"Vergleicht man die Inhaftiertenquoten mit der Kriminalitätsbelastung der US-Bundesstaaten, zeigt sich erwartungsgemäß ein Zusammenhang in der Weise, dass Bundesstaaten mit einer höheren Kriminalitätsbelastung tendenziell auch eine höhere Inhaftiertenquote haben. Allerdings ist der Zusammenhang nicht einheitlich, es ergeben sich auch erhebliche Unterschiede. So hatte beispielsweise der Bundesstaat Louisiana 2004 trotz höchster Inhaftiertenquote von 816 eine Kriminalitätsbelastung von 5098 registrierten Straftaten, North Carolina inhaftierte im Vergleich dazu weniger als die Hälfte (357) und hatte trotzdem eine niedrigere Kriminalitätsbelastung von 4721. Utah hatte eine noch niedrigere Inhaftiertenquote von 246 bei niedrigerer Kriminalitätsbelastung (4452). Maine hatte eine Inhaftiertenquote von lediglich 148 bei einer Kriminalitätsbelastung von 2656. Die deutlich höhere Inhaftiertenquote etwa in Texas (694) im Vergleich zu Washington State (264) bewirkte offensichtlich keineswegs, dass in Texas die Kriminalitätsrate niedriger ist als in Washington (5190 im Vergleich zu 5107 Straftaten): Sie liegt in beiden Staaten etwa gleich hoch.
Offensichtlich wird die Kriminalitätsbelastung also nicht wesentlich von der Sanktionsstruktur bestimmt, sondern von anderen gesellschaftlichen Faktoren, worauf auch so gut wie alle Kriminalitätstheorien hinweisen.
Ein weiteres Beispiel dafür, dass eine Steigerung der Inhaftiertenquote, d.h. die Verhängung härterer Strafen, wenig bzw. keinen Einfluss auf die Kriminalitätsbelastung eines Landes hat, insbesondere was schwere Straftaten betrifft, ist Finnland. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Finnland im Vergleich zu den anderen nordeuropäischen Ländern Norwegen, Schweden und Dänemark eine etwa dreimal so hohe Inhaftiertenquote, trotzdem eine etwa gleich hohe Kriminalitätsbelastung. Um sich den anderen nordischen Ländern anzugleichen und vor allem auch, um die erheblichen Kosten der Inhaftierung zu sparen, reduzierte Finnland in den folgenden 40 Jahren, also bis etwa 1990, die Inhaftiertenquote auf ein Drittel des Ausgangswertes, senkte sie somit auf das Niveau der anderen Länder. Hätten harte Strafen - die Freiheitsstrafe ist die härteste Sanktion in Finnland - einen kriminalpräventiven Effekt, wäre zu erwarten, dass mit dieser bedeutenden Reduzierung der schweren Sanktionen die (Schwer-)Kriminalität überdimensional steigen würde. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Kriminalitätsbelastung in Finnland stieg nur in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg an. Wie in den anderen westeuropäischen Ländern zeigte sie denselben Trend wie in den übrigen (nord)europäischen Ländern, bei denen eine vergleichbare Veränderung der Inhaftierungspolitik nicht stattfand, wobei der Anstieg allerdings weniger deutlich ist als im Durchschnitt der übrigen Länder. Auch das weist darauf hin, dass sich harte Sanktionen kaum bzw. überhaupt nicht auf die registrierte Kriminalitätsentwicklung auswirken.
Offensichtlich ist der Zusammenhang zwischen (harter) Bestrafung und Kriminalitätsbelastung, vor allem, was schwerere Straftaten angeht, niedrig bzw. überhaupt nicht vorhanden.[22] Besonders schwere Kriminalität kann durch entsprechende harte Strafen offensichtlich, wenn überhaupt, nur geringfügig reduziert werden. :"
Quelle:
Mehr Sicherheit durch mehr Strafe? | APuZ