Eure Lieblingsgedichte/Texte

Oh, danke...ich kannte es nicht, bin über das Rilke Project darauf gekommen. Finde es gruselig schön, auch die Vertonung wunderbar. Aber die letzte Strophe haben die mir einfach unterschlagen - oder ist die denn von dir? ;)
 
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Oh, danke...ich kannte es nicht, bin über das Rilke Project darauf gekommen. Finde es gruselig schön, auch die Vertonung wunderbar. Aber die letzte Strophe haben die mir einfach unterschlagen - oder ist die denn von dir? ;)

glaub ein ";)" ist hier als Antwort ausreichend :mrgreen: ... obwohl ich es eher als Ergänzung denn als Strophe bezeichnen würde
 
Vielleicht passend zum Forum und seinen "Formulierungen", ein Gedicht, was ich sehr mag.

Ein Wort

Ein Wort, ein Satz -: aus Chiffren steigen
erkanntes Leben, jäher Sinn,
die Sonne steht, die Sphären schweigen
und alles ballt sich zu ihm hin.

Ein Wort-, ein Glanz, ein Flug, ein Feuer,
ein Flammenwurf, ein Sternenstrich-,
und wieder Dunkel, ungeheuer,
im leeren Raum um Welt und ich.​
Gottfried Benn
 
Gebrannte Kinder

Es gibt Kinder
die ein gebrannter Finger
davon abhält
je wieder
mit dem Feuer zu spielen

und

es gibt Kinder
die merken
daß eine gebrannte Hand
schnell wieder heilt

und

es gibt Kinder
die wissen
daß man
mit einem gebrannten Arm
mehr spürt

und

es gibt Kinder
die haben begriffen
daß ein gebranntes Herz
immer warm bleibt.


(c) Jörn Pfennig, "Grundlos zärtlich"
 
An ein gebranntes Kind.

Ich bitte dich
mach dich nicht hart
um Verletzungen zu widerstehn.
Sicher, die kleinen Brocken
werden an dir abprallen
doch die großen
könnten dich
zum Einsturz bringen.

Ich bitte dich
mach dich weich
um Verletzungen zu widerstehn.
Sicher, die kleinen Brocken
werden in dich eindringen
und die großen um so tiefer.
Doch sie werden aus dir zurückfedern
nachdem sie dich bereichert haben.

Ich bitte dich
mach dich verletzbar
und du wirst es
irgendwann
nicht mehr sein.

Jörn Pfenning


War schon mal da...ab ich mags so gern.
 
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Ich liebe die Lyrik von Gottfried Benn, und finde sie ausgesprochen tiefsinnig, ja manchmal auch geheimnisvoll. (warum kommt das 2 x???)

Hier zum Forum passt vielleicht auch noch das Gedicht "Verse" (und weil ich auch gern etwas reime):



V e r s e

Wenn je die Gottheit, tief und unerkenntlich,
in einem Wesen auferstand und sprach,
so sind es Verse, da unendlich
in ihnen sich die Qual der Herzen brach;
die Herzen treiben längst im Strom der Weite,
die Strophe aber streift von Mund zu Mund,
sie übersteht die Völkerstreite
und überdauert Macht und Mörderbund.

Auch Lieder, die ein kleiner Stamm gesungen,
Indianer, Yakis mit Aztekenwort,
längst von der Gier des weißen Manns bezwungen,
leben in stillen Ackerstrophen fort:
„komm, Kindlein, komm im Schmuck der Siebenähren,
komm, Kindlein, komm in Kett’ und Yadestein,
der Maisgott stellt ins Feld, uns zu ernähren,
den Rasselstab und du sollst Opfer sein -“

Das große Murmeln dem, der seine Fahrten
versenkt und angejocht dem Geiste lieh,
Einhauche, Aushauch, Weghauch - Atemarten
indischer Büssungen und Fakirie -,
das große selbst, der Alltraum, einem Jeden
ins Herz gegeben, der sich schweigend weiht,
hält sich in Psalmen und in Veden
und spottet alles Tuns und trotz der Zeit.

