Darabos hat sich heute scheinbar im Presse-Chat verplaudert. Egal wie die Befragung am 20. ausgeht, man kann davon ausgehen, das die Wehrpflicht Geschichte ist.
Frage: Berufsheer hieße doch Verfassungsänderung, was passiert wenn es im Parlament keine 2/3 Mehrheit dafür gibt?
Darabos: "Nachdem sich die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP darauf geeinigt haben, das Ergebnis dieser Volksbefragung bindend zu akzeptieren, würde ein Nichtzustandekommen einer 2/3 Mehrheit im Parlament dazu führen, dass die Wehrpflicht ausgesetzt wird. Das ist übrigens auch in der Bundesrepublik Deutschland der Fall."
Frage: Falls die Abstimmung für ein Berufsheer ausfällt, ab wann kann man mit der Abschaffung des derzeitigen Modells rechnen? Was passiert mit den Bürgern die davor schon bei der Stellung waren?
Darabos: "Man kann davon ausgehen, dass die allgemeine Wehrpflicht mit 1.1.2014 abgeschafft oder ausgesetzt werden kann."
Wie sie das mit der nicht zustandekommenden 2/3 Mehrheit und der daraus folgernden Aussetzung der Wehrpflicht rechtlich ausgestaltet haben, würde mich allerdings brennend interessieren!
So, wie Du es berichtest, ist es auch. Die Politiker haben nämlich kapiert, daß die Befragung ein inhaltlicher Blödsinn ist und lediglich dafür taugt die Stimmung in der Bevölkerung abzutesten. Weder SP noch VP wollen sich vom Volk regieren lassen, auch wenn sie zeitweise gelähmt und zerstritten sind. Wenn es darauf ankommt Gesetze zu machen, werden sie wieder da sein. Das Wichtigste ist aber wohl, daß das Thema aus dem Wahlkampf herausgenommen wird, wofür es sich wegen seiner Wichtigkeit wirklich nicht eignet.
Den verantwortlichen Politikern ist längst bewußt, daß ein Berufsheer mit ausgesetzter Wehrpflicht, wie dies übrigens auch von der Bundesheerreformkommission als relativ beste Lösung (falls es finanzierbar ist) präsentiert wurde, die beste Lösung für Österreich ist.
Nur wird das am 20.1.13 gar nicht gefragt. Inzwischen ist ja auch klar, daß auch eine derartige deutlich teurer ist als das Gegenwärtige und daß es zu einer besseren Dotierung von Heer und Sozialdiensten wird kommen müssen. Finanziert wird dies klarerweise aus Steuergeldern und weiter steigenden Sozialabgaben (bzw. Selbstbehalten im Gesundheitsbereich). Dies wird teils auch durch eine verlängerte Lebensarbeitszeit infolge eines erhöhten Pensionsantrittsalters finanziert werde, wobei der Arbeitslosigkeit ggf. mit den vermehrt notwendigen (und schlecht bezahlten) Sozialdiensten entgegengewirkt werden wird.
>> Wird also bei der Befragung pro Wehrpflicht gestimmt, wird es eine Aussetzung (aber nicht Abschaffung) dieser Pflicht geben. Der Vorteil wäre diese Aussetzung rasch wieder per Verordnung rückgängig machen zu können, wenn es zu einer längerfristigen Krisensituation kommt. Bei einem Ergebnis pro Wehrpflicht wird man den Österreichern die Teilnahme österreichischer Soldaten im Rahmen einer EU-Armee an (Agressions-)Kriegen nahebringen zu können, wie das in den EU-Verträgen bereits grundsätzlich vereinbart ist. Die Neutralität wird man dann wohl nicht endgültig entsorgen können, wie das manche unserer Politiker unausgesprochen wollen.
Eigentlich wird über das Thema "Neutralität Österreichs oder die EU als Weltmacht mit großer zentraler Armee" in Form einer Stimmungsbilderhebung befragt. Daß diese Frage nicht wirklich zum Thema gemacht wird, ist leider eine Schwäche unserer Demokratie. Doch schon in der Verfassung steht: "Das Recht geht vom Volk aus" - davon, daß das Recht zum Volk zurückkehrt, steht hingegen nichts in der Verfassung. Deswegen gibt es in der Regel keine Volksabstimmungen, sondern nur Befragungen.
