Ich korrespondiere nun schon lange mit diversen Pärchen aus verschiedenen Erotikforen.
Die Beschwerden über die sexuellen Aktivitäten bzw. Inaktivitäten häufen sich und haben immer den gleichen Konsens:
SIE hat im Laufe der Beziehung immer weniger Lust, während er, Hormon- und Triebgesteuert, am liebsten jeden Tag ficken will!
Offensichtlich klafft diese Schere immer weiter auseinander, je älter man wird und je länger die Beziehung geht.
Wie geht man nun damit um? Die Frau bedrängen öfter Sex zu machen? Zur Prostituierten gehen? Öfter
wichsen??
Kann es ein Beziehungskiller werden?
Diese Fragen stelle ich mir oft. Zudem stelle ich mir immer wieder die Frage, wann sich beim Mann eine generelle Unlust einstellt... also wann stellen sich die Hormone so ein, dass man nicht dauernd diesen Trieb hat, ficken zu wollen?
Ich würde gerne dazu ein paar Erfahrungsberichte und Meinungen lesen!
Also, ich seh hier mehrere Bereiche:
- Biologisch (unterschiedliche Physiologie von Mann und Frau)
Frau und Mann sind nun mal unterschiedlich. Frauen können, wenn sie körperlich gesund sind, bis zum 45. Lebensjahr problemlos Kinder bekommen. Männer können hingegen bis ins hohe Alter Kinder zeugen. Somit ist es aufgrund der Evolution so vorhergesehen, dass Sexualität für Frauen "kürzer" und bei Männern "länger" passiert. Besonders interessant ist der weibliche Zyklus, der sich ständig am Hormonspiegel der Frau richtet. Mehr Testosteron, mehr Lust, mehr Östrogen, weniger Lust. Männer haben ebenfalls Östrogen, jedoch in sehr geringer Form.
Frauen und Männer nehmen Sexualität sehr unterschiedlich wahr. Bei Frauen wird dabei verstärkt Oxytocin ausgeschüttet - also das Bindungshormon.
- Soziologisch (Erlernt, erworben, gesellschaftlich angenommen - "Was ist die Norm?"), Kulturell und Historisch
Das betrifft unser soziales Umfeld und wie wir Sexualität innerhalb der Gesellschaft wahrnehmen. Es hat auch viel mit Erziehung und Vorbildwirkung zu tun. Durch die feministische Bewegung der 60er-Jahre haben Frauen begonnen, verstärkt sexuell selbstbestimmt zu handeln. Sie haben Sexualität als Rebellion gesehen und wurde zur politischen und interfamiliären Waffe. Frauen verweigerten zum ersten Mal den Männern den Sex. Die Hippie-Generation hat schön gezeigt, dass die Nachkriegskinder (die ja im neuen Wohlstand aufwuchsen) mit der prüden 40er und 50er-Generation nichts zu tun haben wollten. Eigenständigkeit und politischer Wandel haben sicher sehr dazu beigetragen, dass Frauen ihre Sexualität selbst in die Hand nahmen.
Frauen wie Beate Uhse zB hat hier eine Vorreiterrolle gespielt um die Aufklärung der weiblichen Sexualität und war ein Vorbild für viele Frauen, der damaligen Zeit.
Derzeit leben wir in einer übersexualisierten Gesellschaft (Werbung, TV, Internet etc). Alles und jeder ist Sex und der einstige Zweck (zum Zeugen der Kinder) rückt verstärkt in den Hintergrund.
Religion ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Durch die Christianisierung wurde den Menschen viel an Freiheiten genommen und Sexualität als Fehler und Falsch deklariert haben. Sie haben seit jeher versucht, Sexualität zu kontrollieren, was ihnen bis heute nicht gelungen ist. Die Auswüchse kennen wir nur zu gut.
- Wirtschaftlich, Wissenschaftlich und Medizinisch
Noch nie waren wir mehr aufgeklärt und wissen mehr über unsere Sexualität, wie in diesen Tagen. Wir wissen alles darüber, sowohl die Anatomie, Funktion als auch die Verhütung und der Schutz vor Krankheiten. Es gibt mittlerweile unzählige Präparate zur Luststeigerung oder Lusterhalt. Und der Fokus wird immer stärker auf den Trieb gelegt, also die Erlangung des
Orgasmus und weniger der Weg dahin.
In den 80er haben wir kurzzeitig lernen müssen, dass Sex ihre Grenzen und Konsequenzen hat.
AIDS!
Wir wissen alles darüber, aber haben verlernt, auf unseren Körper zu hören. Frauen mit 50 wünschen sich, Sex wie eine 20-jährige zu haben und junge Frauen lassen sich das Arschloch bleichen oder die Schamlippen verkleinern. Die Selbstoptimierung trägt die irrsten Blüten, wobei Brustvergrößerung noch das Harmloseste ist. Es geht um das Zeigen und Präsentieren der primären Sexualorgane. Es geht darum, gewollt und begehrt zu werden, egal mit welchen Mitteln.
Kaum eine Branche macht mehr Milliarden Gewinne, als die Sex-Branche. Von Pornos angefangen bis hin zur
Sexspielzeug. Swingerclubs und Bordelle schießen wie Pilze aus den Böden und Clubs für den jeweiligen Fetisch oder Vorliebe sind ebenfalls dabei. Wir haben ein Überangebot!
Sex wird in den Mittelpunkt gerückt und der Mensch wird zu einem Objekt.
Die Frage, die man sich als Teil eines Paars stellen sollte, wie geh ich mit meiner eigenen Sexualität um und bin ich bereit über meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche offen zu sprechen? Ich hab kein Verständnis dafür, wenn es gejammert wird, weil SIE nicht will und ER aber schon. Das Problem liegt nicht an der mangelnden Sexualität, sondern an ganz anderer Stelle.
Noch ein Satz zum Schluss: Jeder Mensch ist anders und jeder empfindet die eigene Sexualität anders.