Hallo Sonja,
schon seit einiger Zeit lese ich mit großen Interesse deine Beiträge und finde sie immer wieder außergewöhnlich und interessant.
Deine Frage zum Image von Prostituierten habe ich an einige Freude und Bekannte (weiblich), die selbst nicht zu den Leserinnen des Erotik-Forums gehören, weitergeleitet. Bin schon gespannt, welche Antworten es gibt.
Meine eigenen Anmerkungen dazu:
>> Mache mir doch schon die längste Zeit Gedanken, warum der
>> Berufstand Prostituierte
>> in unserer Gesellschaft ein so schlechtes Ansehen hat.
Nun, das ist nicht nur ein Phänomen unserer Gesellschaft. Prostituierte, die es ja in sehr vielen Gesellschaften in der einen oder anderen Form gibt, zählen überall zu den speziellen gesellschaftlichen Rollen, die außerhalb der normalen Bewertungen liegen. Das führt dann entweder zu Schamanen- und Priesterinnenstatus (z.B. auch noch in der altgriechischen Kultur in Kleinasien oder dem altsyrischem Baal-Kult) oder eben zu einem stark anrüchigem Image. Beides sind nur zwei Zeiten derselben Medaille: Sex gegen Geld ist eine Dienstleistungen, die in kaum einer Gesellschaft in großen Umfang als sozial normal eingestuft wird. Andere Berufsstände können ähnlichen Einschätzungen unterliegen, so z.B. der Stand der Schmiede in weiten Teilen des traditionellen Afrikas (als verehrt-anrüchige Hüter der Metallerzeugung).
>> Spreche auch immer wieder mit meinen Kunden über das Thema
>> Prostitution, Fremdgehen,
>> Doppelmoral, etc. Die meisten Männer würden von sich aus gar nicht
>> so eine schlechte Meinung über Nutten haben,
Die persönliche Meinung eines Mannes ist wohl stark von den zufälligen eigenen Erfahrungen abhängig und da ist das Feld eben doch sehr weit. Neben offensichtlich ziemlich gescheiterten Existenzen scheint es allerdings tatsächlich gar nicht so wenige interessante und nette Frauen zu geben, die als Prostituierte tätig sind auch in Europa. (In Asien ist die Sachlage noch einmal ganz anders, insofern Prostitution dort nicht selten die EINZIGE Möglichkeit für eine Frau ist, ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften.)
>> in der Öffentlichkeit aber werden fast alle zu braven scheinheiligen Ehemännern, die
>> natürlich nie in ihrem Leben zu einer Hure gegangen sind.
Na ja, fragt sich, was hier unter Öffentlichkeit verstanden wird. Im Kreise einer Männerrunde sieht diese Öffentlichkeit wohl ganz anders aus als am Arbeitsplatz oder auch in der (derzeitigen) österreichischen Politik. Nimm doch einmal letztere: Wir hatten eine schwarz-blaue Mehrheit bei der letzten Nationalratswahl. Der Parlamentspräsident heißt Khol. Jedenfalls erzkatholisch egal ober verlogen oder nicht. Das ist leider die MEHRHEIT in Österreich zur Zeit und Deutschland scheint demnächst zu folgen...
>> "Meine Frau würde das nicht verstehen, möchte sie nicht verletzen", eine häufige
>> Antwort, auf meine Frage, wie die Partnerin dazu steht, ob sie davon weiß.
Das ist nicht spezifisch für
Kontakte zu Prostituierten. Genau so wenig wird ehrlich mit dem Thema Treue/Untreue umgegangen. Die wenigsten Paare wollen eine offene Beziehung in Theorie UND Praxis und noch weniger schaffen eine solche tatsächlich. In meinem Bekannten- und Freundeskreis bin ich mit meiner Partnerin derzeit das einzige diesbezügliche Beispiel und wir sind auch einigermaßen weit von dem entfernt, was ich theoretisch für ideal halten würde.
Die Antwort deiner Kunden ist demnach nichts, was spezifisch im Hinblick auf Sex mit einer Prostituierten ist, sondern ein ganz allgemeines Problem mit der Liberalität (und/oder Ehrlichkeit) wobei ebenfalls wieder das soziale Korsett der Gesellschaft eine wesentlich Rolle spielt.
>> Da ich, bevor ich diesen Beruf gewählt habe, leider auch nicht soviel
>> über die Bedeutung
>> der Prostitution in unserer Gesellschaft nachgedacht habe, jetzt aber
>> natürlich an Leib
>> und Seele erfahre, WIE wichtig dieser Berufstand ist, würde mich
>> sehr interessieren, wie
>> Frauen allgemein zu diesem Thema stehen.
Wie gesagt, ich habe eine kleine Umfrage gestartet.
LG,
R