Eure Lieblingsgedichte/Texte

Eine wahre Geschichte

Wenn ich mein Leben
noch einmal leben könnte, im nächsten Leben
würde ich versuchen mehr Fehler zu machen.

Ich würde nicht so perfekt sein wollen,
ich würde mich mehr entspannen.
Ich wäre ein bisschen verrückter
als ich gewesen bin,
ich würde nicht so gesund leben.
Ich würde mehr riskieren,
Sonnenuntergänge betrachten,
mehr bergsteigen,
mehr in Flüssen schwimmen.

Ich war einer dieser klugen Menschen,
die jede Minute seines Lebens fruchtbar verbrachten.
Freilich hatte ich auch Momente der Freude.
Aber wenn ich noch einmal
anfangen könnte, würde ich versuchen,
nur mehr gute Augenblicke zu haben.
Falls du es noch nicht weißt,
aus diesen besteht nämlich das Leben.
Nur aus Augenblicken.
Vergiss nicht den jetzigen.

Wenn ich noch einmal leben könnte,
würde ich von Frühlingsbeginn an,
bis in den Spätherbst barfuss gehen.
Und ich würde mit mehr Kindern spielen,
wenn ich mein Leben noch vor mir hätte.

Aber sehen Sie...
...ich bin 85 Jahre alt und ich weiß,
dass ich bald sterben werde...

- Nicht einmal 2 Jahre später war Jorge Luis Borges tot.
1899 in Buenos Aires geboren, starb er 1987 in Genf -
 
Ich bin mir sehr sicher, dass das Gedicht schon einige Male gepostet wurde ... nur, es ist so wunderschön und sollte immer wieder mal hervorgeholt werden!!! :)

Mein Herz, ich will dich fragen

Mein Herz, ich will dich fragen,
Was ist denn Liebe? Sag!
„Zwei Seelen und ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag!“

Und sprich, woher kommt Liebe?
„Sie kommt und sie ist da!“
Und sprich, wie schwindet Liebe?
„Die war's nicht, der's geschah!“

Und was ist reine Liebe?
„Die ihrer selbst vergisst!“
Und wann ist Lieb' am tiefsten?
„Wenn sie am stillsten ist!“

Und wann ist Lieb' am reichsten?
„Das ist sie, wenn sie gibt!“
Und sprich: Wie redet Liebe?
„Sie redet nicht, sie liebt!“

(Friedrich Halm)

 
Heute mal was komplett anderes; gerade beim Autofahren gehört und mein Kleiner meinte immer nur: so schöner Text, so schöner Text.

Ein
jiddisches Lied mit dem Titel "A Brivele Der Mamen"

Mein kind, du trost, du fährst fort,
So sei ein guter sohn.
Dich bittet mit tränen und mit schreck,
Deine liebe mutter

Du fährst mein kind, mein einzig kind,
Über das weiter meer.
Ach komme dort an nur frisch, gesund,
Und vergiß nicht deine mutter.
Ja, fahr gesund, und komme an mit glück.
Sollst jede woche einen brief schicken,
Deine mutters herz, mein kind, erfreuen.

Ein brief an die mutter, sollst du nicht versäumen,
Schreib geschwind, mein liebes kind,
Schenk ihr deinen trost.
Die mutter wird deinen brief lesen,
Und sie wird gesund werden. heilst ihren
Schmerz, ihr betrübtes herz, erfreust
Ihr die seele.

Das achte jahr, ich bin allein,
Das kind ist weit verschwommen,
Des kindes herz ist hart wie stein,
Keinen einzigen brief bekommen.
Wie kann mein kind noch mut haben,
Wie nimmt das leben es ein.
Es muss ihm dort sehr gut gehen,
Will er keine nachricht schicken.
Ich habe ihm geschickt hundert briefe,
Und er hat noch keinen einzigen bekommen,
So sind meine schmerzen sehr groß.

