Manchmal habe ich das Gefühl, dass von einigen/vielen(?) die Quantitätsgleichung vollkommen falsch interpretiert und gelesen wird. Die Quantitätsgleichung ist zunächst einmal nichts anderes als eine Identität und in weiterer Konsequenz auch eine Art Tautologie. Mehr aber auch nicht. Eine kausale Wirkrichtung lässt sich da überhaupt nicht ableiten. Außerdem scheint es bei einigen schon an der Definition der Inflation nach quantitätstheoretischer Erklärung zu scheitern. Diese besagt nämlich nicht, dass Inflation Ausdruck und Folge eines Anstiegs der Geldmenge im Allgemeinen ist, sondern Ausdruck und Folge eines Anstiegs der Geldmenge pro Produktionseinheit.
Nicht nur dass sie oftmals falsch interpretiert wird, ihre Aussagekraft ist auch bei richtiger Deutung mehr als bescheiden. In ihrer ursprünglichen (rein deskriptiven) Form (Geldmenge [M] x Umlaufgeschwindigkeit [V] = Transaktionsvolumen [T] x Preisniveau [P]) stellt sie die Summe aller Zahlungen (wobei hier schon eine gewisse Unschärfe besteht, weil das in dem Zusammenhang heranzuziehende Geldmengenaggregat nie näher definiert wurde) der Summe aller Transaktionen (also das gesamte Transaktionsvolumen inkl. aller Finanztransaktionen etc.) gegenüber. Da dieses gesamte Transaktionsvolumen allerding nicht bekannt ist, bedient man sich eines Kunstgriffes und ersetzt dieses in einer abgewandelten Form der QG mit jenem des BIP. Das BIP umfasst aber weit weniger Transaktionen als das ursprünglich gewählte Gesamttransaktionsvolumen. Damit diese Gleichung aber weiterhin eine Identität bleibt, sprich wahr bleibt, muss die linke Seite der Gleichung ebenso angepasst werden, und zwar über die Umlaufgeschwindigkeit (und/oder die Geldmenge). Das Gesamttransaktionsvolumen ist aber noch immer unbekannt, somit auch das Delta aus Transaktionsvolumen und BIP und damit in weiterer Folge auch die Veränderung der rechten Seite bzw. der Umlaufgeschwindigkeit. Das in Zusammenhang mit der nach wie vor empirisch nicht zu belegenden Annahme die Umlaufgeschwindigkeit wäre konstant, lässt die Aussagekraft dieser Gleichung, auf der in weiterer Folge die gesamte Quantitätstheorie fußt, mehr als dürftig erscheinen.
Japan verzeichnete in den letzten Jahrzehnten sogar mehrfach ein sinkendes Preisniveau und das bei einer starken Ausweitung aller Geldmengenaggregate.
Was auch wenig verwundert. Existiert dieser auf der QG basierende monokausale Zusammenhang zwischen Geldmenge und Preisniveau einfach nicht, auch wenn einige ewig gestrige Altmonetaristen diesen Erkenntnisgewinn nicht wahr haben wollen. Neuere sowohl empirische als auch modelltheoretisch gestützte, quantitative Analysen widerlegen diese falsch verstandene Kausalität mehrfach.
Unter Anderem die Arbeit "The Case Against the Quantity Theory: Hyperinflations as Central Bank Insolvencies" der Goethe Universität
Diese beweist anhand empirischer Analysen sehr klar, dass die vergangenen Hyperinflationen des 20 Jahrhunderts, insbesondere jener von Deutschland aus dem Jahre 1923 und jener Argentiniens aus dem Jahre 1989/90, dass bei keiner Hyperinflation die exzessive Geldmengenausweitung das auslösende Momentum war. Vielmehr führte die abnehmende Fähigkeit der Notenbank, den Wechselkurs ihrer eigenen Währung gegenüber Leitwährungen stabil zu halten zu ansteigenden Güterpreisen. So heißt es unter anderem darin wörtlich:
The German hyperinflation, believed to represent the principal witness to confirm the quantity theory, instead overturns and gives king’s evidence (“key witnesses evidence”) for a complete falsification of the quantity theory. With the help of concrete historical documents and new (or differently presented) data, I show for the entire time period that the quantity of money was only a misconceived concomitant or accompanying symptom. The quantity of money was never a causal factor for inflation ..........................Hence, it was the issuance of unbacked money that deteriorated the solvency of the centralbank and thereby the exchange rate. The devaluation of the exchange rate, in turn, pulled the price level with it. There is simply not a singe time period where the data or the historical documents support the quantity theory hypothesis, namely, that the increased money supply caused inflation via an increased demand on goodsmarkets. On the contrary, the price level always reacted to the exchange rate.
