Schuldenkrise
Vor dem Urknall
Immer mehr Euro-Staaten stürzen ab: Nur ein politischer Kraftakt kann die Währung noch retten. Nun soll rasch eine neue Statik eingezogen werden. Womöglich zu spät.
Wenn die Lage wirklich brenzlig wird, dann geben sich Notenbanker erst recht unterkühlt. "Die Krise hat uns an einen Punkt gebracht", sagte EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen im Juni bei einer manager-magazin-Veranstaltung, "an dem wir uns für einen von zwei Wegen entscheiden müssen": Entweder die "unvollständige Währungsunion zu vervollständigen und sie dadurch zu stabilisieren". Oder "einen Integrationsschritt zurückzugehen". Vorsichtiger kann man die prekäre Lage kaum beschreiben.
Weitgehende politische Union oder Auflösung des Euro - das scheinen jetzt noch die Optionen. Nach der Wahl in Griechenland, nach der erneuten Verschärfung der Krise in Spanien und Italien steht mehr auf dem Spiel als nur das gemeinsame Geld.
Falls es nicht gelingt, die Mitgliedstaaten in einem historischen Kraftakt zu einer Art Föderation zusammenzuschweißen, könnte das Projekt der europäischen Einigung insgesamt scheitern, mit unabsehbaren Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Gefahr besteht darin, dass Europa nicht bloß "einen Integrationsschritt" zurückgeht, wie Asmussen sagt, sondern gleich mehrere.
So oder so - in Europa kündigt sich ein Urknall an. Danach wird die Welt radikal anders sein als zuvor.
Was jetzt passiert, ist der Endpunkt einer langen Entwicklung. Vor zweieinhalb Jahren brach die Staatsschuldenkrise in Griechenland aus. Seither haben sich Regierungen und Notenbanken Zeit gekauft. Aber sie haben diese Zeit nicht genutzt, um aus der Euro-Zone ein wirkliches Euro-Land zu schmieden - eine "immer engere Union der Völker Europas", wie sie im Maastricht-Vertrag versprochen wurde.
Nun muss alles ganz schnell gehen
Nun muss plötzlich alles ganz schnell gehen. Binnen weniger Wochen wollen die vier Präsidenten Europas einen neuen Bauplan für die Währungsunion skizzieren. Mario Draghi (EZB), José Manuel Barroso (Kommission), Herman van Rompuy (Europäischer Rat) und Jean-Claude Juncker (Euro-Gruppe) bleibt nicht viel Zeit, und Draghi hat die Latte besonders hoch gelegt: Eine Zehnjahresvision müsse jetzt her. Die Europäer und der Rest der Welt müssten endlich klarmachen, dass sie eine gemeinsame Zukunft vor sich haben.
Es ist die vielleicht letzte Hoffnung auf ein gutes Ende. Alles Sparen und Reformieren hat nicht die erhofften Erfolge gezeitigt. Die Notenbanken können allenfalls vorübergehend mit Interventionen aushelfen. Und die Euro-Rettungsschirme EFSF und ESM sind zu klein.
So müsste ein wirklich wirksames Hilfsprogramm für Spanien die gigantische Summe von 400 Milliarden Euro umfassen, kalkulieren Brüsseler Insider. Damit wären 80 Prozent des Ausleihvolumens des neuen ESM weg - und der ist noch nicht mal einsatzfähig, weil alle auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland über die Rechtmäßigkeit des ESM warten.
http://www.manager-magazin.de/magazin/artikel/0,2828,845834,00.html