Ein brief an die mutter, sollst du nicht versäumen,
Schreib geschwind, mein liebes kind,
Schenk ihr deine trost.
Die mutter wird deinen brief lesen,
Und sie wird gesund werden. heilst ihren
Schmerz, ihr betrübtes herz, erfreust
Ihr die seele.

In der stadt new york, ein reiches haus,
Mit herzen ohne gefühle,
Dort wohnt ihr sohn, er lebt gar groß,
Mit einer glücklichen familie.
Eine schöne frau und zwei kinder,
Mit lichterfüllten gesichtern.
Und als er sitzt und sich über sie freut,
Hat er einen brief erhalten.

Deine mutter tot, es ist geschehen
Im leben hast du sie vernachlässigt.
Das ist ihr letzter wunsch gewesen,
Ein totengebet für die mutter,
Sollst du nicht vergessen. sag geschwind,
Mein liebes kind, schenk ihr deine trost.
Die mutter wird dein gebet hören, gerne
In ihrem grab, heilst ihren schmerz, ihr
Betrübtes herz, erfreust ihr die seele.
 
Ich laufe durch die tiefe, dunkle Nacht,
doch mich begleitet eine liebevolle Macht.

In meinen Gedanken bin ich immer bei dir,
warum bist du jetzt nicht hier?

Mein IST ist mit unsterblicher Liebe erfüllt,
diese Gefühle bleiben dir nicht verhüllt.

Ich schließe meine Augen und denke an die Zeit mit dir,
sehnt sich dein Herz auch nach mir?

Sehne mich nach einem zärtlichen Kuss von dir,
auf den ich einfach nicht länger warten kann.

Vermisse deine erregenden Berührungen,
möchte dich wieder in mir spüren.

Will liebevoll in deinen Armen liegen,
mich zärtlich an deinen warmen Körper schmiegen.

Die Sehnsucht nach dir tut so weh,
hoffe das ich dich wenigstens in den Träumen seh.

Mein trauriges Herz hört erst auf zu weinen,
wenn wir uns wieder glücklich vereinen.

Nie werde ich aufhören an dich zu denken,
dir werde ich meine ewige Liebe schenken.

(by einsameMaus)
 
Deine Liebe erfüllt mich,

berührt mich, liebkost mich,

drängt sich aber nicht auf.

Sie umgibt mich wie ein

zarter Schmetterling, der sich​

vom Wind wiegen lässt.​



von Annegret Kronenberg​
 
Mein Herz, ich will dich fragen

Mein Herz, ich will dich fragen,
Was ist denn Liebe? Sag!
„Zwei Seelen und ein Gedanke,
Zwei Herzen und ein Schlag!“

Und sprich, woher kommt Liebe?
„Sie kommt und sie ist da!“
Und sprich, wie schwindet Liebe?
„Die war's nicht, der's geschah!“

Und was ist reine Liebe?
„Die ihrer selbst vergisst!“
Und wann ist Lieb' am tiefsten?
„Wenn sie am stillsten ist!“

Und wann ist Lieb' am reichsten?
„Das ist sie, wenn sie gibt!“
Und sprich: Wie redet Liebe?
„Sie redet nicht, sie liebt!“

(Friedrich Halm)


Wunderschön. Danke :)
 
für die entzückenden Damen hier :)

Friedrich Hölderlin



Lied der Liebe
Engelfreuden ahndend wallen
Wir hinaus auf Gottes Flur,
Wo die Jubel widerhallen
In dem Tempel der Natur;
Heute soll kein Auge trübe,
Sorge nicht hienieden sein,
Jedes Wesen soll der Liebe
Wonniglich, wie wir, sich freun.

Singt den Jubel, Schwestern! Brüder!
Festgeschlungen! Hand in Hand!
Singt das heiligste der Lieder
Von dem hohen Wesenband!
Steigt hinauf am Rebenhügel,
Blickt hinab ins Schattental!
Überall der Liebe Flügel,
Wonnerauschend überall!

Liebe lehrt das Lüftchen kosen
Mit den Blumen auf der Au,
Lockt zu jungen Frühlingsrosen
Aus der Wolke Morgentau,
Liebe ziehet Well' an Welle
Freundlichmurmelnd näher hin,
Leitet aus der Kluft die Quelle
Sanft hinab ins Wiesengrün.

