Eure Lieblingsgedichte/Texte

Auszug aus "Hymnen an die Nacht" von Novalis

Hinüber wall ich,
Und jede Pein
Wird einst ein Stachel
Der Wollust seyn.
Noch wenig Zeiten,
So bin ich los,
Und liege trunken
Der Lieb' im Schooß.
Unendliches Leben
Wogt mächtig in mir
Ich schaue von oben
Herunter nach dir.
An jenem Hügel
Verlischt dein Glanz -

Ein Schatten bringet
Den kühlenden Kranz.
O! sauge, Geliebter,
Gewaltig mich an,
Daß ich entschlummern
Und lieben kann.
Ich fühle des Todes
Verjüngende Flut,
Zu Balsam und Aether
Verwandelt mein Blut -
Ich lebe bey Tage
Voll Glauben und Muth
Und sterbe die Nächte
In heiliger Glut.
 
"Ich bin zwei Frauen gewesen und habe zwei Leben gelebt. Eine von
den beiden wollte alles so machen, wie es dem klassischen
Frauenbild entspricht: heiraten, Kinder kriegen, immer freundlich,
nachgiebig und fürsorglich sein. Die andere wollte die männlichen
Privilegien: Unabhängigkeit, Selbstgenügsamkeit, eine Rolle im
öffentlichen Leben spielen, Beweglichkeit, Geliebte haben. Beide
Personen auszutarieren und ihre Kräfte zusammenzuführen, damit sie
mich bei ihren Zweikämpfen nicht mit Bissen und Haarreißen
traktierten, hat mich einen großen Teil meines Lebens gekostet. Ich
meine, ich habe es schließlich erreicht, daß beide unter derselben
Haut nebeneinander existieren können. Ohne aufzuhören, eine Frau
zu sein, habe ich es, glaube ich, geschafft, auch genügend Mann zu
werden."

aus: Gioconda Belli "Die Verteidigung des Glücks"
 
„Hör Du Süße, denk an mich, wenn er Dich im Arme hält,
denn es gibt nur einen Mann, einen auf der ganzen Welt,
einen, der Dich glücklich macht, einen nur allein.
Ihn, den du jetzt singen hörst, sonst kann es keiner sein,
denn nur ich weiß, was Du brauchst, denn nur ich versteh Dich ganz.
Geh mit ihm nur aufs Parkett, tanz mit ihm noch diesen Tanz.
Und wenn er Deinen Mund berührt, denk an mich, nur an mich.
Und wenn er Dich zur Loge führt, stell Dir vor es wäre ich.
Und wenn er Deine Wärme fühlt und in Deinem Körper wühlt,
stell Dir vor es wäre ich,
denn Du liebst nur mich, nur mich.
Tanz mit ihm noch diesen Tanz, schon bist Du verzaubert ganz.
Du hörst eine Melodie,
meine, meine, nämlich die …“
Gerhard Rühm
 
Einmal, irgendwo gefunden.




Du, weißt du, wie ein Rabe schreit?
Und wie die Naht, erschrocken bleich,
nicht weiß, wohin zu fliehn?
Wie sie verängstigt nicht mehr weiß:
Ist es ihr Reich, ist es nicht ihr Reich,
gehört sie dem Wind oder er ihr,
und sind die Wölfe mir ihrer Gier
nicht zum Zerreißen bereit?


Du, weißt du, wie der Wind schrill heult
und wie der Wald, erschrocken bleich,
nicht weiß, wohin zu fliehn?
Wie er verängstigt nicht mehr weiß:
Ist es sein Reich, ist es nicht sein Reich,
gehört er dem Regen oder der Nacht
und ist der Tod, der schauerlich lacht,
nicht sein allerhöchster Herr?


Du, weißt du, wie der Regen weint?
Und wie ich geh’, erschrocken bleich,
und nicht weiß, wohin zu fliehn?
Wie ich verängstigt nicht mehr weiß:
Ist es mein Reich, ist es nicht mein Reich,
gehört die Nacht mir, oder ich, gehör’ ich ihr,
und ist mein Mund, so blaß und wirr,
nicht der, der wirklich weint?
 
kurzer Auszug aus 4.48 Psychosis von Sarah Kane

Remember the light and believe the light

An instant of clarity before eternal night

don’t let me forget
 
beide von Rilke

Betrachte sie und sieh...

Betrachte sie und sieh, was ihnen gliche:
sie rühren sich wie in den Wind gestellt
und ruhen aus wie etwas, was man hält.
In ihren Augen ist das feierliche
Verdunkeltwerden lichter Wiesenstriche,
auf die ein rascher Sommerregen fällt.



Du siehst...

Du siehst, ich will viel.
Vielleicht will ich alles:
das Dunkel jedes unendlichen Falles
und jedes Steigens lichtzitterndes Spiel.

Es leben so viele und wollen nichts
und sind durch ihres leichten Gerichts
glatte Gefühle gefürstet.

