Ich hatte, glaub ich, ja erwähnt, daß ich einige Jahre in der häuslichen Betreuung gearbeitet habe (falls das heute nicht mehr der gängige Ausdruck dafür ist: damit ist gemeint, als Laienhilfe im Haushalt, bei der Körperpflege alles außer "Behandlungspflege", Begleitung, Kinder mit betreut, Nachtwachen bei jenen, die nachts mehrmals umgelagert werden mußten usw.). "Angelernt" wurden wir Laienhelfer meist von den zu Betreuenden selbst, gelegentlich auch von Kolleginnen oder Verwandten, und wir Helfer waren fast ausschließlich allein im Dienst, weil die Kassen keine Doppelbesetzungen finanziert haben.
Dabei habe ich neben alten pflegebedürftigen Menschen Leute mit MS, Unfallopfer, Leute nach Schlaganfall im Alltag geholfen.
Und ja, natürlich bedeutet das Zusammenleben mit einem stark beeinträchtigten Menschen auch, daß Teile der Hausarbeit mit übernommen werden müssen, das war ein Teil "meines" Jobs beispielsweise auch in der Form, daß ich für eine linksseitig spastisch gelähmte Frau, die früher viel für Parties gekocht hatte, "die Hand" war und auf ihre Anweisung hin das machte, was sie nicht konnte. Oder daß ich für eine Frau, die kaum noch richtig sehen konnte (Doppelbilder nach Schädel-Hirn-Trauma) nicht nur Vorlesedienste übernahm, sondern auch bis auf den Zentimeter genau mir merken mußte, wo ihre Sachen zu stehen hatten, damit sie sie auf den ersten Griff finden konnte. Will sagen: als Helfer wie als Partner/in bist du in solchen Fällen natürlich auch in der Lage, besondere Hilfeleistungen zu geben, die über die übliche Hausarbeit hinaus gehen.
Und ich weiß nicht wie es in Österreich ist, aber ich habe es miterlebt, wie ein Paar, wo sie jede Nacht mehrmals umgelagert werden mußte, von den Kassen nur 1 - 2 Nachtwachen pro Woche finanziert bekam, weil das Umlagern "selbstverständlich" der Ehemann tun konnte - ohne Rücksicht darauf, daß der Mann voll im Berufsleben stand und mehrmaliges nächtliches Aufstehen nur begrenzt durchzuhalten ist. Dazu die Organisation der Pflegedienste leisten mußte, den Haushalt weitgehend organisieren, angefangen von jedem Gang zur Wäscherei bis hin zu den Behandlungen seiner Frau.
In Betreuungsdienste bei verheirateten Paaren hatte ich nur wenig Einsätze, die alle (Zufall?) in besseren Einkommensverhältnissen lebten, alle anderen waren Single bzw. nach der Erkrankung oder dem Unfall verlassen wurden. Könnte man natürlich jetzt aufrichtig empört aufschreien, aber ich glaube, daß das auch zu einseitig wäre, ich denke mir daß viele Partner daran auch zerbrechen und dann noch die Schuldgefühle mit sich rumschleppen, wenn sie versagt haben.
Die meisten dieser Dinge kann man bei einer kurzfristigen sexuellen Verbindung ganz gut bewältigen, aber ich denke, daß für längerfristige Beziehungen die Bereitschaft, sich ganz auf den Menschen mit Alltag, mit Haushalt, mit allem Drum und Dran sich bei den meisten irgendwann auflösen wird, ganz besonders weil sehr viel Organisationsaufwand damit verbunden ist - nicht einfach mal so schnell-schnell "Ach, die Wäsche mach ich heut doch nicht, morgen ist auch noch ein Tag" - das geht dann nämlich nur noch sehr begrenzt.
Und das würde mir als Partnerin eines Gehandicapten am meisten zu schaffen machen, da müßte meine Liebe schon außerordentlich groß sein, daß ich mich dem "Tageskorsett" einer wie auch immer gelagerten Behinderung unterwerfen würde.