Eure Lieblingsgedichte/Texte

Dich ahnte meine Seele...

Dich ahnte meine Seele lange,
Bevor mein Auge dich gesehn,
Und selig-süße Schauer bange
Fühlt' ich durch all mein Wesen gehn.

Ich sog von unbekannten Blüten
Den Duft, der mir entgegenquoll,
Und nie erblickte Sterne glühten
Zu Häupten mir geheimnisvoll.

Doch immer sah ich deinen Schatten
Nur trübe wie durch Nebelflor;
Dein Antlitz schien daraus in matten,
Gebrochnen Zügen nur hervor.

Und als der Schleier nun gesunken,
Der dich vor mir verhüllt - vergib,
Wenn lang ich sprachlos und wie trunken,
Betäubt von all dem Glücke blieb!


(Adolf Friedrich von Schack)
 
Für IHN von mir

Komm tanzen

Komm wir streichen die Stadt an
mit den Regenbogenfarben unserer Freude aneinander.
Deine Hand in meiner,
mein Lächeln in deinen Augen,
und nichts kann uns die Musik
unter den Füßen wegziehen,
wenn wir tausendundeinen Zentimeter
über den Bürgersteigen tanzen. :hurra:
 
Für SIE von mir

TRÄUME

Träume weiter Prinzessin,
bis die Tür vom goldenen Käfig
sich von ganz alleine für Dich öffnet.

Träume weiter Du Engel,
so schön und solange Dich Deine Flügel tragen,
bis zum Regenbogen und weiter.

Träume weiter Du traurige Seele,
die Traurigkeit hat wunderschöne Facetten,
Du kennst Sie alle,Du liebst Sie alle.

Träume weiter Du Hexe,
Und sieh mich an in Deiner gläsernen Kugel,
Damit Du mich erkennst,wenn Du mich findest.

Wach auf kleines Mädchen,
Du bist mir schon ganz nahe,einen Schritt noch,
und es wird wie in Deinen Träumen sein! :bussal:
 
Gefällt´s? Das von MIR ist von MIR...in der Tat,manchmal küsst einen die Muse,manchmal sogar in Form eines blonden Engels,und ich muss gestehen,ich war selbst überrascht,was da alles aus meinem kranken Hirn entstehen kann... :roll:

 
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Ich bin ein Pilger ...


Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.

Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
der das Erwachen flieht, auf das er harrt.

Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
der einst in fahle Ewigkeiten fällt.

Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
das küßt und fortschwemmt * weint und froh genießt.

Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.

Erich Mühsam
 
FEUERVÖGEL

Als Feuervögel flogen wir
in das Land ohne Worte
und ohne Erinnerung,
wo jeder Augenblick
aus sich selbst entsteht
und nichts aufeinander aufbaut,
weil es keine Zeit gibt -
nur den Zauber,
der Träumen Wirklichkeit schenkt,
nur die berauschende Musik
ineinander versunkenen Lebens.

Als Feuervögel flogen wir
dem Himmel in die Arme
und kannten keine Grenzen.

Das war vor Tagen;
seitdem hat die Erde uns wieder.

Aber wer einmal so zusammenflog,
der will nichts andres mehr.

(Hans Kruppa)
 
Das Glöcklein im Walde

Ein Kirchlein steht im Waldrevier,
Da klingt ein Glöcklein für und für,
Das Glöcklein läutet bim, bim!

Ein Knabe und ein Mägdelein,
Die wandeln da im Abendsein,
Im Frühlingswinde rauscht der Baum,
Die zwei, sie wandeln wie im Traum.
Das Glöcklein läutet bim, bim!

Der Knabe sprach: O Mägdlein lieb!
Warum bist du so still und trüb?
Das Glöcklein läutet bim, bim!

Die Maid, sie sprach: Ich bin so stumm
Und weiß doch selber nicht warum.
Mein Herz das klopft und will nicht ruhn
Als sollt’ ich etwas Böses tun,
Und ist mir wieder doch so wohl,
So wonniglich, so ahnungsvoll!
Bald möcht’ ich dies, bald möcht’ ich das
Ich möchte wohl und – weiß nicht was.
Das Glöcklein läutet bem, bem!

Der Knabe zu derselben Stund
Der küßt die Maid wohl auf den Mund;
Das Glöcklein läutet bem, bem!

Im Abendwinde rauscht der Baum,
Die Zwei, sie wandeln wie im Traum,
Das Gras ist grün, der Wald ist dicht,
Ich sah die zwei – und seh sie nicht.
Das Glöcklein läutet bum, bum!