Berge knüpft mit eh'rner Kette
Liebe an das Firmament,
Donner ruft sie an die Stätte,
Wo der Sand die Pflanze brennt,
Um die hehre Sonne leitet
Sie die treuen Sterne her,
Folgsam ihrem Winke gleitet
Jeder Strom ins weite Meer.

Liebe wallt in Wüsteneien,
Höhnt des Dursts im dürren Sand,
Sieget, wo Tyrannen dräuen,
Steigt hinab ins Totenland;
Liebe trümmert Felsen nieder,
Zaubert Paradiese hin,
Schaffet Erd und Himmel wieder
Göttlich, wie im Anbeginn.

Liebe schwingt den Seraphsflügel,
Wo der Gott der Götter wohnt,
Lohnt den Schweiß am Felsenhügel,
Wann der Richter einst belohnt,
Wann die Königsstühle trümmern,
Hin ist jede Scheidewand,
Adeltaten heller schimmern,
Reiner, denn der Krone Tand.

Mag uns jetzt die Stunde schlagen,
Jetzt der letzte Othem wehn!
Brüder! drüben wird es tagen,
Schwestern! dort ist Wiedersehn;
Jauchzt dem heiligsten der Triebe,
Die der Gott der Götter gab,
Brüder! Schwestern! jauchzt der Liebe!
Sie besieget Zeit und Grab!
 
Spielende Kinder (Das Gedicht ist von mir selbst)

Es waren zwei Kinder, sie spielten am Strand,
sie bauten Burgen aus Wasser und Sand.
Es waren zwei Kinder sie spielten am Meer,
es waren zwei Kinder, die liebten sich sehr.

Zuerst ein leises Zischen, dann wurde es mehr,
es war eine Granate, sie brauste daher.
Ach welch eine Not, welch eine Pein,
sie schlug neben den Kindern gleich ein.

Es waren zwei Kinder die spielten am Meer,
es waren zwei Kinder, es gibt sie nie mehr.
Es waren zwei Kinder, die spielten so fein,
der grausame Krieg, er holte sie ein.

Es sind nur zwei Menschen, unter Toten so vielen,
doch sie liebten den Frieden und wollten nur spielen.
Und am Grabstein steht und es betrifft nicht minder:
"Es spielten am Strand einmal zwei Kinder"
 
Auch wenn ich heute das Buch nicht mehr lesen würde (und auch niemanden empfehlen würde), die Worte sind mir im Gedächtnis geblieben:

Die Entscheidungen waren nur der Anfang von etwas. Wenn man einen Entschluss gefasst hatte, dann tauchte man damit in eine gewaltige Strömung, die einen mit sich riss, zu einem Ort, den man sich bei dem Entschluss niemals hätte träumen lassen.


Paulo Coelho, Der Alchimist
 
Auch wenn ich heute das Buch nicht mehr lesen würde (und auch niemanden empfehlen würde), die Worte sind mir im Gedächtnis geblieben:

Die Entscheidungen waren nur der Anfang von etwas. Wenn man einen Entschluss gefasst hatte, dann tauchte man damit in eine gewaltige Strömung, die einen mit sich riss, zu einem Ort, den man sich bei dem Entschluss niemals hätte träumen lassen.


Paulo Coelho, Der Alchimist

Schönes Zitat...mag ich :) Obwohl ich zu Coelho auch ein ambivalentes Verhältnis hab ;)
 
Als ich die Augen schloß,
Sich Schlaf auf mich ergoß,
Da kam dein Augenpaar
Und sah mich an so klar.

Es sah mich an so tief;
Ich schaut’ hinein, und schlief.
Es ging ein süßer Schmerz
Mir mitten durch das Herz.

Mich schaut’ ich ganz hinein,
In Duft zerfloß der Schein,
Da fühl’ ich deinen Hauch
An meinen Wangen auch.