Zwei Welten stehn im Spiel und Widerstreben,
allein der Mensch ist nieder, wenn er schwankt,
er kann vom Augenblick nicht leben,
obschon er sich dem Augenblicke dankt;
die Macht vergeht im Abschaum ihrer Tücken,
indes ein Vers der Völker Träume baut,
die sie der Niedrigkeit entrücken,
Unsterblichkeit im Worte und im Laut.​
 
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Mein Lieblingsgedicht ist von Eugen Roth:
„Ein Mensch schaut in der Straßenbahn
der Reihe nach die Menschen an:
Jäh ist er zum Verzicht bereit
auf jede Art „Unsterblichkeit“.“
 
Oder weils grad wieder mal Zeit wird:

Advent Advent ein Lichtlein brennt,
Erst eins, dann zwei, dann brennt die ganze Stube,
Der Vater rennt, die Mutter flennt
Ich bin ein böser Bube
:mrgreen:
 
Der Liebende

Nun liegt dein Freund wach in der milden Nacht,
Noch warm von dir, noch voll von deinem Duft,
Von deinem Blick und Haar und Kuß - o Mitternacht,
O Mond und Stern und blaue Nebelluft!
In dich, Geliebte, steigt mein Traum
Tief wie in Meer, Gebirg und Kluft hinein,
Verspritzt in Brandung und verweht zu Schaum,
Ist Sonne, Wurzel, Tier,
Nur um bei dir,
Um nah bei dir zu sein.
Saturn kreist fern und Mond, ich seh sie nicht,
Seh nur in Blumenblässe dein Gesicht,
Und lache still und weine trunken,
Nicht Glück, nicht Leid ist mehr,
Nur du, nur ich und du, versunken
Ins tiefe All, ins tiefe Meer,
Darein sind wir verloren,
Drin sterben wir und werden neugeboren.
Hermann Hesse


http://www.youtube.com/watch?v=Bq4r-HcRQ5I&feature=related
 
ich habe 3 Lieblingsgedichte, die für mich Alles sagen!
(leider sind sie nicht von mir!)

Man ist glücklich verheiratet, wenn man lieber heimkommt als fortgeht.

Heinz Rühmann


Vielleicht muß man die Liebe gefühlt haben, um die Freundschaft richtig zu erkennen

Sebastien Chamfort



Wenn man im Mittelpunkt einer Party stehen will, darf man nicht hingehen.

Audrey Hepburn
 
"Ach, ich bin so müde, Ach, ich bin so matt,
Hab kein Geld im Portemonnaie Und auch keins im Sack."


aus Hermann Hesses Unterm Rad
 
Mehr Glück als Verstand
Was denkst du denn, befrag’ ich meinen Verstand, zum Glücklichsein?
Ich denke, sagt er prompt, zu viel beim Glücklichsein.
Ich frag’ mich oft: Fehlt nicht noch was? Ist das nun Glück oder wünsch’ ich’s mir nur?
Und vor dem Glücklichsein denk’ ich so viel, dass mich das Glück nur selten unvorbereitet findet.

Da seufzt mein Herz: Ja, leider!
Obwohl das schönste Glück dir unvorhersehbar begegnet und jenseits der Erwartung ganz still ins Leben schlüpft.
Ich weiß, sagt kleinlaut der Verstand.
Ich setz’ darauf, dass du auch dann mit Glück noch rechnest, wenn es in meinen Plänen keinen Platz mehr hat.

Ich rechne nicht, erwidert das Herz.
Das ist die Kunst: dem Glück die Türe öffnen ohne es zu erwarten.
Und darauf hoffen, dass es im Leben mehr Glück gibt als Verstand.

(Susanne Ruschmann)
 
Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried
 
Vergiss es nie:

Dass du lebst war keine eigene Idee,
und dass du atmest, kein Entschluss von dir.
Vergiss es nie: Dass du lebst war eines anderen Idee,
und dass du atmest, sein Geschenk an Dich !

Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls,
keine Laune der Natur !
Ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.

Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.
Du bist Du, das ist der Clou, ja der Clou, ja Du bist Du.

Vergiss es nie: Niemand denkt und fühlt und handelt so wie du,
und niemand lächelt, so wie du`s grad tust !
Vergiss es nie: Niemand sieht den Himmel ganz genau wie du,
und niemand hat je, was du weisst, gewusst.

Vergiss es nie: Dein Gesicht hat niemand sonst auf dieser Welt,
und solche Augen hast alleine Du.
Vergiss es nie: Du bist reich, egal ob mit, ob ohne Geld !
Denn du kannst leben, niemand lebt so, wie Du.

Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls,
keine Laune der Natur !
Ganz egal, ob du dein Lebenslied in Moll singst oder Dur.

Du bist ein Gedanke Gottes, ein genialer noch dazu.
Du bist Du, das ist der Clou, ja der Clou, ja Du bist Du.
 
Die Wahlesel

Die Freiheit hat man satt am End,
und die Republik der Tiere
begehrte, dass ein einziger Regent
sie absolut regiere.

Jedwede Tiergattung versammelte sich,
Wahlzettel wurden geschrieben;
Parteisucht wütete fürchterlich,
Intrigen wurden getrieben.