Aber du freust dich aller, die dich gebrauchen
wie ein Gerät.

Noch bist du nicht kalt, und es ist nicht zu spät,
in deine werdenden Tiefen zu tauchen,
wo sich das Leben ruhig verrät.
 
eigentlich eine Filmszene... aber da ich den Text dieser Stelle liebe hab ich eine (sinngemäße) Übersetzung der Untertitel vorgenommen.

"...und deshalb glaube ich, gibt es viele Wirklichkeiten, unendlich viele Wirklichkeiten. Nicht nur die Wirklichkeit die wir erfassen können, mit unseren stumpfen Sinnen.
Es gibt Legionen von Wirklichkeiten, die unauflöslich miteinander verschmolzen sind, verwoben, ohne irgendwelche Grenzen.
Wir glauben doch nur aus Angst, weil wir es in der Schule so gelernt haben, an Grenzen.
Es gibt keine Grenzen. Weder für Gedanken, noch für Gefühle.
Es ist die Angst, die immer Grenzen setzt."


der Text stammt aus "Herbstsonate" von Ingmar Bergman, hier noch ein Clip zur Szene (Schwedisch mit englischen Untertitel)

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Joachim Ringelnatz

Morgenwonne


Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften.
Das Wasser lockt. Die Seife lacht.
Es dürstet mich nach Lüften.

Ein schmuckes Laken macht einen Knicks
Und gratuliert mir zum Baden.
Zwei schwarze Schuhe in blankem Wichs
Betiteln mich "Euer Gnaden".

Aus meiner tiefsten Seele zieht
Mit Nasenflügelbeben
Ein ungeheurer Appetit
Nach Frühstück und nach Leben
 
Das ist schon seit vielen Jahren mein Lieblingsgedicht

Es ist Nacht,
und mein Herz kommt zu dir ...,
hält's nicht aus,
hält's nicht aus mehr bei mir.

Legt sich dir auf die Brust,
wie ein Stein,
sinkt hinein,
zu dem deinen hinein.

Dort erst,
dort erst kommt es zur Ruh,
liegt am Grund
seines ewigen Du.

Christian Morgenstern
 
Wenn die Schatten tiefer sinken
und die Hexen Schampus trinken
wird das Kreischen hörbar laut.
Lippenstift und Hexenmähne
schwarze Kleidung, spitze Zähne.

Hexenbesen, Stöckelschuh,
pass nur auf,
schnell schlägt sie zu,
eigenwillig, selbstbewußt
zeigt sie ihre Lebenslust.

Da hilft keine Gegenwehr
denn es werden immer mehr und mehr.
Lächelnd ihre Krallen zeigen
sich vor Machos nicht verneigen.

Kerle, nehmt Euch fein in acht,
dass ihr keinen Ärger macht.
Hexen-Rache ist bekannt,
Seid recht artig und charmant.

Doch wen die Hexe liebt,
für den sie alles gibt!
 
mit ausnahme der letzten strophe, alles sehr bekannt ...

"Tausend Gedanken durchschwirren den Raum,
in meinen Kopf passen sie kaum.
Worte, nie gesagt,
Fragen, nie gefragt.
Lange Gespräche, nie geführt,
in Gedanken mit Worten liebkost,
hätte Dich das berührt?

Du bist mir viel näher, als Du vielleicht denkst,
weil Du die Monologe nicht kennst.
Zu jeder Zeit bist Du bei mir,
ich rede unendlich viel mit Dir.
Gut, dass mich dann keiner hört,
man hielte mich sonst für gestört.

Doch der ungesagten Worte Kluft,
nimmt mir manchmal auch die Luft.
Hab Höhenangst, ich kann nicht fliegen,
will die Kluft überwinden,
die rechten Worte finden,
Stolz und Zweifel besiegen.

Die Lage ist sehr eingefahren,
schweigen jetzt seit fast zwei Jahren.
Keiner von uns kommt heraus,
aus seinem Schneckenhaus.
Alte Wunden, tiefer Schmerz,
setzten Angst in unser Herz.

Doch die Hoffnung, die ich hege,
Liebe findet ihre Wege.
Mit viel Geduld, auf Dauer,
zerbricht vielleicht die Mauer.
Die Zeit, sie ist auch nicht vergebens,
denn ich weiß, Du bist
die letzte Liebe meines Lebens."

(Daggy Ludwig)
 
Auszug aus "Venus im Pelz" von Leopold von Sacher-Masoch

»Und doch diese ewig rege, ewig ungesättigte Sehnsucht nach dem nackten Heidentum«, fiel Madame ein, »aber jene Liebe, welche die höchste Freude, die göttliche Heiterkeit selbst ist, taugt nicht für euch Modernen, euch Kinder der Reflexion.
Sie bringt euch Unheil. Sobald ihr natürlich sein wollt, werdet ihr gemein. Euch erscheint die Natur als etwas Feindseliges, ihr habt aus uns lachenden Göttern Griechenlands Dämonen, aus mir eine Teufelin gemacht.

