Völkerrechtlich problematisch
Es ist leicht, Israel die alleinige Schuld für den Zwischenfall zuzuschreiben. So einfach ist es aber freilich nicht, schließlich haben die Teilnehmer der Freedom Flotilla die israelischen Machthaber ganz bewusst herausgefordert. Israel hat nie auch nur den geringsten Zweifel daran gelassen, die Seeblockade des Gaza-Streifens zur Not auch mit militärischer Gewalt aufrecht zu erhalten. Das ist per se nicht völkerrechtswidrig, da Israel und die palästinensische Autonomiebehörde der israelischen Flotte im
Gaza-Jericho-Abkommen einen weitreichenden Handlungsspielraum bei der Überwachung der Seezone vor dem Gaza-Streifen eingeräumt haben. Wenn Israel den Verdacht hegt, dass ein Schiff unerlaubte Güter nach Gaza transportiert, darf die israelische Marine dieses Schiff kontrollieren oder an der Weiterfahrt hindern. Die israelischen Offiziellen hegten diesen Verdacht ob er begründet war oder nicht, spielt dabei rechtlich keine Rolle. Es spielt jedoch völkerrechtlich eine Rolle, dass die Schiffe 40 Seemeilen vor der Küste und somit in internationalen Gewässern aufgebracht wurden.
Israel
beruft sich auf das weitestgehend unbekannte
San-Remo-Memorandum, das Seestreitkräften unter bestimmten Bedingungen in der Tat auch in internationalen Gewässern militärisches Vorgehen gegen potentielle Blockadebrecher gestattet. Israels Rechtfertigung läuft hier jedoch aus zwei Gründen ins Leere. Zum Einen ist das San-Remo-Memorandum eine Ergänzung des UN-Seerechtsübereinkommens dieses völkerrechtliche Vertragswerk wurde zwar bereits von 160 Staaten ratifiziert, Israel gehört jedoch nicht dazu. Zum Anderen bezieht sich das San-Remo-Memorandum explizit auf bewaffnete Seekonflikte zwischen mindestens zwei Staaten und ist Bestandteil des Kriegsrechts. Der Gaza-Konflikt ist allerdings kein offizieller Krieg zwischen zwei souveränen Staaten und somit kann auch das internationale Seekriegsrecht hier nicht gelten. Stattdessen gilt in diesem Falle das von Israel nicht anerkannte UN-Seerechtsübereinkommen. Eine völkerrechtliche Bewertung dieses Zwischenfalls ist somit nicht ohne weiteres möglich. Beide Konfliktparteien handelten aus ihrer subjektiven Perspektive heraus korrekt. Da Israel sich seit langem der internationalen Gerichtsbarkeit entzieht, ist es auch nicht möglich, diesen Fall vor dem internationalen Seegerichtshof in Hamburg zu verhandeln. Streng genommen war das Aufbringen der Freedom Flotilla somit ein Akt der Piraterie, was vor allem für die Bewertung der Vorgänge an Bord Bedeutung hat.