>> Wird aber contra Wehrpflicht gestimmt, so wird sich die Politik schwer tun die Wehrpflicht wirklich aus der Verfassung zu nehmen, da es für eine derartige radikale Verfassungsänderung im Parlament keine Mehrheit gibt, sofern man den parteiweisen Abstimmungszwang aufhebt. Eine Wehrpflicht, die bei drastisch geänderten geopolitischen Verhältnissen wieder als notwendig angesehen werden könnte, wird es dann nicht mehr so leicht geben können. Wie schwierig das ist, hat man bei der Abstimmung über den ESM (im Verfassungsrang) und die Schuldenbremse (nur als einfaches Gesetz mit §15a-Bindung der Länder) gesehen. Auch in diesem Fall werden die Politiker sich winden und verbiegen, um die Aussetzung der Wehrpflicht als Volkswille aussehen zu lassen, was aber nicht wäre.
>> Bei einer Abstimmung pro Zivildienst wird man diesen kurz- bis mittelfristig aus volkswirtschaftlichen Gründen und um dem Lohndumping bei den Sozialberufen endlich entgegenwirken zu können, besser bezahlen müssen. Dies kann durch eine bessere Bezahlung der Zivildiener oder durch die Möglichkeit eines bezahlten "Sozialen Jahres" erfolgen.
>> Bei einer Abstimmung gegen den Zivildienst wird man diesen aus politischen Gründen rasch aufheben müssen und rasch durch ein bezahltes "Sozialen Jahr" ersetzen müssen. Damit wird die Reform in diesem Bereich rascher, aber mit demselben Ergebnis, erfolgen.
Was ist die Auswirkung im Sozialbereich? In beiden Fällen werden die unbezahlten Freiwilligen-Dienste (Freiwillige Feuerwehr, Rettungseinsätze, Katastrophenhilfe,...) so wie bisher vor allem in Krisensituationen in Anspruch genommen werden, die permanent notwendigen Sozialen Hilfsdienste (wie z.B. Krankentransporte) aber mit einer Bezahlung als angelernte Hilfsarbeiter versehen werden. Die Kosten werden wir in jedem Fall über die Kranken- und Unfallversicherungen bezahlen.
Das "Soziale Jahr" wird daher bezahlte Einstiegsmöglichkeit in die Freiwilligen-Dienste sein, das dieses "Soziale Jahr" vorhersehbar an eine spätere Teilnehme an Freiwilligen-Dienste gekoppelt werden wird. Ganz ähnlich wird die Lösung für das Bundesheer sein: Auch bei ausgesetzter oder gesetzlich abgeschaffter Wehrpflicht wird es die Notwendigkeit für angelernte Hilfsarbeiten geben - dies wird über Rekruten auf Freiwilliger Basis gelöst werden, wobei diese Personen dann als Milizkräfte (u.a. für den Katastrophenschutz) verpflichtet werden.
In jedem Fall wird es zur Gleichstellung der Geschlechter kommen, wobei bei steigender Arbeitslosigkeit der Druck auf die betroffenen Männer und Frauen steigen wird, zwischenzeitlich derartige (schlecht bezahlte) Dienste anzunehmen. Im Fall der Rücknahme der ausgesetzten Wehrpflicht wird diese später (aus politischen Gründen) wohl nicht mehr nur für Männer wiedereingeführt werden (können).
In Deutschland war übrigens nicht einmal ein Gesetz nötig, um die Wehrpflicht auszusetzen. Da genügte ein Regierungsbeschluß (=Verwaltungsakt, aber kein Gesetz) ohne Einbindung des Parlaments.
Das wäre in Österreich vermutlich auch so möglich (schon bisher hat man die Tauglichkeitskriterien und Ausnahmebestimmungen stark verwässert), wenngleich es so nicht geplant ist. Seriöser ist eine einfachgesetzliche Änderung (die in der politischen Realität Österreichs von den jeweiligen Regierungen auch immer sehr rasch durchzusetzen war und vermutlich bleiben wird).