Ihr könnt mich nur bannen und verfluchen oder euch selbst in bacchantischem Wahnsinn vor meinem Altar als Opfer schlachten, und hat einmal einer von euch den Mut gehabt, meinen roten Mund zu küssen, so pilgert er dafür barfuß im Büßerhemd nach Rom und erwartet Blüten von dem dürren Stock, während unter meinem Fuße zu jeder Stunde Rosen, Veilchen und Myrten emporschießen, aber euch bekömmt ihr Duft nicht;
bleibt nur in eurem nordischen Nebel und christlichem Weihrauch; laßt uns Heiden unter dem Schutt, unter der Lava ruhen, grabt uns nicht aus, für euch wurde Pompeji, für euch wurden unsere Villen, unsere Bäder, unsere Tempel nicht gebaut. Ihr braucht keine Götter! Uns friert in eurer Welt!«
 
Vorgefühl - Rilke

Ich bin wie eine Fahne von Fernen umgeben.
Ich ahne die Winde, die kommen, und muss sie leben,
während die Dinge unten sich noch nicht rühren:
die Türen schließen noch sanft, und in den Kaminen ist Stille;
die Fenster zittern noch nicht, und der Staub ist noch schwer.

Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
und werfe mich ab und bin ganz allein
in dem großen Sturm.
 
Der Baum der Erinnerung von Nikolaus Lenau


Ja, du bist es, blüthenreicher
Baum, das ist dein süßer Hauch!
Ich auch bin's, nur etwas bleicher,
Etwas trauriger wohl auch.

Hinter deinen Blüthenzweigen
Tönte Nachtigallenschlag,
Und die Holde war mein eigen,
Die an meinem Herzen lag.

Und wir meinten selig beide,
Und ich meint' es bis zur Stund',
Daß so herrlich du vor Freude
Blühtest über unsern Bund.

Treulos hat sie mich verlassen;
Doch du blühst wie dazumal,
Kannst dich freilich nicht befassen
Mit der fremden Liebesqual.

„Allzulieblich scheint die Sonne,
„Weht der linde Maienwind,
„Und das Blühen und die Wonne
„Allzubald vorüber sind!"

Mahnend säuseln mir die Lehre
Deine frohen Blüthen zu;
Doch ungläubig fließt die Zähre,
Und mein Herz verlor die Ruh'.
 
Dieses schöne Gedicht kenne ich aus der wunderbaren Dokumentation „Die Frau mit den 5 Elefanten“ (über die bedeutende Übersetzerin Swetlana Geier):

Wladimir Sergejewitsch Solowjew: Lieber Freund, siehst du denn nicht...


Lieber Freund, siehst du denn nicht,
dass alles das, was unsere Augen schauen
nur Abglanz ist von Ungesehenem?

Lieber Freund, hörst du denn nicht,
dass alles was unsere Ohren hören,
nur ein Widerhall ist, ein entstellter Widerhall
von triumphierenden Harmonien?

Lieber Freund, spürst du, ahnst du denn nicht,
dass es nur eins auf der Erde gibt –
das ist das, was ein Herz dem anderen
in einem wortlosen Gruß sagen kann.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie Sonnen, ein Blütenschnein
Kam sie wie ein Beten? - Erzähle:

Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
Und hing mit gefalteten Schwingen groß
An meiner blühenden Seele...

Das war der Tag der weißen Chrysanthemen
Mir bangte fast vor seiner schweren Pracht
Und dann dann kamst du mir die Seele nehmen
tief in der Nacht

Mir war so bang und du kamst lieb und leise

Ich hatte grad im Traum an dich geadacht
Du kamst únd leis wie eine Märchenweise
erklang die Nacht...

R. M. Rilke
 
Das ist die Sehnsucht: Wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind die Wünsche: Leise Dialoge
der armen Stunden mit der Ewigkeit.

Und das ist das Leben: Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die anders lächelnd als die anderen Schwestern
dem Ewigen entgegen schweigt.

R. M. Rilke

http://www.youtube.com/watch?v=Kyk1G36drKA
 
Das ist die Sehnsucht: Wohnen im Gewoge
und keine Heimat haben in der Zeit.
Und das sind die Wünsche: Leise Dialoge
der armen Stunden mit der Ewigkeit.

Und das ist das Leben: Bis aus einem Gestern
die einsamste von allen Stunden steigt,
die anders lächelnd als die anderen Schwestern
dem Ewigen entgegen schweigt.

R. M. Rilke

http://www.youtube.com/watch?v=Kyk1G36drKA

Und das ist Glückseligkeit: zu wissen
dass das Leben und unsre Wünsche,
Platz haben in der Ewigkeit.


eines meiner Lieblingsgedichte von Rilke, danke fürs posten/erinnern :)
 
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