Ich streckte meinen Arm,
Am Busen war mir’s warm,
Als lägest du daran;
Wie durft’ ich dich umfahn!

Wie ich dich an mich zog,
Wie ich dich in mich sog!
O warst du fern mir da?
So nah’ warst du mir ja.

Trug dich der Traum zu mir?
Trug mich der Traum zu dir?
Wir haben diese Nacht
Beisammen zugebracht.

(Friedrich Rückert)
 
Inspiriert von Sternenhimmels vorher gehenden Beitrag erinnerte ich mich wieder an Rückerts Kindertotenlieder. Die wird wohl jede Mutter, jeder Vater kennen, deren Kinder mit dem Tod zu ringen hatten.

Vielleicht eines der Schönsten:



Im Verluste zu gewinnenKeine Berechtigung Bilder zu betrachten - Bild entfernt.

Im Verluste zu gewinnen,
Ist ein schwieriges Beginnen,
Und gelinget andern nie
Als der Lieb' und Poesie.

Liebe lässt sich nichts entrinnen,
Hat nicht außen, sondern innen;
Und das Nichts, sie weiß nicht wie,
Macht zum Etwas Poesie.

Nicht dahin ist, was von hinnen,
Bleibt im Sinn, nicht in den Sinnen;
Fest auf ewig haltens die
Beiden, Lieb' und Poesie.
 
Wertvolle Momente

Schulter an Schulter, Hüfte an Hüfte, sitzen sie auf einer kleinen Mauer.
Der Hund tobt ausgelassen im Wasser herum.
Die Sonne scheint.
Bäume spenden einen wohltuenden Schatten.
Der laue Wind treibt dann und wann Gesprächsfetzen durch die Luft, doch deren Ursprungsorte sind weit weg.
Es ist still, angenehm still.
Hin und wieder durchbricht das aufgeregte Bellen des Vierbeiners die Ruhe.
Nicht aber die Ruhe, die diese beiden Menschen ausstrahlen...

Ihr Kopf ruht auf seiner Schulter.
Sein Arm ist beschützend um sie gelegt.
Vertrauensvoll liegt ihre Hand auf seinem Oberschenkel.
Beide haben ihre Augen geschlossen, diesen Moment voll und ganz geniessend.
Hände suchen einander und finden sich.
Ein warmes Lächeln erhellt die beiden Gesichter.
Blicke treffen sich.
Das Vertrauen zwischen diesen beiden Personen ist beinahe fassbar.
Worte sind völlig überflüssig.

Es folgt eine innige lange Umarmung.
Die Augen sind geschlossen.
Ein leichtes Lächeln ist auf den Lippen der beiden zu erkennen.
Die Freude über die Anwesenheit des Anderen ist fühlbar.

Schliesslich kommt ihre Hand wieder auf seinem Oberschenkel zu ruhen, sein Arm leicht über ihrer Schulter, die Köpfe sind vertraut aneinander gelehnt, ihre Blicke auf den spielenden Hund gerichtet.
Beide geniessen diese Momente.
Momente des Vertrauens, der Freundschaft.
Kleine Momente des Glücks...

(@weidetier)
 
"Dreams, memories, the sacred--they are all alike in that they are beyond our grasp. Once we are even marginally separated from what we can touch, the object is sanctified; it acquires the beauty of the unattainable, the quality of the miraculous. Everything, really, has this quality of sacredness, but we can desecrate it at a touch. How strange man is! His touch defiles and yet he contains the source of miracles."

Yukio Mishima (Spring Snow)
 
Quelle: http://www.buch-schreiben.net/b34774-Gedichte-Hoffnung-und-Liebe.htm
Ein Gedicht zur Verarbeitung von Gefühlen
Autor: Skorpion1969 (Bea)

