- Registriert
- 5.10.2004
- Beiträge
- 1.523
- Reaktionen
- 852
- Punkte
- 143
für urteile die rechtskonform zustande gekommen sind, ist eine haftung schon deswegen ausgeschlossen, da sonst die unabhängigkeit des richters gefährdet wäre
Aus genau diesem Grund wird ein hypothetischer "geldgieriger Richter", der mit Wetten auf seine eigenen Urteile verdient, keinerlei Konsequenzen für "überraschende" Urteile befürchten müssen: Denn in konfliktträchtigen Fällen von öffentlichem Interesse - nur dort lohnten sich Wetten - hängt der Verfahrensausgang vor allem an der freien richterlichen Beweiswürdigung. Unerfindlich ist mir, wo @hirni hier Amtsmissbrauch nachweisen wollte: Wenn bei diesem hypothetischen Szenario der Richter zwecks Gewinn der Wette in Ausübung seines Amtes bewusst einen Schaden erzeugt, indem er einen Unschuldigen für viele Jahre ins Gefängnis schickt oder einen Schuldigen freispricht, so könnte ihm kein Schädigungsvorsatz nachgewiesen werden, solange die Urteile im sehr dehnbaren Rahmen des Vertretbaren sind. Um ein konkretes Beispiel zu geben: Auch österreichische Höchstgerichte haben die Beweiswürdigung akzeptiert, dass die Aussage von Herrn Palushi unglaubwürdig sei, wonach er von österreichischen Polizisten gefoltert worden sei. Die Sachbeweise wurden einfach als "konstruiert" abgetan. Bei gleicher Sachlage hat jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sehr wohl erkannt, dass Herr Paloshi misshandelt wurde (Urteil vom 22.12.2009).
Meiner Ansicht nach sollte man daher Wetten auf Urteile im Interesse der Rechtsstaatlichkeit generell untersagen. Ich sehe nicht, warum eine solche Forderung pathologischem Hass auf die Richterschaft entspringen soll ... oder trocknete dies etwa eine bereits bestehende Verdienstquelle aus?
Das ist wohl nicht ernst gemeint [nämlich: @Lycisca in #124: "Das Gericht muss einen fairen Ausgleich finden zwischen der Achtung der Unschuldsvermutung und der aus den Menschenrechten folgenden positiven Verpflichtung, Verbrechen zu bekämpfen"]. Verbrechensbekämpfung ist Sache der Polizei, nicht der Gerichte.
Dazu hat schon @gogolores in #427 geantwortet: "Bekämpfung des Verbrechens obliegt (auch) der Polizei. Aber nicht ausschließlich. [...] Ein Gemeinwesen, das an die Möglichkeit glaubt, mit Polizeimaßnahmen alleine das Verbrechen wirksam eindämmen zu können, wird am Ende zum Polizeistaat werden."
Was die Schutzpflichten des Staates zur Verbrechensbekämpfung und die Rolle der Gerichte betrifft, so folge ich dem Zitat aus der Dissertation von Phirtskhalashvili über Schutzpflichten an der Uni Potsdam aus 2009 (S 41 ohne dortige Querverweise): "Der Staat hat also die Aufgabe, den grundrechtlich festgelegten „Rechtszustand“ soziale Wirklichkeit werden zu lassen. [...] Von der Legislative [also Parlament] werden die Sach- und die Verfahrensnormen gestellt. [...] Der Exekutive [also Polizei] obliegt, im Rahmen ihrer Kompetenz die schutzpflichtrelevanten Normen effektiv durchzusetzen. Die judikative Gewalt [also Gerichte] verwirklicht den Grundrechtsschutz mittels der ihr gemäßen rechtlichen Verfahren."
Dabei sind Gerichte auch ohne den von @gogolores angeführten Aspekt der Prävention Instrumente der Verbrechensbekämpfung:
Die hier zu unterscheidenden philosphischen Gegenpole sind Feindstrafrecht, wo Prävention wesentlich ist, und Bürgerstrafrecht, wo nur erwiesene Schuldige bestraft werden sollen (vgl. Jacobs, HRRS 3/2004, S 88 ff). Wenn @Jupiter-X hervorhebt, dass Gerichte "lediglich" den "Rechtsfrieden" herstellen sollen, dann bezieht er sich schon in der Terminologie auf die Philosophie des Feindstrafrechts, das von mangelnder Befriedung ausgeht. Die gesellschaftliche Rolle der Gerichte ist dann die Züchtigung der Widerspenstigen und Abschreckung von potenziellen Tätern, die auch als Gefahrenquelle zu eleminieren sind, etwa in Deutschland durch die bis vor kurzem unbefristet mögliche Zwangsverwahrung von Sexualstraftätern nach der Verbüßung der Strafe wegen ihrer weiterhin bestehenden Gefährlichkeit. Somit gibt @Jupiter-X den Gerichten eine viel radikalere Rolle in der Verbrechensbekämpfung, als von mir im Posting #124 angedacht war.
Zuletzt bearbeitet: