Jetzt hab ich erst deinen Beitrag #55 gefunden, der war mir überhaupt durch die Lappen gegangen. Ok, du hast beschrieben, was du unter Liebe verstehst. Ich versteh darunter was ähnliches, aber deine Sichtweise oder dein Empfinden ist für meine Verhältnisse etwas eingeschränkt. Was ja kein Fehler ist, ich empfinde es aber anders.
Ich leiste mir sehr selten den "Luxus", wirklich zu lieben. Aber wenn, dann isses fest, das hört auch nicht auf, wenn die Verbindung auseinander geht. Und da kommen wir wieder an den Punkt, was Liebe überhaupt für den einzelnen ist. Ob sie unbedingt sexuell ausagiert werden muß zum Beispiel. Ich meine: nein. Sex kann ich mit vielen ausagieren, Sex mit einem geliebten Menschen kann ein Glück sein, wenn's denn funktioniert - meine beiden wirklich großen Lieben sind für mich beide nicht sexuell erfüllend, der eine, weil er schwul ist und zwischen uns in der Richtung zwar auch sinnliches Empfinden bestanden hat, aber kein Begehren - er lebt nun schon bald 15 Jahre in Spanien. Der andere, weil unsere Art der sexuellen Empfindungen so unterschiedlich sind, daß sich da nur eine kleine Schnittmenge bilden läßt.
Trotzdem sind das die beiden Menschen, denen ich nicht nur blind mein Leben anvertrauen würde. Das sind die Menschen, mit denen ich lachen, zoffen, Zeit verbringen kann ohne daß sie mir zu viel werden, die mir in all den Jahren nie langweilig geworden sind, diejenigen, die ich zu jeder Zeit bedingungslos für mich da weiß, sollte ich sie brauchen. Das sind "Freundschaften" wirst du gleich einwenden. Und das stimmt, weil ich mich vielen Leuten zwar freundschaftlich verbunden fühle, für mich aber zu so tiefer Freundschaft unbedingte, tiefe Liebe dazu gehört.
Und der eine ist also mein Mann. Wie kann der geliebte Lebenspartner "nur" Freund sein? Ist er nicht. Er ist der Mensch, dem ich im Schlaf noch den Rücken zudrehen kann, bei dem ich auch mit verrupften Haaren, morgendlichem Knautsch-Muffel-Gesicht und Fieberbläschen auf der Lippe noch weiß, daß ich niemals einen abfälligen Blick von ihm ernten werde. Der - wenn ich ihn frage: "Sag mal, seh ich heute wirklich so Scheiße aus wie ich mich fühle?" antworten wird: "Ja. Aber das macht nichts!"
und auch der Mensch, mit dem ich Sex teile und teilen will, obwohl das nur selten wirklich harmoniert, mit dem ich zum ersten Mal im Leben ein "wir" zulassen kann und dem ich irgendwann freiwillig Verbindlichkeit geben konnte. Das sind meine beiden großen Lieben.
Und dann gibt es ein paar wenige Menschen in der Vergangenheit, mit denen ich zusammen war oder auch nicht. Meine Gefühle für die sind nie so umfassend gewesen, aber sie sind beständig und da. Auch dieser Mann, in den ich mich "fremdverliebt" hab. Obwohl der Kontakt nicht mehr besteht und obwohl der so "sperrig" war, ich mich in manchem mit ihm wirklich fetzen konnte und sogar anfangs Angst vor seiner kompromißlosen Art hatte - wir hätten gar nicht zusammen sein können, das wäre keine zwei Wochen gut gegangen. Er hat mir mal gesagt, daß er sich wünscht, nach dem Tod seine Seele mit all denen, die er je geliebt hat, wieder vereint zu wissen. Das trifft's in etwa, obwohl ich nu nicht grad an eine Weiterexistenz nach dem Tod glaube. Aber diese "Seelenberührungen", manchmal gegen jede Vernunft und sogar, wenn der oder die Betreffende Eigenschaften hat, die man bei jedem anderen zum Kotzen fände, die gibt's eben, und die kann ich doch nicht ausschließen, auch in der Zukunft nicht.
Wenn du Liebe als etwas Ausschließliches lebst und das kannst, dann ist das gut. Aber ich kann meine Gefühlswelt nicht (mehr) so abschotten und ich find's vermessen zu behaupten, solche Empfindungen wären keine Liebe.
Naja. Ich würde sagen, Liebe ist nicht besitzergreifend, Liebe ist natürlich auch mit Sehnsüchten verbunden, Liebe ist auch (für mich jedenfalls) körperlich spürbar, auch dann wenn's nicht sexuell ausgelebt wird. Was Beständiges eben, so wie Verliebtheiten eben flüchtig sind.