Ich les das immer wieder, deshalb meine Frage - welche Wünsche habt ihr an die Politik?
Ich habe im Grunde genommen nur einen Wunsch an die Politik: dass sich die Politiker über ihre Verantwortung bewusst werden.
Dass sie als Politiker ihre Positionen nicht dazu benutzen, um die Bevölkerung gegeneinander auszuspielen, sondern dass sie sich als die Vermittler zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen verstehen.
Und mein zweiter Wunsch geht an die Bevölkerung: dass sie sich nicht an extrem oder radikal agierende Politiker ausliefert, sondern dass man die Gesprächsbasis zu Menschen anderer politischer Überzeugung oder anderer religiöser Ausrichtung nicht willkürlich aufs Spiel setzt und sich bewusst ist, dass die Bevölkerung nur als Einheit stark ist.
Wir leben ohne Zweifel in sehr bewegten Zeiten, Krisen wohin das Auge reicht, die Wirtschaftslage nicht wirklich optimal, viele Menschen sind ohne Arbeit, sehen der Zukunft mit gemischten Gefühlen entgegen, viele Menschen tragen Sorgen und Ängste mit sich herum. Gerade in den letzten Wochen und Monaten strömen viele fremde Menschen zu uns auf der Suche nach Asyl und Hilfe, und viele Menschen unserer heimischen Bevölkerung sehen dieser Zuwanderung entweder mit offener Abwehr entgegen, oder haben jedenfalls noch keinen für sie gangbaren Weg gefunden, wie sie damit umgehen sollen.
Die Politik reagiert darauf auf zweierlei Art und Weise. Die eine Art von Politikern setzt sich auf diese Ängste drauf, bestätigt diese Ängste in übertriebener Form, verspricht einfache Lösungen ohne jede praktische Grundlage und versucht so, Wählerstimmen an sich zu ziehen. Die andere Art von Politikern macht genau das Gegenteil, sie beschwichtigen, bezeichnen die gegenwärtige Lage als nicht beunruhigend, kurz: sie nehmen die Sorgen und Ängste eines Teiles der Bevölkerung nicht ernst, und so mancher von ihnen entblödet sich nicht, sich über diese Menschen lustig zu machen.
Die Unvernunft beherrscht Bevölkerung und Politik. Wichtig ist nur, dass man zu den "Guten" gehört. Wenn "die anderen" Ängste haben, wenn "die anderen" sich benachteiligt fühlen, wenn "die anderen" hassen, das ist immer eine automatische Schuldbefreiung für "die einen".
In Wahrheit gehören wir doch alle zusammen. Und wenn "
die einen VON UNS" Ängste haben, wenn "
die einen VON UNS" sich benachteiligt fühlen, dann sollten eigentlich "
die anderen VON UNS" darüber nachdenken, ob diese Ängste berechtigt sind, ob wirklich keine Gründe vorliegen, sich benachteiligt zu fühlen, ob nicht "
alle VON UNS" gemeinsam einen Teil der Schuld tragen, wenn "
manche VON UNS" meinen, hassen zu müssen. Dass das nicht oder nicht genug geschieht, finde ich sehr schade.
Im Umgang mit diesen ehrlich besorgten Menschen hilft es auch sehr wenig, wenn man ihnen eine rechte bis rechtsextreme Gesinnung unterstellt. Und es ist peinlich bis beschämend, wenn dann noch die "Fremdschämer" auf den Plan treten, und sich bis weit in die Tiefen des vergangenen Jahrhunderts hinein dafür schämen, was nicht unsere Vorfahren für schlechte und verderbte Menschen waren. Bringt das wirklich etwas für die Menschen der Gegenwart, oder ist es auch nur ein Teil des Planes, zu den "Guten" gehören zu wollen?
Ich finde das Umgehen mit der Scham über das Vergangene keine wirklich passende Gelegenheit, um auch da schon wieder quasi zwei Klassen zu erschaffen. Jene, welche sich schämen, und das sind natürlich die Besseren, weil zu denen gehören ja
wir - und jene, welche sich nicht schämen, das sind dann "die anderen". Das finde ich noch mehr schade.