Gefühlswelten
Hoffnung und Liebe

Eines Tages erschienen Hoffnung und Liebe zu schwinden...
Es zerbrach der Traum sie jemals wieder zu finden...
Die Hoffnung fragte die Liebe ganz entsetzt...
*Wer hat dich so sehr verletzt?*...
*Ich selber*, sagte die Liebe ganz leise...
*Denn ich liebte auf meine Weise*...
*Das kann ich nicht verstehen*...
*Komm`,lass uns ein paar Schritte gemeinsam gehen*...
*Erzähle mir aus deinem Leben*...
*und deiner Art, zu geben*...
Die Liebe fing an zu erzählen...
sie versuchte, die richtigen Worte zu wählen...
*Liebe heißt für mich in erster Linie meinen Partner zu verstehen*...
*auch die schwierigen Wege mit ihm zugehen*...
*Ich möchte ihm Frau und Freund zugleich sein*...
*immer wieder gerne soll er kommen heim*...
*Er soll spüren wie sehr ich an ihn glaube und da bin für ihn*...
*darin sehe ich als Liebe den Sinn*...
Langsam legte die Hoffnung um die Liebe den Arm...
Sie gehen von nun an den Weg gemeinsam und beiden wurde um ihre Herzen
warm...
Hoffnung heißt Liebe und Liebe ist Hoffnung für alle Zeit...
und ist der Weg auch noch so weit...
 
Der Mensch auf halbem Weg entschlief
Im Schatten eines alten Baumes,
In Banden eines süßen Traumes,
Schlief manche Wanderstunde, tief.
Das Laub des Baumes rauschte mild
Und bat den Schlaf: o bleibe lang!
Zum Traume sprach der Vögel Sang:
O male fort dein buntes Bild;
Daß uns der Schläfer nicht erwache,
Er weile unter diesem Dache!

Da kam der Zweifel, ihn zu wecken;
Er klopft ihm auf die Schulter sacht
Und spricht: steh auf, bevor es Nacht,
Zum Ziele sind noch weite Strecken.
Ich bin dein Freund, ein rauher zwar,
Doch treu, und warne vor Gefahr.

Er führt ihn fort durch stille Heiden,
Wo Lust und Zier des Lebens scheiden,
Natur blüht abseit seinem Herzen,
Ihn fassen unversöhnte Schmerzen.
Wie sonst vom stillen Heideland
Der Wandrer Vögel scheucht empor,
So rauscht ihm an des Zweifels Hand
Von Fragen auf ein wilder Chor,
Die schreiend fort zur Ferne dringen,
Doch Antwort nicht zurück ihm bringen.
Dann wird es öder, stiller immer,
Dämmrung versagt den letzten Schimmer;
Der Wandrer schreitet trüb und sacht
Mit seinem Führer durch die Nacht.

Doch wenn ihm auf dem Gang nicht graut,
Und wenn er kräftig horcht und schaut
In seines Herzens tiefsten Grund,
So wird ihm hier der Himmel kund.
Da unten strömt der ewge Quell,
Da klingt es hold, da strahlt es hell,
Er schaut den Brunnen und das Meer
Und fragt nicht mehr: wohin? woher?

Nikolaus Lenau
 
Der Mensch auf halbem Weg entschlief...
Und fragt nicht mehr: wohin? woher?

Nikolaus Lenau

sehr schön :).... danke dafür, kannte Lenau noch nicht


Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren

Wenn nicht mehr Zahlen und Figuren
Sind Schlüssel aller Kreaturen
Wenn die so singen, oder küssen,
Mehr als die Tiefgelehrten wissen,
Wenn sich die Welt ins freie Leben
Und in die Welt wird zurückbegeben,
Wenn dann sich wieder Licht und Schatten
Zu echter Klarheit wieder gatten,
Und man in Märchen und Gedichten
Erkennt die wahren Weltgeschichten,
Dann fliegt vor Einem geheimen Wort
Das ganze verkehrte Wesen fort.

(Novalis)


Wünschelrute

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.

(Joseph von Eichendorff)
 
Wieder eine Stelle aus der Göttlichen Komödie, der 29. Gesang. Wie passend; heute hat's mir besonders die Seite [402] angetan. Ein Lachen verbiete sich wohl in Angesicht dieses Werks.


