicht so wichtig wäre.
Und damit zusammen hängend ...... eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Die letzten Endes vielleicht nicht unbedingt in
eine europäische Armee münden muss, aber doch zumindest in ein wirkliches europäisches Verteidigungsbündnis, das sich von den USA emanzipiert. In dem Zusammenhang stelle ich die österreichische Neutralität als völlig überkommen in Frage. Wir können uns nicht von den anderen verteidigen lassen. Wir können nicht von den Anderen erwarten, dass sie auch unsere Rohstoffquellen sichern. Und darum geht es nicht zuletzt in dieser globalisierten Welt. Wie war das doch mit Libyen? Wir können natürlich gutmenschlich - pazifistisch daher schwatzen, während uns die Chinesen allenthalben den Rang ablaufen.
Und ...... um wieder auf Griechenland und die Türkei zurück zu kommen: eine solidarische europäische Verteidigungspolitik würde hier wohl klare Fronten schaffen. Gegenüber einer gesamteuropäischen Verteidigungsgemeinschaft würde der
neue Sultan in Ankara wohl vorsichtiger auftreten als gegenüber Griechenland oder Zypern. Aber das nur ganz am Rande, doch es wird wohl bekannt sein, dass Ankara festgelegte Seegrenzen in der Ägäis und auch mit Zypern in Frage stellt, seitdem dort eine gewisse - noch unbestätigte - Hoffnung auf Gas und Öl besteht. Für Griechenland hieße das, mehr Sicherheit für weniger Geld (=eigene Rüstungsausgaben), wir müssten unseren Verteidigungsetat wohl aufstocken.
Nun aber zum Knackpunkt, der Banken- und Schuldenkrise. Eines darf sicher nicht passieren, nämlich dass wir in irgend einer Form für die Schulden der Griechen einstehen, und die dürfen - nach erfolgter Entschuldung - so weiter machen, wie bisher. Lösungen, die auf eine Abwälzung der Verantwortung nach Gesamteuropa hinauslaufen - beispielsweise Eurobonds - die kann es nur unter einer Bedingung geben. Alle Länder (auch die Schummelgriechen) müssen sich einem strikten Regime bezüglich der Finanzen unterstellen. Ich weiß ja nicht, ob die EU - Kommission geeignet ist, eine solche Funktion zu erfüllen. Aber irgendwie stelle ich mir schon vor, dass sie auch für Nützlicheres da sein sollte. Nicht nur für Sparlampen und Quotenregeln. Übrigens - die Pleite der Griechen wird inzwischen immer wahrscheinlicher ...... wie hat sich das vor wenigen Wochen noch angehört - ich hab ihnen auch geglaubt - bei Merkel und Co? Die Rettung Griechenlands ist ohne Alternative. Aha
... und jetzt?
Ein ganz wesentliches Element, auch das wurde gestern in einer Bemerkung angesprochen, ist die Deindustrialisierung in etlichen europäischen Ländern. Hier wurde zwar England angesprochen, dass an Stelle der Industrie jetzt offenbar die Finanzwirtschaft als wichtigsten Unternehmenszweig ansieht. Griechenland hatte jedoch noch nie eine Industrie von Bedeutung.
Die Deindustrialisierung Europas hat ja auch dazu geführt, dass wir inzwischen eine viel zu große Zahl von Gütern importieren. Von China muss ich erst gar nicht reden, es gibt näher liegende Beispiele. Und da fällt mir wieder die Türkei ein. Die bejubelt ihr hohes Wirtschaftswachstum. Dieses Wachstum beruht aber auch darauf, dass europäische Firmen ihre Produktionen in die Türkei verlagert haben. So produziert Renault den Stufenheck - Megane in Bursa. Die Verlagerung der kompletten Produktion des Clio wurde erst nach massiven Protesten in Frankreich nicht vorgenommen. Als Insider im Aluminium - Geschäft weiß ich auch, dass die Zulieferung von Gussteilen für die Autoindustrie aus der Türkei nicht ganz unbedeutend ist.
So .... und was hat das jetzt mit Griechenland zu tun? Ja, verdammt noch einmal ...... in Griechenland gibt es angeblich zu wenig Arbeitsplätze, so dass es gar keine anderen Ausweg gibt, als die Leute nutzlos in irgend welche Ämter zu setzen. Ist noch keiner der genialen EU - Strategen auf den Gedanken gekommen, diese Produktionen nicht in die Türkei, sondern nach Griechenland zu verlagern? Dazu müsste die EU sicher Fördergelder in die Hand nehmen. Und die Griechen müssten vor allem eines: Mehr arbeiten und weniger streiken.