ich zitiere mich (ausnahmsweise) selbst: ... die schleichende top-down-Entdemokratisierung... Dem Hollande wird schon auf die Zehen getreten. Dem Cameron auch. Und wieso die Merkel im eigenen Land trotz all der Probleme, die ihre Austeritätspolitik verursacht (noch?) Ruhe hat... weiß ich nicht.
Kannst Du beschreiben, was Du mit top-down-Entdemokratisierung meinst?
Bzgl. Deiner Andeutung, die Austeritätspolitik schaffe Probleme, kann ich Dir überhaupt nicht zustimmen. Damit würden Ursache und Wirkung umgekehrt werden. Die Probleme wurden durch die Schuldenpolitik geschaffen (wie Du in Deinem früheren Beitrag ohnehin richtigerweise festgestellt hast). Die Sparpolitik ist nur eine Reaktion darauf. Die Illusion, dass zusätzliche Schulden durch zusätzliches Wachstum zurückgezahlt werden können, ist leider nie Wirklichkeit geworden.
Aber die demokratischen Institutionen auf europäischer Ebene werden eben nicht durch Nichtwählen und auch nicht durch Protestwählen gestärkt...
Da stimme ich Dir zu. Ich verstehe aber auch die Leut', die nicht wählen gehen. Worauf können die EU-Parlamentarier zurückblicken, auf das sie das Wählervolk hinweisen können, was sie geleistet haben. Sie haben gewiss Verschlechterungen verhindert, bspw. durch Ablehnung des ACTA-Abkommens oder der Saatgutverordnung. Aber was ist im Lebensbereich des Durchschnittsbürgers Positives passiert, was auf die EU zurückzuführen ist? Die vielgepriesenen offenen Grenzen assoziiere ich zu allererst mit gestiegener Kriminalität in meiner unmittelbaren Umgebung. Und so geht es vielen Leuten. Für mich einer der Hauptgründe für die Unbeliebtheit der EU in Österreich.
Für den kommenden Sonntag: Alles was Karas und ÖVP schwächt ist zu befürworten. Dann ändert sich auf europäischer Ebene etwas und auf nationaler. Zweiter, besser wäre noch dritter Rang für die ÖVP/OK .... dann wird es wirklich erst spannend.
Was findest Du an der ÖVP-Politik so schlecht?
Das Gute an der ÖVP für mich ist, dass sie gegen Vermögenssteuern ist. Ich möchte, nachdem ich alle Steuern bezahlt habe, auch einmal Ruhe haben vom Fiskus. Ich würde im Gegenteil bestehende Vermögenssteuern wie Grund- und Kfz-Steuer abschaffen. Ich halte es für pervers, für den Besitz eines legal erworbenen Vermögensguts, das ich mit versteuertem Geld angeschafft habe, Steuern zahlen zu müssen. Ebenso abschaffen würde ich die KESt auf alle Geldanlagen unter der Inflationsrate. Denn die Inflation kommt eh wieder dem Staat zu Gute.
Die ÖVP ist - neben den Neos - die einzige Partei, die seriös und vehement gegen Vermögenssteuern auftritt. Daher ist sie grundsätzlich auf der Liste meiner wählbaren Parteien.
Bei der EU-Wahl sind Steuern zweifellos ein Nebenthema, da eine Vereinheitlichung Einstimmigkeit des Rates voraussetzt.
Eine in gewisser Weise interessante EU-Politik betreiben sicher die Grünen, weil sie sich im Zusammenhang mit dem TTIP-Abkommen zumindest für mehr Demokratie und hohe Standards aussprechen. Das hört man in dieser Deutlichkeit von keiner anderen Partei. Außerdem müsste man Frau Lunacek honorieren, dass sie sich als eine der wenigen Abgeordneten ausdrücklich gegen die Dummheit eines generellen Prostitutionsverbots eingesetzt, sogar einen Gegenvorschlag eingebracht hat. Aber zugegeben, da waren alle österreichischen Abgeordneten einigermaßen vernünftig.
Nicht wählbar halte ich diesmal die Neos, weil sie als "Föderalisten" sich für die Vereinigten Staaten von Europa einsetzen. Ich halte einen europäischen Superstaat für generell undemokratisch, egal wie ausgeprägt die Institutionen sind. Kleiner Nebenaspekt: Ich finde nicht, dass die EU deshalb undemokratisch ist, weil der Rat der Staats- und Regierungschefs das meiste entscheidet. Diese sind ja auch demokratisch legitimiert.
Ein EU-Superstaat wäre aus meiner Sicht deshalb undemokratisch, weil er zu groß wäre. Die Volksvertretung wäre extrem weit vom Volk entfernt.
Aber prinzipiell halte ich die Neos mit ihrem wirtschaftsliberalen Ansatz für interessant, insbesondere weil sie die einzige Partei sind, die Unternehmensgründungen fördern möchte. Letztlich sind Arbeitsplätze nur auf diese Art und Weise zu schaffen. Wie bei allen liberalen Ansätzen stellt sich die Frage, wie weit Liberalismus gehen soll. Ein Freihandelsabkommen wie das geplante TTIP, mit intransparenten Regeln und einer Sonderjustiz, halte ich nicht für erstrebenswert. Es ist zweifellos liberal, lässt aber demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien außer Acht. Liberalismus ist für mich zwangsläufig mit Transparenz verbunden, und Transparenz erreicht man immer nur durch Regulierung. Regulierung ist aber ein Begriff, den Liberale tendenziell bekämpfen.