Nun ist es ja offenbar kaum möglich das Threadthema zu verfolgen, ohne irgendwo auf Fr.Schwarzer einzugehen, also werde ich das jetzt auch kurz wieder einmal tun...
Fr.Schwarzer hat sich den Spott, der über sie gekippt wird, hart erarbeitet und verdient, darüber herrscht fast Einigkeit - in einer Konfrontation hat sie selten den Anschein gemacht, Gnade zu kennen, daher wird sie hoffentlich jetzt nicht überrascht sein, auch keine zu bekommen.
Darüber hinaus betrachte ich ihr Lebenswerk nicht in Anführungsstrichen. Ich war in den 70ern ein Kind, habe damals noch nicht politisch oder überhaupt realistisch bzw. rationell gedacht... trotzdem bekam man auch so mit, dass ein allgemeines Frauenbild herrschte, welches weibliche intelektuelle Opposition in der Art einer Alice Schwarzer WOHL HERVORBRINGEN MUSSTE. Ihre radikale und rabiate Art ist in einer Welt entstanden, in der Frauen so ein Vorgehen als die einzige Chance sehen mußten, überhaupt etwas zu ändern. Das sollte man nicht vergessen.
Fr.Schwarzers Fehler bestand weniger darin, sehr konsequent zu denken bzw zu handeln - sie hat es nur nicht geschafft, sich in diesen Jahrzehnten der Veränderung WEITERZUENTWICKELN. So ist sie Kuratorin geworden, inmitten ihres eigenen kleinen feministischen Museums, und betrachtet den Rest der Welt offenbar nur noch durch ein kleines Dachfenster nach aussen - den Kontakt hat sie selbst zu ihren Geschlechtsgenossinen schon vor längerer Zeit verloren. Wenn sie aufgrund ihrer Steueraffäre nun nicht mehr in viele Talkshows eingeladen werden sollte, dann wird ihr das SEHR NÜTZEN - da es sie davon abhält, die Anerkennung für ihre früheren Verdienste im Nachhinein zu vernichten... Ich respektiere sie weiter für ihre hohe Intelligenz und für den Mut und die Entschlossenheit, mit der sie für ihre Sache gekämpft hat. Und ich bin weiter überzeugt, dass sie auch viel Gutes erreicht hat, wenn das auch vielleicht schon einige Zeit zurückliegt.
Ich habe mich früher einmal über die Eloquenz ihrer Medienarbeit geäußert. Zu dieser unbestreitbaren Fähigkeit kommt offenbar noch ein Hang zur Selbstüberschätzung dazu. Dass sie nach der Aufdeckung ihres Steuergeständnisses dafür die Medien kritisiert hat, das war kommunikationstechnischer Selbstmord. Ein totaler Anfängerfehler, der nur durch ihren Hang zur Hybris zu erklären ist - rein fachlich hätte sie über den völligen Wahnsinn dieses Tuns Bescheid wissen müssen. Dieser Fehler ist vergleichbar mit der dilletantischen Aktion der Wiener Polizei, die Medien aus der Sperrzone der Akademikerball-Demo zu verbannen. Du kannst auch in der modernen Mediengesellschaft das Tun der Massenmedien hinterfragen oder sogar kritisieren bzw. angreifen. EINEN FRONTALANGRIFF WIRST DU ABER KAUM ÜBERLEBEN. Schon der frühere deutsche Bundespräsident Wulff hat das schmerzvoll lernen müssen. Das Schwarzer als Politaktivistin, die immer mit Hilfe der medialen Öffentlichkeit gearbeitet hat, nun versucht genau dieses Prinzip zu kritisieren... genau in diesem Moment hätte ich gerne das Gesicht der Schreiberlinge bei Spiegel, Stern und Co gesehen. Die haben wohl zuerst ungläubig geschaut und dann lauthals gelacht
Es gibt wohl einen Generationenwechsel im Bild der Frau, und in zwei Medienaffären der letzten Wochen wird es so klar, wie nur irgendwie sichtbar... 1.Fall: Hr. Hans-Ulrich Jörges und Hr.Lanz versuchen beinahe 40 Minuten lang gemeinsam mit der geballten Kraft ihrer Stimmorgane Fr.Wagenknecht fertig zu machen (
http://www.youtube.com/watch?v=ZAYjDGP2kJQ), diese sitzt in der Mitte, und versucht einfach, auf jeden noch so dummen Vorwurf zu antworten, wird dabei aber kontinuierlich unterbrochen. Die Sache endet in einer Online-Petition zur Absetzung von Hr.Lanz im öffentlich rechtlichen Fernsehn, und damit, dass selbst hartnäckige Linkenfresser die Standhaftigkeit dieser Frau bewundern... 2.Fall: der gleiche Hr.Jörges nimmt in zwei oder drei Sätzen zur Reaktion von Fr.Schwarzer auf ihren Steuerakt Stellung, und läßt sie total dumm dabei aussehen.
Nie hat man besser verstehen können, dass die ewige Opferrolle, welche Fr.Schwarzer noch heute erkennt, selbst von Frauen heute nicht mehr so gesehen wird. Und genau in diesem Mißverständnis liegt auch der fundamentale Irrtum von Fr.Schwarzer in ihrer Prostitutionsdebatte begraben. Sie denkt exakt so, wie es vor 30 Jahren richtig war, zu denken, und so einen kapitalen Bock übersteht heute keiner...
Was mir auch bei meinem vorher gelinkten n-tv-Artikel wichtig ist: ich möchte, dass man die IDENTIFIKATION VON MENSCHENHANDEL UND PROSTITUTION endlich aus der Debatte rauswirft. Ich will aber sehr wohl trotzdem, dass man die Problematik des Menschenhandels nicht wegdrängt. Meine Gegenposition zu Fr.Schwarzers ärmlicher und oberflächlicher Kampagne kann nicht so verstanden werden, dass man an den realen Umständen der Sexarbeit nichts ändern MÜSSTE...