Neunundzwanzigster Gesang


[401] Wie wenn sich beide Kinder der Latona,
Von Widder und von Wage überdeckt,
Zugleich umgürten mit dem Horizonte,
Wie lange dann, von wo im Gleichgewicht
Zenith sie hält, es währt, bis jenen Gürtel,
Die Hemisphäre wechselnd, beide lassen,
So lange schwieg, in ihrem Antlitz Lächeln,
Beatrix, nach dem Punkte unverwandt
Hinschauend, der mein Auge überwunden.
[402] Dann hub sie an: Auch ohne dich zu fragen,
Was du begehrest, red' ich; denn ich sah es
Dort, wo das Ziel von jedem wo und wann ist.
Nicht um vermehrtes Gut sich zu erwerben
(Das wär' unmöglich), nur daß ausgestrahlt
Sein Glanz imstande sei, »ich bin« zu sagen,
Entfaltet' er in seiner Ewigkeit
Nach eigner Wahl und außer Zeit und Schranken
In neuen Lieben seine ew'ge Liebe.
Auch ruhte bis dahin er nicht wie müßig;
Denn Gottes Geist ging, über den Gewässern
Zu schweben, weder vorher aus, noch nachher.
Rein und verbunden traten Form und Stoff
Ins makellose Dasein, wie drei Pfeile
Ein Bogen, der drei Sehnen hat, entsendet.
Und wie in Glas, in Bernstein und Kristalle
Also ein Strahl glänzt, daß von seinem Kommen
Bis zum Durchleuchten keine Zeit vergeht,
So strahlte jene dreigestalte Wirkung
Von ihrem Herrn ununterscheidbar aus,
So daß kein Anfang sich erkennen ließ.
Den Wesen eingeprägt bei der Erschaffung
Ward ihre Ordnung, und die erste Stelle
Erhielten die der reinen Tätigkeit.
Zu unterst kam der bloße Stoff zu stehn;
Inmitten einet Stoff und Tätigkeit
Ein solches Band, daß nie sich's wieder löset.
Wohl schrieb Hieronymus euch von den Engeln,
Daß sie geschaffen sei'n so manch Jahrhundert
Eh' noch die andre Welt in's Dasein trat;
Allein die Wahrheit ward auf manchen Seiten
Geschrieben von des heil'gen Geistes Schreibern,
Und merkst du wohl auf, wirst du's selbst erkennen.
Auch kann es die Vernunft zum Teil begreifen;
Denn, daß solang unwirksam die Beweger
Gewesen seien, kann sie nicht gestatten.
[403] Wo diese Lieben, wann und wie erkoren
Sie wurden, weißt du nun, so daß drei Flammen
Von deinem Wunsche ihre Löschung fanden.
Nicht könnte zählend man so schnell bis zwanzig
Gelangen, als ein Teil von diesen Engeln
Aufwühlte eurer Elemente Grund.
Die andren blieben, und mit solcher Lust
Begannen sie die Kunst, die du hier wahrnimmst,
Daß nimmer sie von ihrem Kreisen lassen.
Es war die maledeite Hoffahrt dessen,
Den du bedrückt gesehn von allen Lasten
Der ganzen Welt, der Anfang dieses Falles.
Die hier du siehst beschieden sich in Demut,
Daß, was sie sei'n nur von der Güte stamme,
Die zum Erkennen also sie befähigt.
Drum wurde durch die Gnade, die erleuchtet,
Und ihr Verdienst gesteigert ihre Einsicht,
So daß ihr Wille völlig nun und fest ist.
Nicht zweifeln sollst du, sondern sicher glauben,
Daß, jenachdem der Wille sich ihr öffnet,
Verdienstlich ist, die Gnade anzunehmen.
Hast du nun meine Worte wohl erwogen,
So kannst du über diese Ratsgemeinde
Auch ohne Hilfe reichlich weiter denken.
Doch weil auf Erden man in euren Schulen
Von der Natur der Engel lehrt, sie eigne
Sich zum Verstehn, zum Wollen und Erinnern,
So will ich weiterreden, daß du rein
Die Wahrheit siehst, die man durch Mißverständnis
