Eure Lieblingsgedichte/Texte

Kurt Marti
Als sie zwanzig war

als sie zwanzig war
ein Kind erwartete
wurde ihr Heirat befohlen

als sie geheiratet hatte
wurde ihr Verzicht
auf alle Studienpläne befohlen

als sie mit dreißig
noch Unternehmungslust zeigte
wurde ihr Dienst im Hause befohlen

als sie mit vierzig
noch einmal zu leben versuchte
wurde ihr Anstand und Tugend befohlen

als sie mit fünfzig
verbraucht und enttäuscht war
zog ihr Mann zu einer jüngeren Frau

Liebe Gemeinde
wir befehlen zu viel
wir gehorchen zu viel
wir leben zu wenig.
 
I still recall the taste of your tears
Echoing your voice just like the ringing in my ears
My favorite dreams of you still wash ashore
Scraping through my head 'till I don't want to sleep
Anymore

You make this all go away
You make this all go away
I'm down to just one thing
And i'm starting to scare myself
You make this all go away
You make this all go way
I just want something
I just want something I can never have

You always were the one to show me how
Back then I couldn't do the things that I can do now
This thing is slowly taking me apart
Gray would be the colour if I had a heart
Come on, tell me

You make this all go away
You make this all go away
I'm down to just one thing
And I'm starting to scare myself
You make this all go away
You make this all go away
I just want something
I just want something I can never have

In this place it seems like such a shame
Though it all looks different now
I know it's still the same
Everywhere I look you're all I see
Just a fading fucking reminder of who I used to be
Come on, tell me!

You make this all go away
You make this all go away
I'm down to just one thing
And i'm starting to scare myself
You make this all go away
You make it all go way
I just want something
I just want something I can never have
I just want something I can never have

Trent Reznor (es ist zwar der Song, aber die Grundlage dafür war ein Gedicht)
 
Am Saum des nordischen Meer’s

von Gottfried Benn


Melancholie der Seele -,
ein Haus, eine Stimme singt,
es ist ein Haus ohne Fehle,
wo englisch money klingt,
ein Heim von heiteren Losen
geselligen Verkehrs,
vier Wände aus Silber und Rosen
am Saum des nordischen Meer’s.

Sie singt -, und die hohe Klasse
der Nord- und English-Mann,
die gierige weiße Rasse
hält den Atem an,
auch die Ladies die erlauchten,
geschmückt mit Pelz und Stein
und den Perlen, den ertauchten
um die Inseln von Bahrein.

Die Stimme singt -, ohne Fehle,
fremde Worte sind im Raum:
„ruhe in Frieden, Seele,
die vollendet süßen Traum -“
vollendet -! und alle trinken
die Schubertsche Litanei
und die Räuberwelten versinken
von Capetown bis Shanghai.

Geschmuggelt, gebrannt, geschunden
in Jurten und Bambuszelt,
die Peitsche durch Niggerwunden,
die Dollars durch Opiumfeld -:
die hohe Klasse aus Norden,
die abendländische Pracht
im Raum ist es still geworden -
aus die Mythe der Macht!

Fern, fern aus Silber und Rosen
das Haus und die Stimme singt
die Lieder, die grenzenlosen,
die ein anderes Volk ihr bringt,
die machen die Macht zur Beute
einer anderen Mächtigkeit:
der Mensch ist ewig und heute
fernen Himmeln geweiht.

Englische - finnische Wände -:
Häuser -, die Stimme singt:
Germany ohne Ende,
wenn german song erklingt,
dann ist es ohne Fehle
und gibt seinen Söhnen Ruh’ -,
Melancholie der Seele
der weißen Rasse, du.​
 
Ich wusste es

Ich wusste schon immer,
dass ich dich nicht suchen,
sondern finden würde,
dass ich dich nicht prüfen,
sondern dir vertrauen würde,
dass ich dich nicht idealisieren,
sondern erkennen würde,
dass ich dich nicht deuten,
sondern verstehen würde.

Ich wusste schon immer,
dass ich mich nicht in dich verlieben,
sonder dich gleich lieben würde.

(Hans Kruppa)
 
Es ist nicht genug zu wissen-man muss auch anwenden.
Es ist nicht genug zu wollen-man muss auch tun.

Johann Wolfgang von Goethe
 
GEHEN UND BLEIBEN

Wer gehen muß, wo gern er bliebe,
den trifft der Schmerz mit schwerem Hiebe;
Doch auch des Schmerz ist nicht geringe,
wer bleiben muß, wo gern er ginge.

(Felix Dahn, Professor der Rechtswissenschaften, Schriftsteller und Historiker)
 
Fester Vorsatz

Denn wir wollen uns
nicht nur herzen
sondern auch munden
und hauten und haaren
und armen und brüsten und bauchen
und geschlechten
und wieder handen und fußen

Erich Fried, 1921-1988
 
DIESE LEERE

Wie leer ist es
da
Wo w a s war?
Etwas was nicht mehr da ist
und ist es nicht mehr da?
Warum nicht?
und wirklich nicht?
Kann es nicht wieder da sein?
Darf es nicht wieder da sein?
Ist deshalb alles so leer?

Wie groß
muß gewesen sein
was da war
dass alles jetzt
wenn es vielleicht nicht da ist
oder vielleicht nicht mehr da sein wird
so leer ist
dass Leere in Leere
übergeht
oder untergeht
oder ruht?

Müsste Ruhe nicht eigentlich anders sein
als das
was leer ist
und doch kalt ist
obwohl das Leere
nicht kalt sein kann.

Als das
was leer ist
und doch noch brennt
obwohl das Leere
nicht brennen kann.

Als das was leer ist
und doch
den Hals zuschnürt
obwohl das Leere
den Hals nicht zuschnüren kann.

Was ist es also?


(Erich Fried)
 
es ist was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe


Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe


Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe


Erich Fried, 1921-1988
 
Es ist was es ist - sagt die Liebe - es ist die Liebe.

Fussi, das ist das bekannteste Gedicht von Fried :daumen:
 
...Du schaffst es immer wieder, mich zum Staunen, zum Grübeln, zum Dich bewundern, zum Lächeln, zum Lieben zu bewegen...
 
Wäre es ein "Gedicht" von mir, würdest Du es in einem anderen Thread finden...das ist "nur" so eine Erkenntnis, nichts weiter...
 
Paul Celan - Todesfuge


Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken
wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden herbei
er pfeift seine Juden hervor läßt schaufeln ein Grab in der Erde
er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete
Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt
er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau
stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags und morgens wir trinken dich abends
wir trinken und trinken
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen
Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts
wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland
wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken
der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau
er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau
ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete
er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft
er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete
dein aschenes Haar Sulamith
 
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