was lest ihr gerade? - der literaturthread!

Als kleinen Quickie am Abend:
Oskar Kokoschka; Mörder, Hoffnung der Frauen
und als nächstes dann (wieder einmal)
Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter von Fritz von Herzmanovsky-Orlando
 
Hauptthema bei "Kohlhaas" ist die Frage nach der "Gerechtigkeit": Was ist gerecht? Nur was im Gesetz steht? Wird man ungerecht behandelt, darf man Selbstjustiz üben?....( Stichwort. "Pferde" )...weiters noch "Herrschaft - Untergebene"...:)....bei Kleist ist immer in seinen Werken das Thema "Gerechtigkeit und deren Mißbrauch", Beispiel auch "Der zerbrochene Krug": Richter Adam ist ein Richter, der sich das Gesetz dreht, wie er es braucht. :)....siehe auch "Storm", "Der Schimmelreiter", so aus ich höre schon auf!:haha:....:muted:bei Literatur gehen mir auch die Pferde gleich durch:haha:...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich glaube mich zu erinnern – es war auch zu meiner Schulzeit als ich den Kohlhaas gelesen habe – dass wir damals das natürliche Recht (heute wären es die Menschenrechte im Sinne von „Jeder Mensch verfügt unabhängig von Stand, Religion, Geschlecht und Herkunft über unveräußerliche Rechte“) dem statuierten Recht gegenüber gestellt haben und den Widerspruch zwischen beiden als eines der Hauptprobleme von Staats- und Gesellschaftsverträgen herausgearbeitet haben. Zumal das Werk ja – wenn ich mich recht entsinne – zeitlich gegen Ende der Renaissance zu Zeiten des Humanismus angesiedelt ist. Aber wie gesagt das ist schon ein paar Jahrzehnte her, dass ich das gelesen habe.
Ich weiß noch, mein pathetischer Schlusssatz war: „Nicht alles was Recht ist ist auch rechtens“
Der wurde mir nicht gestrichen, im Gegensatz zu meinen Überlegungen ob individuelle Selbstjustiz oder eine Revolution das probatere Mittel darstellen natürlichem Recht zur Geltung zu verhelfen.
 
Hi,

haben wir alle das selbe Werk gelesen?

Ich jedenfalls habe - im Lichte des Terrors von PLO, RAF und IRA - beleuchtet, inwieweit es gerechtfertigt sein kann, zivile Opfer in der Bevölkerung nicht nur in Kauf zu nehmen sondern sogar zu provozieren, obwohl diese offenbar nicht sachbeteiligt sind.

Ich orientiere mich am - auch hier im Toleranzthread gebrachten - Zitat von Thomas Mann, wonach Toleranz zum Verbrechen wird, wenn sie dem Bösen gilt. Demnach wäre die Zivilbevölkerung nicht "unschuldig und unbeteiligt", weil die Zivilbevölkerung durch ihr Schweigen, ihre Toleranz den Untaten des Adels gegenüber, diese erst ermöglicht hätten.

Wenn man von der Pflicht des Einzelnen zu zumindest dem zivilen Ungehorsam in einem Regime ausgeht, war die Zivilbevölkerung nicht unschuldig.

Eine ähnliche Argumentationslinie (mir damals unbekannt) ergibt sich auch für die Flächenbombardements deutscher Städte im 2. Weltkrieg.

Damit befinde ich mich natürlich weit außerhalb der Grenzen der Definition von Kombattanten im Sinne der Haager Landkriegsordnung/Genfer Konventionen, aber wenn sich der militärische Gegner nicht daran hält, erschweren diese den Sieg des "Guten" über das "Böse" und könnten daher unbefolgt bleiben.

Insbesondere vor dem Hintergrund des damals nicht allzu alten Nittel Attentats eine sehr provokante Stellungnahme ... ;)


Die von den meisten anderen Schülern erörterten Punkte waren mir viel zu unspektakulär und trivial, klar ist in der Diktatur der Tyrannenmord ein legitimes politisches Instrumentarium, da gibt es doch keinen Grund zur Diskussion.


Der einzige, in unserer heutigen Zeit und nach unseren Maßstäben gemessene, kontroverse Punkt ist, wie weit Kollateralschäden an Zivilisten akzeptabel sind, bzw. ob diese direkt angegriffen werden dürfen.

Gerade heute ist das wieder ein Thema, Embargos gegen Nord Korea schaden sicher nicht Kim Jong Un, sondern Millionen Menschen hungern und zig Tausende sterben. Dürfen wir das? Ich meine, wir dürfen das. Damit aber muss man auch feststellen, dass RAF, IRA, PKK, ETA, Rote Brigaden, PLO, etc. legitim handeln.

Das BVT wäre sicher nicht glücklich mit solchen Überlegungen ....

Heute hätte man noch ein weiteres Feld der Analogie, denn zu meiner Zeit gab es keine Schulmassaker. Hier wäre aber eine ähnliche Situation, eine starke, mächtige Gruppe von Schülern mobbt einen oder mehrere schwache:down: Schüler, viele an sich unbeteiligte Schüler sehen zu und helfen nicht, ignorieren das Leid. Der oder die Gemobbte:down: üben Selbstjustiz. 1:1 Kohlhaas mit der Einschränkung, dass die Schüler heute die Möglichkeit haben, rechtlich und sonst Hilfe zu bekommen, was Kohlhaas nicht hatte.

Aber die Argumentationen der Schulmassaker (Columbine, Emsdetten) sind sehr ähnlich dem, was Kohlhaas wiederfahren ist.

LG Tom
 
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