Dort unten arg verwirrt in dieser Lehre.
Es wandten diese Wesen, seit begnadigt
Sie durch das Antlitz Gottes wurden, nimmer
Von ihm, dem nichts verborgen bleibt, den Blick.
Drum wird ihr Sehn durch neue Gegenstände
Nie abgelenkt, und weil sie nichts zerstreuet,
Bedürfen sie auch nicht erst des Erinnerns.
[404] Drum träumen drunten wachend, die für richtig
Die Lehre halten, und die sie bestreiten,
Doch liegt im letzten größre Schuld und Schande.
Ihr geht nicht eines Weg's, wenn ihr auf Erden
Philosophiert, so sehr verlockt die Liebe
Zum Scheine, und der Wunsch zu scheinen euch.
Und dennoch wird das hier mit mindrem Zorne
Geduldet, als wenn ihr die Gottesschrift
Hintansetzt, oder ihren Sinn verdreht.
Man glaubt bei euch nicht, wie viel Blut es kostet
Sie zu verbreiten, und wie wohlgefällig
Ist, wer in Demut ihrem Wort sich fügt.
Hervortun will sich jeder, drum ersinnt er
Erfindungen, die dann er in der Predigt
Erörtert, doch vom Evangelium schweigt.
Der eine sagt, daß sich beim Leiden Christi
Der Mond zurückgewandt und vor die Sonne
Gestellt, so daß der Erd' ihr Licht er barg.
Ein andrer, daß ihr Licht von selbst erlosch,
Weshalb die Finsternis, sowie den Juden,
Sich auch den Spaniern und den Indern zeigte.
Nicht soviel Lapi's trifft man, soviel Bindi's
In Florenz, als im Jahr dergleichen Fabeln
Von Kanzeln da und dort verkündet werden.
Die unerfahrnen Schäflein aber kehren
Mit Wind gefuttert von der Weid', und wenig
Hilft ihnen, daß sie nicht gesehn den Schaden.
Nicht sagte Christus zu den ersten Jüngern:
Geht hin und predigt Narretei der Welt;
Den rechten Grundbau gab er ihrer Predigt.
Und diese tönte so aus ihren Wangen,
Daß in dem Kampf, den Glauben zu entzünden,
Ihr Schild und Speer das Evangelium war.
Jetzt predigt man mit Späßen und Geschichtchen,
Und, wird nur gut gelacht, schwillt die Kapuze
Dem Pfaffen, und nichts weiteres begehrt man.
[405] Doch nistet in dem Kragen solch ein Vogel,
Daß, wenn's die Leute sähen, so erkennten
Sie, was der Ablaß wert sei, dem sie trauen.
Es wuchs auf Erden also diese Torheit,
Daß, ohne eines Zeugnisses Beweis,
Das Volk zu jeglicher Verheißung liefe.
Mit derlei mästet Sankt Anton das Schwein
Und andre, die noch schlimmre Schweine sind,
Indem mit ungeprägtem Geld sie zahlen.
Doch weil wir um nicht wenig abgeschweift sind,
So richte auf den graden Weg die Augen,
Damit die Straße mit der Zeit sich kürze.
So hoch läuft in die Zahlen die Natur
Der Engel, daß kein sterblicher Gedanke,
Noch Menschensprache sich soweit verstiege.
Erwägst du recht was Daniel uns verkündet,
So siehst du wohl, daß die bestimmte Zahl
Sich hinter seinen Tausenden verbirgt.
Das erste Licht, das alle ausstrahlt, nehmen
Sie in so mannigfacher Weise auf,
Als Lichter sind, mit denen es sich einet.
Weil das Ergriffensein nun dem Erkennen
Entspricht, so fühlen sie der Liebe Süße
Verschiedenartig, heißer oder lauer.
Sieh denn die Höhe, die Freigebigkeit
Der ew'gen Kraft, die, ob so viele Spiegel
Sie sich erschuf, darin sie sich verteilet,
Doch in sich selber eins bleibt, wie zuvor. –
 
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