Das Glöcklein klingt bald dumpf, bald klar,
So lieb, so süß, so wunderbar,
Bim bim, bem bem, bum bum!

Wilhelm Busch :winke:
 
Danach


Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen-
da hat sie nun den Schentelmen.
Na, und denn -?

Denn jehn die beeden brav ins Bett
Naja.....diß is ja auch janz nett.
A manchmal möchte man doch jern wissen:
Wat tun se, wenn se sich nich kissen?
Die könn ja doch nich immer penn.....!
Na, und denn -?

Denn säuselt im Kamin der Wind.
Denn kricht det junge Paar 'n Kind.
Denn kocht se Milch. Die Milch looft üba.
Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba.
Denn wolln sich beede jänzlich trenn.....
Na, und denn -?

Denn is det Kind nich uffn Damm.
Denn bleihm die beeden doch zesamm.
Denn quäln se sich noch manche Jahre.
Er will noch wat mit blonde Haare:
vorn doof und hinten minorenn....
Na, und denn -?

Denn sind se alt.
Der Sohn haut ab.
Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit-
Ach, Menschenskind,wie liecht det weit!
Wie der noch scharf uff Muttern war,
det is schon beinah nich mehr wahr!
Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch und Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.


(Kurt Tucholsky, 1890-1935)
 
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Ich bin der,
der mich unsichtbar begleitet,
den ich manchmal aufsuche
und manchmal vergesse.
Der gelassen schweigt, wenn ich rede,
der milde verzeiht, wenn ich hasse,
der hingeht, wo ich nicht bin,
der stehen bleiben wird, wenn ich sterbe.
 
Warten im Speisehaus


Warum ist es so schön, zu warten? –
Die Leute gehen und kommen und schwatzen,
Die Trinker schlürfen, die Esser schmatzen –
Und du weißt, sie kommt.

Die Tür geht auf – ein Offizier
Kommt herein – er hat Hunger wie wir,
Hängt seinen Säbel an die Wand
Und hebt die weiße Lederhand –
Und du weißt, sie kommt.

Jeden Augenblick
Fliegt die Glastür auf, fliegt wieder zurück
Fremde Menschen gehen aus und ein,
Wann wird sie es sein?

Aber du bist so ruhig dabei,
Denn noch zwei Minuten oder drei –
Und nachdem du dich noch ein bisschen gedehnt hast –
Tritt die ein,
Nach der du dich so gesehnt hast.


(Kurt Tucholsky, 1890-1935)
 
Ein Kuss?

Jedes Mal, wenn ich dir schreibe,
bei der Umschreibung hängen bleibe,
wie ich dir mein Gefühl erklär´,
fällt jedes Wort mir doppelt schwer;
dann komme ich zu dem Entschluss:
die einfachste Antwort ist ein Kuss!

Wenn ich dir schreibe, was ich denke,
wenn ich dir die Gefühle schenke,
wenn ich nach vielen Worten ringe,
und nichts mehr aufs Papier dann bringe,
weil resigniert ich feststellen muss:
die beste Antwort ist ein Kuss!

Wenn ich Gedichte formuliere,
ich Worte in Gefühl verliere,
das, was ich schreib´, mir nicht gefällt,
weil´s nicht das sagt, was vorgestellt,
dann denke ich in meinem Verdruss:
die schönste Antwort ist ein Kuss!

Wenn ich die Liebe dir gestehe,
dir dabei in die Augen sehe,
kein Wort dir wirklich sagen kann,
was ich in mir empfinde, - dann
ist wirklich ohne Überfluss
die tollste Antwort wohl ein Kuss!

Wenn meine Fingerkuppen bei dir schweben,
deiner Haut die Liebe zärtlich geben,
es so zu zeigen mir gelingt,
wie Herz und Seele in mir singt,
dann ist, was ich noch sagen muss,
einzig allein ein lieber Kuss!

Doch nun möcht´ich dich was fragen;
was wirst du mir darauf wohl sagen?
Wie wirst du darauf wohl reagieren;
darf ich das überhaupt riskieren?
Und doch ist´s jetzt für mich ein Muss,
dass ich dich frag´: "Wie wär´s ... ein Kuss?"

(MEL)
 
Ich bin so glücklich von deinen Küssen,
Dass alle Dinge es spüren müssen.
Mein Herz in wogender Brust mir liegt,
Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt.
Und fällt auch Regen heut ohne Ende,
Es regnet Blumen in meine Hände.
Die Stund', die so durchs Zimmer geht ,
Auf keiner Uhr als Ziffer steht;
Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
Sie deutet hinaus in die Ewigkeit.

(Max Dauthendey)
 
Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried
 
Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Georg Trakl
 
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