Schon deshalb, weil das Ausmaß, in dem wir unsere Scham öffentlich machen, ja im Grunde genommen überhaupt nix darüber aussagt, in welchem Ausmaß wir die Schrecken der Vergangenheit verarbeitet und daraus Lehren gezogen haben. Ich habe nicht den Eindruck, dass alle jene, welche sich so gerne und ausführlich in ihrem Schämen sonnen, aus der Vergangenheit wirklich gelernt haben, zumindest lässt sich das aus dem einen oder anderen Verhalten schließen.
Und ich gestehe gerne, dass ich persönlich nicht bereit bin, mich aus Gründen der political correctness zu einem kollektiven Schämen einzufinden.
Als ich mich mit der Zeit vor 1945 beschäftigt habe, ist schon ein bisserl her, hat das bei mir eigentlich nur zwei Gefühle ausgelöst.
Fassungslosigkeit und Trauer.
Fassungslosigkeit zum einen darüber, mit welch eiskalter Brutalität die damaligen Machthaber zuerst ihre diversen ideologischen und rassistischen "Reinigungen" durchgeführt haben, zum anderen auch darüber, mit welch menschenverachtendem Zynismus sie nach dem Erkennen ihres Scheiterns bereit waren, ein ganzes Volk mit sich in den Untergang zu reißen.
Fassungslosigkeit aber auch darüber, wie im Kampf um das eigene Überleben die Menschen gegenseitig aus Angst, Verzweiflung, Not, aber auch aus Geltungsbedürfnis, Eigennutz, persönlicher Rivalität in blindem Hass aufeinander eingeschlagen haben.
Und Trauer ....... nahezu endlose Trauer darüber, dass zwei Generationen von Menschen von den politischen Kräften, denen sie ihr Vertrauen geschenkt hatten, bitter enttäuscht und im Stich gelassen wurden. Und das gilt jetzt nicht nur für das NS-Regime, das war nur der unrühmliche Höhepunkt einer Entwicklung, welche sich vor und während des Ersten Weltkrieges und in der beginnenden Zwischenkriegszeit ja angebahnt hatte.
Zwei Generationen von Menschen, die sich ihrer unbeschwerten Kindheit, ihrer ausgelassenen Jugend beraubt sahen, denen man weder Arbeit noch Brot dauerhaft in ausreichendem Ausmaß verschaffen konnte, denen man nicht Vorbild war im Miteinander, sondern die man im Gegenteil noch gegeneinander aufgehetzt hat.
Scham?
Eher Wut über die Drahtzieher dieser teuflischen Pläne.
Mitleid mit jenen, welche zu Opfern geworden waren.
Erbarmen für jene, welche blind und gläubig der Herde gefolgt sind, und von Opfern zu Tätern geworden sind.
Dankbarkeit für jene, welche sich der Tyrannei widersetzt haben.
Verachtung für jene, welche aus persönlicher Habgier oder wirtschaftlichem Interesse die Augen verschlossen haben vor dem Leid der Opfer.
Scham? .......... nein.
Viele von uns Österreichern haben nach wie vor ein sehr distanziertes Verhältnis zu einer Politik, welche zu Radikalismus oder Extremismus neigt. Das ist schön, das ist erfreulich, und das soll vor allem auch so bleiben.
ABER: wenn wir uns nicht zuletzt durch die Erfahrungen unserer Altvorderen für eine Politik der Versöhnung auf demokratischer Basis entschieden haben, dann sollten wir uns nicht überheben, sondern wir sollten dankbar dafür sein. Und wir sollten auf jene, welche die Richtigkeit dieses Weges noch nicht erkennen können, nicht mit dem Finger zeigen, sondern wir sollten uns bemühen, sie davon zu überzeugen, dass nicht nur auf Österreich begrenzt das Miteinander bessere Zukunftschancen eröffnet als das Gegeneinander.
Und schließlich jene Minderheit, welche bewusst den anderen Weg gehen will .......... verteufeln wir sie nicht, damit wir sie nicht zu "Opfern" machen. Aber behalten wir sie mit gebotener Wachsamkeit im Auge, damit sie nicht zu Tätern werden können.
Leisten wir ihnen Widerstand, und bekämpfen wir sie mit demokratischen Mitteln, aber tun wir es in einer Art und Weise, welche ihnen und uns die menschliche Würde bewahrt.
Ist das denn wirklich so viel verlangt?