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Aber eines darf nie passieren: Dass Recht auf Kosten Unschuldiger gesprochen wird. Und da gibts keine Toleranzschwelle - egal wie hoch die Prozentzahlen sind.
Genauso, wie es passiert, dass a) schuldige Vergewaltiger nicht angeklagt oder verurteilt werden (Beispiele oben), kann und wird es auch im besten Rechtssystem passieren, dass b) Unschuldige als Sexualverbrecher verurteilt werden. Das ist ein Fakt, mit dem wir leben müssen. "Toleranzschwelle" gibt es deswegen keine, weil wir mangels Allwissenheit naturgemäß nicht genau quantifizieren können, wie viele Fehler der Typen a oder b es gibt.
Die Lösung für diese unbefriedigende Situation ist das Konzept des fairen Strafverfahrens, wo dem Beschuldigten Waffengleichheit mit den staatlichen Anklagebehörden zu gewährleisten ist. In dieser Situation geht der Staat bewusst das Risiko ein, dass mehr Fehler vom Typ a passieren, um Fehler vom Typ b zu minimieren. Gleichzeitig erhebt jedoch der Staat den Anspruch, dass Verbrechen nicht straflos bleiben. Auch Opfer von Verbrechen habe darauf Anspruch - nicht nur zur Befriedigung von Rachegelüsten, sondern um Verbrechen durch glaubhaft exekutierbare Strafandrohungen einzudämmen. Daher muss das Verfahren sicher stellen, dass nicht "zu viele" Fehler vom Typ a passieren. Ein jedes praktische System wird also die Mechanismen so gestalten, dass die Möglichkeiten für diese beiden Fehler gegeneinander abgewogen werden.
Bei dieser Balance stehen aber naturgemäß die Interessen zweier Opfergruppen gegeneinander, nämlich die potenziellen Opfer von Verbrechen und die potenziellen Opfer von Justizirrtümern. Ich spiele diese Gruppen also im obigen Beitrag nicht im Sinn von billiger Polemik gegeneinander aus, sondern ich erinnere nur daran, dass jede Verschiebung der Waagschale zugunsten der Gruppe der potenziellen Justizopfer gleichzeitig und notwendig zu Lasten der potenziellen Verbrechensopfer erfolgen wird. Eine Diskussion sollte also immer die drei Interessen - Staat, Opfer und Beschuldigter - gleichzeitig im Auge behalten, was in diesem Thread - nach meinem Eindruck krass - vernachlässigt wurde.
Wenn aber jemand Vorschläge für eine Win-Win Situation hat, besserer Opferschutz bei gleichzeitiger Verringerung der Fehlurteile, dann sollte dies unbedingt gepostet - aber auch begründet - werden! Ein Vorschlag wäre zum Beispiel, auch bei Verbrechen gegen die sexuelle Integrität die Aussage des Opfers durch forensische Sachbeweise zu untermauern - so wie es im Fall DSK in NY passiert: Suche nach Verletzungen von einem Kampf, Identifizierung von Spuren im Hotelzimmer, auf der Kleidung usw. Das ist zwar teuer, aber dann ist zumindest klar, dass ein Sexualakt tatsächlich stattgefunden hat, und auch ein Gutachter kann nicht mehr das Gerücht von einer psychischen Störung aufbringen, wonach das angebliche Opfer sich alles eingebildet habe. Umgekehrt wird es keine Anklage geben, wenn diese Sachbeweise die Beschuldigungen widerlegen.
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