Das Komitee der Esel ward
von Alt-Langohren regieret;
sie hatten die Köpfe mit einer Kokard,
die schwarz-rot-gold, verzieret.

Es gab eine kleine Pferdepartei,
doch wagte sie nicht zu stimmen;
sie hatte Angst vor dem Geschrei
der Alt-Langohren, der grimmen.

Als einer jedoch die Kandidatur
des Rosses empfahl, mit Zeter
ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
und schrie: Du bist ein Verräter!

Du bist ein Verräter, es fliesst in dir
kein Tropfen vom Eselsblute;
du bist kein Esel, ich glaube schier,
dich warf eine welsche Stute.

Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut
sie ist gestreift zebräisch;
auch deiner Stimme näselnder Laut
klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch.

Und wärst du kein Fremdling, so bist du doch nur
Verstandesesel, ein kalter;
du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur,
dir klingt nicht ihr mystischer Psalter.

Ich aber versenkte die Seele ganz
in jenes süsse Gedösel;
ich bin ein Esel, in meinem Schwanz
ist jedes Haar ein Esel.

Ich bin kein Römling, ich bin kein Sklav;
ein deutscher Esel bin ich,
gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
so pflanzenwüchsig, so sinnig.

Sie spielten nicht mit Galanterei
frivole Lasterspiele;
sie trabten täglich, frisch-fromm-fröhlich-frei,
mit ihren Säcken zu Mühle.

Die Väter sind nicht tot! Im Grab
nur ihre Häute liegen,
die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab
schaun sie auf uns mit Vergnügen.

Verklärte Esel im Gloria-Licht!
Wir wollen euch immer gleichen
und niemals von dem Pfad der Pflicht
nur einen Fingerbreit weichen.

O welche Wonne, ein Esel zu sein!
Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möchte es von allen Dächern schrein:
ich bin als ein Esel geboren.

Der große Esel, der mich erzeugt,
es war von deutschem Stamme;
mit deutscher Eselsmilch gesäugt
hat mich die Mutter, die Mamme.

Ich bin ein Esel, und will getreu,
wie meine Väter, die Alten,
an der alten, lieben Eselei,
am Eseltume halten.

Und weil ich ein Esel, so rat ich euch,
den Esel zum König zu wählen;
wir stiften das große Eselreich,
wo nur die Esel befehlen.

Wir sind alle Esel! I-A! I-A!
Wir sind keine Pferdeknechte.
Fort mit den Rosen! Es lebe hurra!
Der König vom Eselsgeschlechte!

So spracht der Pariot. Im Saal
die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
und stampften mit den Hufen.

Sie haben des Redners Haupt geschmückt
mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
wedelt´ er mit dem Schwanze.

Heinrich Heine
 
Wärst du ein Bächlein, ich ein Bach,
So eilt' ich dir geschwinde nach.
Und wenn ich dich gefunden hätt'
In deinem Blumenuferbett,
Wie wollt ich mich in dich ergießen
Und ganz mit dir zusammenfließen,
Du vielgeliebtes Mädchen du!
Dann strömten wir bei Nacht und Tage
Vereint im süßen Wellenschlage


Dem Meere zu.
(W. Busch)​

Ich weiß nicht, warum die ganze Klasse lachte, als ich das Gedicht anlässlich einer Redeübung zum Thema "Lyrik, eine Analyse: Versmaße, Stile und Beispiele" vorgetragen hatte ...
 
Achte auf deine Gedanken,
denn sie werden zu Worten.
Achte auf deine Worte,
denn sie werden zu Taten.
Achte auf deine Taten,
denn sie werden zu Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten,
denn sie werden zu deinem Charakter.
Achte auf deinen Charakter,
denn er wird dein Schicksal!

(weiss nicht von wo ich es hab :hmm:)
 
Schule.

I.
Das Erste, was ich sah, war Heuchelei.
Ein Lehrer faltete die fetten Hände
und sprach ein weinerlich Gebet dabei.

II.
Und lieber Gott und aber lieber Gott.
Ich fühlte, fromm, mir Seligkeit verbrieft.
Dann kam der Sturz. Der wilde Schmerz und Spott.
Und doch. Was tat's. Selbst Ihr habt mich - vertieft.

III.
Aus reifem Leben nun zurückgewendet:
Zu keinem Hass mehr fühl' ich mich beherzt.
Kein Fluch mehr, einem Teil der Welt gespendet!
Das Ganze ist's, das Ganze, was heut schmerzt.


Christian Morgenstern
 
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