Man kann sich's irgendwie nicht denken oder möchte das wahrhaben, gell? Dass man auf einmal weg ist. Von der Bildfläche verschwunden. Darum wird es einigen vielleicht wichtig sein, in ihrem Leben Spuren zu hinterlassen, die an den Verstorbenen möglichst lange Zeit positiv erinnern. Oder eben Kinder zu zeugen, die quasi einen Fortbestand des Ichs sichern.
Das ist eine eigentümliche Geschichte. Ich konnte mir viele Jahre überhaupt nicht vorstellen, warum Menschen den Gedanken, sie würden irgendwann nicht mehr existieren und verlöschen, so fürchterlich finden. Ich konnte nicht begreifen, warum sie sich wünschen, daß es nach dem Tod irgendwie weitergeht. Für mich war das Gegenteil der Fall. Ich wollte nicht leben, ich konnte mich aber nicht umbringen, weil der Gedanke, daß es "danach" weitergehen könnte, für mich unerträglich war. Ich wollte nicht tot sein, ich wollte überhaupt nie existiert haben.
Und das ist das eigentümliche für mich daran: meine Vorstellungskraft hat nicht ausgereicht, mir vorzustellen, wirklich spurlos verschwinden zu können, und diesem Mangel an Vorstellungskraft verdanke ich, daß es mich heute noch gibt. Bis zu einem gewissen Grad hab ich mich von allem frei machen können damals: so Sachen, wie zum Beispiel: werden diejenigen, die mich in diesen Zustand gebracht haben, sich wenigstens schuldig fühlen, wenn ich mich umbringe, oder wird es ihnen egal sein. Wer räumt meine Leiche weg, wer löst meine Wohnung auf, muß ich noch aufräumen und meine Sachen ordnen, bevor ich verschwinde, so banales Zeug halt. Von all dem hab ich mich irgendwann befreit gehabt, und dann war ich so weit, daß ich hätte gehen können. Das war ein ganz losgelöstes, schönes Gefühl, ganz friedlich und ohne Angst.
Und dann war das Gehen nicht mehr nötig.
Ich "glaube" seidem nicht mehr an ein Weiterexistieren, aber das Wünschen hat da wieder angefangen. Mit jedem Menschen, der mir nahekommt, der mich emotional irgendwie liebevoll berührt, wächst diese Sehnsucht, daß das nicht aufhören soll. Ich denk manchmal, es wäre schön, irgendwann die Augen zumachen zu können, wenn's soweit ist, und dann nie wieder in irgend einen Gedanken aufzuwachen. Aber das würde bedeuten, diese schönen Gefühle der Verbundenheit wieder loslassen zu müssen, und das will ich eigentlich auch nicht.
Irgendwie ist "Glauben" so ein Paradox. Man will doch einfach nicht loslassen, nicht?