Darin wird auch klar widerlegt, dass Hyperinflationen durch eine Rücknahme der Geldmenge unter Kontrolle gebracht werden konnten.
Am Beispiel der Hyperinflation in Deutschland ist das besonders deutlich zu sehen. Nicht nur, dass der Geldmengenanstieg der Inflationsentwicklung deutlich hinterher läuft, es zeigte sich obendrein, dass die Entwicklung der Geldmenge von dieser komplett entkoppelt war, nämlich daran, dass selbst als der Wechselkurs auf Grund einer Rekapitalisierung der Notenbank und somit auch die Inflation längst wieder stabilisiert waren, die Geldmenge weiterhin anstieg und zwar um mehrere hundert Prozent!!!
Auch ein Paul Krugman konstatiert zum Thema QT und der darin unterstellten Kausalität zwischen Geldmenge und Preisniveau:
The last years – the post Lehman era during which the Fed presided over a tripling of the monetary base – have been an excellent test for that model, the QuantityTheorie, which has failed with flying colours…..When you triple the monetary base, the resulting inflation should not be something that depends on the fine details – unless the model ist completely wrong. And the model is completely wrong. You do not get more conclusive test than this in economics. And this in turn tells you something about the people pushing this stuff. They had a model, it made predictions; the predictions were utterly, totally wrong, and they have just dug in further.
Und zum Thema Deflation, weil wieder einmal falsch dargestellt:
Natürlich kann man auch einer Deflation mit entsprechenden Maßnahmen, sowohl geld- als auch fiskalpolitischer Natur (erfolgreich) begegnen.
Eine davon wäre monetäre Staatsfinanzierung, eine etwas entschärfte bzw. abgewandelte Variante des Helikoptergeldes (übrigens ein modellhaftes Gedankenexperiment, das auf Milton Friedman zurückgeht und nicht auf Ben Bernanke). So kam diese in den 30er Jahren unter Takahashi in Japan erfolgreich zum Einsatz. Hierbei gelang es, die schwere Depression Japans in den 30er Jahren durch Abkopplung der Währung vom Goldstandard und direkte Finanzierung der Staatsausgaben ohne erhebliche inflatorische Wirkung zu bewältigen.
Eine weitere Möglichkeit wäre eine Zusammenführung von Staatshaushalt und Zentralbankbilanz zu einer gemeinsamen Staatsbilanz. In diesem Fall wirkt Helikopter-Geld als fiskalische Erweiterung, die durch Zentralbankgeld finanziert wird und nicht durch Wertpapierkäufe. Ein Konzept, das zu einem gewissen Teil von den Anhängern der MMT verfolgt wird.
Selbst eine Studie der Deutschen Bundesbank, und der kann man nun keine Sympathien für die MMT unterstellen, halten das Konzept einer monetären Staatsfinanzierung für ein wirksames Mittel der Rezessions- und Deflationsbekämpfung, wirksamer als die bisher eingesetzten Instrumente der Geldpolitik.
Ungeachtet der ökonomischen Problematik, die diese Thematik mit sich bringt, ist es auch eine rechtliche Frage und ganz besonders eine hochpolitische Entscheidung, übersteigen derartige Maßnahmen doch das Mandat einer jeden Notenbank. Und das auch völlig zu Recht. Eine Ausweitung ihrer Mandate und damit einhergehend ihrer Aufgabengebiete macht sie in ihrer Unabhängigkeit weitaus angreifbarer. Obendrein ist Geldpolitik kein Allheilmittel, es ersetzt weder notwendige fiskal- noch strukturpolitische Reformen in den betroffenen Ländern noch löst es im Alleingang die Wachstumsprobleme der OECD-Staaten.